Lexikon der Neurowissenschaft: Chemoaffinitätshypothese
Chemoaffinitätshypothesew, Echemoaffinity hypothesis, eine von R.W. Sperry 1963 formulierte Hypothese zur Erklärung des Zustandekommens spezifischer Verbindungen zwischen Nervenzellen während der Ontogenese des Gehirns. Sperrys Hypothese beinhaltet 5 Behauptungen: 1) Nervenzellen unterscheiden sich voneinander; 2) diese Unterschiede haben mit ihrer Position im sich entwickelnden Nervensystem zu tun; 3) sie entstehen frühzeitig in der Ontogenese; 4) sie sind chemischer Natur; 5) präsynaptische und postsynaptische Nervenzellen mit passenden biochemischen Merkmalen gehen selektive und exklusive neuronale Verbindungen ein. Bei der Formulierung der Chemoaffinitätshypothese baute Sperry auf Befunden und Überlegungen von S. Ramón y Cajal und J.N. Langley auf und versuchte seine Beobachtung zu erklären, daß die während der Entwicklung (und gegebenenfalls Regeneration) auswachsenden Axone der Retinazellen (Netzhaut) mit ganz bestimmten Arealen im Tectum des Gehirns Kontakt aufnehmen (retinotope Projektion). Die Chemoaffinitätshypothese ist durch zahlreiche Experimente bestätigt und präzisiert worden. Inzwischen sind verschiedene Klassen zellulärer Moleküle identifiziert worden (Zelladhäsionsmoleküle, Cadherine, Integrine, neurotrophe Faktoren), die eine anziehende oder abstoßende Wirkung zwischen Nervenzellen vermitteln. Anstatt der früher angenommenen individuellen chemischen Markierung der einzelnen Zellen geht man heute davon aus, daß Gradienten der Zelladhäsivität bzw. Zellabstoßung die Areale der Kontaktbildung nur grob festlegen. Die genaue Lokalisation der endgültigen Kontakte wird dann vermutlich über aktivitätsabhängige Kompetition zwischen benachbarten Axonendpunkten festgelegt. axon guidance.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.