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Metzler Lexikon Philosophie: Wesen

(griech. Ousia, lat. essentia). Der Begriff besitzt in der Philosophie keine festumrissene Bedeutung. Er wurde durch Meister Eckhart in die dt. philosophische Terminologie als Übersetzung für Essentia eingeführt und bedeutet, entsprechend dem althochdt. wesan, sein, das Beständige, Bleibende gegenüber dem Veränderlichen. Die abendländische Metaphysik versteht unter W. zunächst das nur geistig fassbare typische Wassein eines Seienden, seine Grundgestalt oder Form (griech. eidos, lat. species). Als korrelativer Begriff bezeichnet W. das Identisch-Bleibende im Gegensatz zur Mannigfaltigkeit der ständig wechselnden Erscheinungen und hebt damit hervor, was als notwendig und überindividuell-allgemein in einem Seienden liegt, im Gegensatz zur Vielheit der zufälligen Bestimmungen. Als wahrhaftes oder eigentliches Sein der Dinge bringt das W. die Erscheinungen hervor, trägt sie und macht sie verständlich. Das W. wird deshalb auch als dem Seienden zugrunde liegend (Hypokeimenon, Substrat, Substanz) gedacht. Man unterscheidet zwischen Eigenschaften, die einem Seienden Wesentlich, essentiell sind, und unwesentlichen, akzidentiellen Eigenschaften. – Weiterhin versteht man unter dem W. eines Seienden etwas, das erst noch verwirklicht werden muss. Das Bleibende besteht dann nicht in einer Anzahl von festen Eigenschaften, sondern in einer Tendenz bzw. Disposition (Teleologie, dynamis/energeia). Als Zweck betrachtet kommt dem W. die Bedeutung einer immanenten Norm zu, an der das Einzelseiende gemessen wird. – Die scholastische Philosophie unterscheidet das W. oder die Wesenheit als Sosein oder Essenz vom Dasein oder der Existenz. Das Dasein antwortet auf die Frage, ob ein Seiendes ist, das Sosein oder W. auf die Frage, was ein Seiendes ist. Von daher wird das W. auch als Washeit (lat. quidditas) bezeichnet. Beim endlichen Seienden beinhaltet es eine feste, ewige Möglichkeit (potentia) für die Existenz als dem Prinzip der Wesensverwirklichung (actus/potentia). – Heidegger, dessen Philosophie sich vom Gegensatz W. und Dasein unabhängig macht, bezeichnet die abendländische Philosophie seit Platon als Wesensphilosophie. Dies nicht, weil sie das Prinzip der Existenz vernachlässigt, sondern vielmehr, weil sie bei der Betrachtung des W.s und seines Unterschieds zum Seienden das Sein vergessen habe. Für Heidegger fallen W. und Dasein zusammen: »Das Wesen des Daseins liegt in seiner Existenz« (Sein und Zeit § 9). – Schließlich wird W. im Sinne von Seiendem, z.B. »dieses lebende W.«, oder als Sammelbezeichnung, z.B. »Schulwesen«, verwendet.

Während Platon die Wesenserkenntnis als Anamnese der von den Einzeldingen getrennten ewigen, unveränderlichen Ideen bestimmt, liegt für Aristoteles das W. in den Einzeldingen selbst, aus denen der allgemeine Wesensbegriff durch Abstraktion gewonnen wird. Auch Thomas v. Aquin erklärt die Wesenserkenntnis durch Abstraktion. Sie geschieht kraft des natürlichen Lichts, das es ermöglicht, das W. der Einzeldinge zu erfassen. Der Empirismus hält eine Erkenntnis unabhängig von den Sinnen für unmöglich, weshalb er das W. für unerkennbar bzw. für die Erfahrung folgenlos bestimmt. Im 20. Jh. geht die von Husserl entwickelte Phänomenologie wieder von einer Wesenserkenntnis aus. Das W. zeigt sich in der Wesensschau oder Ideation. Positivismus und Neupositivismus fragen nicht nach dem W. eines Seienden. Ihnen geht es allein um die Erscheinungen und ihre Bedingungszusammenhänge. Der Positivist M. Schlick z.B. leugnet eine Trennung der Faktenwelt von der Wesenssphäre, mit der Begründung, es gebe nur eine Wirklichkeit.

Literatur:

  • Aristoteles: Metaphysik VII
  • d.h. Degrood: Philosophy of Essence. Groningen 1970
  • K. Flasch: Wesen. In: Handbuch philosophischer Grundbegriffe. Bd. 6. München 1974
  • E. Gilson. L’etre et l’essence. Paris 1948
  • M. Heidegger. Sein und Zeit. Tübingen 151979
  • E. Husserl: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Hua III/1
  • Thomas v. Aquin: De ente et essentia
  • E. Tugendhat: Ti kata tinos. Freiburg/München 31982
  • J. de Vries: Grundbegriffe der Scholastik. Darmstadt 1980.
  • Die Autoren
AA Andreas Arndt, Berlin
AB Andreas Bartels, Paderborn
AC Andreas Cremonini, Basel
AD Andreas Disselnkötter, Dortmund
AE Achim Engstler, Münster
AG Alexander Grau, Berlin
AK André Kieserling, Bielefeld
AM Arne Malmsheimer, Bochum
AN Armin Nassehi, München
AR Alexander Riebel, Würzburg
ARE Anne Reichold, Kaiserslautern
AS Annette Sell, Bochum
AT Axel Tschentscher, Würzburg
ATA Angela T. Augustin †
AW Astrid Wagner, Berlin
BA Bernd Amos, Erlangen
BBR Birger Brinkmeier, Münster
BCP Bernadette Collenberg-Plotnikov, Hagen
BD Bernhard Debatin, Berlin
BES Bettina Schmitz, Würzburg
BG Bernward Gesang, Kusterdingen
BI Bernhard Irrgang, Dresden
BK Bernd Kleimann, Tübingen
BKO Boris Kositzke, Tübingen
BL Burkhard Liebsch, Bochum
BR Boris Rähme, Berlin
BS Berthold Suchan, Gießen
BZ Bernhard Zimmermann, Freiburg
CA Claudia Albert, Berlin
CH Cornelia Haas, Würzburg
CHA Christoph Asmuth, Berlin
CHR Christa Runtenberg, Münster
CI Christian Iber, Berlin
CJ Christoph Jäger, Leipzig
CK Christian Kanzian, Innsbruck
CL Cornelia Liesenfeld, Augsburg
CLK Clemens Kauffmann, Lappersdorf
CM Claudius Müller, Nehren
CO Clemens Ottmers, Tübingen
CP Cristina de la Puente, Stuttgart
CS Christian Schröer, Augsburg
CSE Clemens Sedmak, Innsbruck
CT Christian Tewes, Jena
CZ Christian Zeuch, Münster
DG Dorothea Günther, Würzburg
DGR Dorit Grugel, Münster
DH Detlef Horster, Hannover
DHB Daniela Hoff-Bergmann, Bremen
DIK Dietmar Köveker, Frankfurt a.M.
DK Dominic Kaegi, Luzern
DKÖ Dietmar Köhler, Witten
DL Dorothea Lüddeckens, Zürich
DP Dominik Perler, Berlin
DR Dane Ratliff, Würzburg und Austin/Texas
EE Eva Elm, Berlin
EJ Eva Jelden, Berlin
EF Elisabeth Fink, Berlin
EM Ekkehard Martens, Hamburg
ER Eberhard Rüddenklau, Staufenberg
EWG Eckard Wolz-Gottwald, Davensberg
EWL Elisabeth Weisser-Lohmann, Bochum
FBS Franz-Bernhard Stammkötter, Bochum
FG Frank Grunert, Basel
FPB Franz-Peter Burkard, Würzburg
FW Fabian Wittreck, Münster
GK Georg Kneer, Leipzig
GKB Gudrun Kühne-Bertram, Ochtrup
GL Georg Lohmann, Magdeburg
GM Georg Mildenberger, Tübingen
GME Günther Mensching, Hannover
GMO Georg Mohr, Bremen
GN Guido Naschert, Tübingen
GOS Gottfried Schwitzgebel, Mainz
GS Georg Scherer, Oberhausen
GSO Gianfranco Soldati, Tübingen
HB Harald Berger, Graz
HD Horst Dreier, Würzburg
HDH Han-Ding Hong, Düsseldorf
HG Helmut Glück, Bamberg
HGR Horst Gronke, Berlin
HL Hilge Landweer, Berlin
HND Herta Nagl-Docekal, Wien
HPS Helke Pankin-Schappert, Mainz
HS Herbert Schnädelbach, Berlin
IR Ines Riemer, Hamburg
JA Johann S. Ach, Münster
JC Jürgen Court, Köln
JH Jörg Hardy, Münster
JHI Jens Hinkmann, Bad Tölz
JK Jörg Klawitter, Würzburg
JM Jörg F. Maas, Hannover
JOP Jeff Owen Prudhomme, Macon/Georgia
JP Jörg Pannier, Münster
JPB Jens Peter Brune
JQ Josef Quitterer, Innsbruck
JR Josef Rauscher, Mainz
JRO Johannes Rohbeck, Dresden
JS Joachim Söder, Bonn
JSC Jörg Schmidt, München
JV Jürgen Villers, Aachen
KDZ Klaus-Dieter Zacher, Berlin
KE Klaus Eck, Würzburg
KG Kerstin Gevatter, Bochum
KH Kai-Uwe Hellmann, Berlin
KHG Karl-Heinz Gerschmann, Münster
KHL Karl-Heinz Lembeck, Würzburg
KJG Klaus-Jürgen Grün, Frankfurt a.M.
KK Klaus Kahnert, Bochum
KRL Karl-Reinhard Lohmann, Witten
KS Kathrin Schulz, Würzburg
KSH Klaus Sachs-Hombach, Magdeburg
LG Lutz Geldsetzer, Düsseldorf
LR Leonhard Richter, Würzburg
MA Mauro Antonelli, Graz
MB Martin Beisler, Gerbrunn
MBI Marcus Birke, Münster
MBO Marco Bonato, Tübingen
MD Max Deeg, Cardiff
MDB Matthias Bloch, Bochum
ME Michael Esfeld, Münster
MFM Martin F. Meyer, Koblenz/Landau
MK Matthias Kunz, München
MKL Martin Kleinsorge, Aachen
MKO Mathias Koßler, Mainz
ML Mark Lekarew, Berlin
MLE Michael Leibold, Würzburg
MM Matthias Maring, Karlsruhe
MN Marcel Niquet, Frankfurt a.M.
MQ Michael Quante, Köln
MR Mathias Richter, Berlin
MRM Marie-Luise Raters-Mohr, Potsdam
MS Manfred Stöckler, Bremen
MSI Mark Siebel, Hamburg
MSP Michael Spang, Ellwangen
MSU Martin Suhr, Hamburg
MW Markus Willaschek, Münster
MWÖ Matthias Wörther, München
NM Norbert Meuter, Berlin
OB Oliver Baum, Bochum
OFS Orrin F. Summerell, Bochum
PE Peter Eisenhardt, Frankfurt a.M.
PCL Peter Ch. Lang, Frankfurt a.M.
PK Peter Kunzmann, Jena
PN Peter Nitschke, Vechta
PP Peter Prechtl †
RD Ruth Dommaschk, Würzburg
RDÜ Renate Dürr, Karlsruhe
RE Rolf Elberfeld, Hildesheim
REW Ruth Ewertowski, Stuttgart
RH Reiner Hedrich, Gießen
RHI Reinhard Hiltscher, Stegaurach
RK Reinhard Kottmann, Münster
RL Rudolf Lüthe, Koblenz
RLA Rolf-Jürgen Lachmann, Berlin
RM Reinhard Mehring, Berlin
RP Roland Popp, Bremen
RS Regina Srowig, Würzburg
RTH Robert Theis, Strassen
RW Raymund Weyers, Köln
SD Steffen Dietzsch, Berlin
SIK Simone Koch, Bochum
SP Stephan Pohl, Dresden
SZ Snjezana Zoric, Würzburg
TB Thomas Bausch, Berlin
TBL Thomas Blume, Dresden
TF Thomas Friedrich, Mannheim
TG Thomas Grundmann, Köln
TH Thomas Hammer, Frankfurt a.M.
TK Thomas Kisser, München
TM Thomas Mormann, Unterhaching
TN Thomas Noetzel, Marburg
TP Tony Pacyna, Jena
TW Thomas Welt, Bochum
UB Ulrich Baltzer, München
UT Udo Tietz, Berlin
UM Ulrich Metschl, München/Leonberg
VG Volker Gerhardt, Berlin
VM Verena Mayer, München
VP Veit Pittioni, Innsbruck
VR Virginie Riant, Vechta
WAM Walter Mesch, Heidelberg
WB Wilhelm Baumgartner, Würzburg
WH Wolfram Hinzen, Bern
WJ Werner Jung, Duisburg
WK Wulf Kellerwessel, Aachen
WL Winfried Löffler, Innsbruck
WM Wolfgang Meckel, Butzbach
WN Wolfgang Neuser, Kaiserslautern
WP Wolfgang Pleger, Cochem/Dohr
WS Werner Schüßler, Trier
WST Wolfgang Struck, Erfurt
WSU Wolfgang Schulz, Tübingen
WvH Wolfram von Heynitz, Weiburg

Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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