Lexikon der Mathematik: nirgends differenzierbare stetige Funktionen
stetige Funktionen, die an keiner Stelle ihres Definitionsbereichs differenzierbar sind, wie die Bolzano-Kurve, die Knopp-Funktion, die Takagi-Funktion und die Weierstraß-Cosinusreihe.
Diesen Funktionen ist gemeinsam, daß sie, unter Zuhilfenahme des Satzes von Weierstraß über gleichmäßige Konvergenz von Folgen stetiger Funktionen, als Grenzwert einer Reihe stetiger Funktionen von zwar immer kleinerer Amplitude, aber mit in der Summe wachsender Steilheit, entstehen. Die Grenzfunktionen sind überall ‚unendlich rauh‘ und besitzen an keiner Stelle eine Tangente. Mit Hilfe des Satzes von Baire kann man zeigen, daß in einem gewissen Sinn fast alle stetigen Funktionen nirgends differenzierbar sind, daß diese Funktionen also keineswegs ‚seltene Ausnahmen‘ darstellen.
Da es anschaulich so scheint, als ob die Stellen, an denen eine stetige Funktion nicht differenzierbar ist, in gewisser Weise ‚Ausnahmestellen‘ seien, war die Entdeckung nirgends differenzierbarer stetiger Funktionen im 19. Jahrhundert eine große Überraschung, gemäß Paul du Bois-Reymond „eines der ergreifendsten Ergebnisse der neueren Mathematik“. Nach Karl Strubecker zeigen diese Funktionen, „daß es uns nicht gelingt, den ursprünglich der Anschauung entwachsenen, später mathematisch präzisierten Begriff der stetigen Funktion wirklich anschaulich voll zu erfassen“.
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