Lexikon der Biologie: Erythropoetin
Erythropoetins [von *erythro- , griech. poiētēs = Hersteller], Abk. EPO oder EP, Erythropoietin (EP), erythropoiesis stimulating factor (ESF), haemopoietin, Hämatopoietin, vor allem in den Endothelzellen der Niere (zu 90%), aber auch in Hepatocyten gebildetes Glykoproteid-Hormon (relative Molekülmasse 34000–39000). Erythropoetin wird außerdem von Makrophagen und verschiedenen Tumorzellen gebildet. Das zu den Cytokinen gehörende Erythropoetin umfaßt 165 Aminosäuren, wird aus einem Vorläuferprotein mit einer Länge von 193 Aminosäuren durch Erythrogenin gebildet, besitzt 2 Disulfidbrücken, einen isoelektrischen Punkt bei pH 4,5, N- und O-glykosidisch gebundene Zuckerreste und ist ein relativ hitze- und säurestabiles Glykoprotein. Durch unterschiedliche Glykosylierungsraten (Glykosylierung) kommen mehrere Isoformen von Erythropoetin zustande, die sich in ihrer Halbwertszeit und ihrer biologischen Aktivität unterscheiden. Die Wirkungen von Erythropoetin werden über spezifische Rezeptoren vermittelt, die in einer Dichte von 300–3000 Kopien/Zelle auch auf nicht-sensitiven Zellen exprimiert werden. Sobald Erythropoetin an den Rezeptor gebunden hat, wird der Ligand-Rezeptor-Komplex internalisiert (internalisieren). Der Erythropoetinrezeptor ist ein Heterodimer aus 2 Untereinheiten mit relativen Molekülmassen von 95000 bzw. 110000. Der Mechanismus der Signaltransduktion ist noch nicht geklärt. Das für den Erythropoetinrezeptor codierende Gen ist beim Menschen auf Chromosom 19 lokalisiert. – Erythropoetin ist an der Differenzierung von Erythrocyten (Erythropoese) und Thrombocyten beteiligt. Außerdem moduliert es die Proliferation von Erythrocyten-Vorläuferzellen ( Blutbildung ). Erythropoetin beeinflußt weiterhin die Purin- und Hämsynthese, den Eisenstoffwechsel und den Sauerstoffverbrauch. Il-3 wirkt synergistisch mit Erythropoetin. Bei andauernder niedriger Sauerstoffkonzentration (z.B. bei Höhenaufenthalt, im Flugzeug; Anpassung, Höhenkrankheit) wird vermehrt Erythropoetin gebildet (Atmungsregulation). Durch übersteigerte Produktion von Erythropoetin kommt es zu einer Erhöhung der Erythrocytenzahlen, des Hämatokritwerts ( vgl. Infobox ) und des Hämoglobingehalts des Blutes. Allerdings konnte bei Schichtarbeitern in den Höhenlagen der Anden auch nach jahrelanger Arbeit trotz immer wiederkehrender Erhöhung der Erythropoetinwerte keine wesentliche Erhöhung des Hämatokrits nachgewiesen werden. Durch einen noch unbekannten Mechanismus reagiert der Körper bei diesem jahrelangen, berufsbedingten Wechsel der Erythropoetinkonzentration nicht auf die vom blutbildenden Hormon übermittelte Botschaft, womit eine Blutverdickung verhindert wird. Neuere Befunde deuten darauf hin, daß im Falle eines zu hohen Anstiegs der Menge an Erythrocyten und damit verbundener Steigerung der Blutviskosität ein starker Rückgang der Erythropoetinkonzentration an der Zerstörung von Erythrocyten unmittelbar nach ihrer Reifung beteiligt ist. – Die Blutwerte des Erythropoetins sind erhöht bei Sauerstoffmangel, Nierenzellkarzinom (oft verbunden mit Polyglobulie) und verschiedenen Formen der Anämie, erniedrigt z.B. bei Hungeranämie, rheumatischen Erkrankungen (Rheumatismus), chronischen Nierenerkrankungen und Infektionen. Erythropoetin kann inzwischen synthetisch bzw. gentechnologisch mit Hilfe gentechnisch veränderter tierischer oder menschlicher Zellen (rekombinantes Erythropoetin, Epoetin) produziert werden. Klinisch wird Erythropoetin bei der Behandlung einer renal bedingten Anämie verwendet, wobei allerdings z.T. schwere Nebenwirkungen (Hypertonie, Elektrolytstoffwechsel-Störungen, Eisenmangel) zu beobachten sind. Eine Anwendung von Erythropoetin bei nicht-renalen Anämien (durch chronische Infektionen, Tumoren, Cytostatikatherapie) kann erfolgreich sein. Gen-Medikament.
S.G./S.Kl.
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