Lexikon der Biologie: Schizophrenie
Schizophreniew [von *schizo- , griech. phren = Seele], Spaltungsirresein, endogene Psychose, die kein einheitliches Krankheitsbild zeigt. Es handelt sich um einen Komplex aus Störungen, die Denken, Wahrnehmung und Affektivität (Affekt) betreffen und die in unterschiedlichen Kombinationen und Verlaufsformen sowie verschiedenen Ausprägungen vorkommen. Die Schizophrenien treten weltweit etwa bei 1% der Bevölkerung auf. Die Ursachen der Krankheiten sind weitgehend unbekannt; neben Erbfaktoren spielen Lebensumstände eine Rolle. Wenn ein Elternteil erkrankt ist, erkranken ca. 10% der Kinder, wenn beide erkrankt sind, ca. 40% – auch dann, wenn die Kinder als Säuglinge adoptiert werden. Hinsichtlich der Lebensumstände sind keine spezifischen krankheitsauslösenden Ursachen nachweisbar, Schuldzuweisungen sind nicht möglich. Mitunter scheinen Drogen (z.B. Amphetamine, Cannabis [Haschisch], Ecstasy und LSD [Lysergsäurediethylamid]) die Krankheit auszulösen (Rauschgifte). Die Symptome der Schizophrenien lassen sich „experimentell“ z.B. durch LSD oder Vergiftungen, z.B. mit Dopamin, herbeiführen. Entsprechend der Dopaminhypothese der Schizophrenieentstehung wird ein Dopaminüberschuß diskutiert. Neueste Untersuchungen mit Hilfe der Positronenemissionstomographie (PET) zeigen veränderte Funktionsbilder, z.B. in der Hörrinde (auditorischer Cortex) und im Thalamus. Ob diese Veränderungen Ursache oder Wirkung der Störungen sind, bleibt vorerst unklar. Hauptsymptome sind z.B.: „Gedankenlautwerden“, akustische Halluzinationen („Hören von Stimmen“), Gedankenausbreitung und -entzug, Beeinflussungserlebnisse hinsichtlich Denken, Fühlen, Streben, Willen und Körper. Es handelt sich dabei zum Teil um Störungen der „Ich-Grenzen“ (Selbstexploration). Weitere Symptome können sein: realitätsfremdes Wahrnehmen der Umwelt (Derealisationen) sowie der eigenen Erscheinung (Depersonalisationen), hinsichtlich der Situation unpassende Affekte, kulturell unangemessene Wahnvorstellungen. Als Negativsymptome bezeichnet werden z.B.: herabgesetzte emotionelle Schwingungsfähigkeit, Affektverflachung, sozialer Rückzug, Sprachverarmung, Antriebsverarmung (Antrieb), Depressionen, Autismus. Die Symptome werden von den Betroffenen selbst nicht immer als Krankheit erkannt. Für die Patienten sind die Störungen meist sehr belastend, zumal sie vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus gesunden Tagen oft unerklärlich sind; sie werden deshalb häufig wahnartig interpretiert. Wegen der mangelnden Krankheitseinsicht akzeptieren die Patienten oft ihre krankheitsbedingte Hilfsbedürftigkeit nicht. Dies kann zu Konflikten mit „bevormundenden“ Eltern führen, auch wenn Bewußtsein und Intellekt im allgemeinen nicht betroffen sind. Vor der Pubertät und nach dem 45. Lebensjahr tritt die Erkrankung nur ausnahmsweise erstmals auf. Beobachtet werden kontinuierliche und episodische Verläufe, sie können mit und ohne einem sog. Residualsyndrom einhergehen. Das Residualsyndrom ist bei ca. 1/3 der Patienten deutlich ausgeprägt und ist gekennzeichnet durch das Überwiegen von Negativsymptomen. Heute können meist dank moderner Psychopharmaka (Neuroleptika) und intensiver Rehabilitationsmaßnahmen Dauerhospitalisierungen vermieden werden. Bei ca. 1/3 der Patienten gelingt inzwischen die volle soziale und berufliche Rehabilitation. Bleuler (E.), Clozapin, Elektrokrampftherapie, Fluspirilen, Glutamatrezeptor-Kanäle, Gluten, Haloperidol, Kleinhirn, Neuropeptide, Neurotoxine.
G.M.
Lit.:Bondy, B.: Was ist Schizophrenie? Ursachen, Verlauf, Behandlung. München 1994. Häfner, H.: Das Rätsel Schizophrenie. Eine Krankheit wird entschlüsselt. München 2000. McKenna, P.J.: Schizophrenia and related syndromes. New York 1994. Tsuang, M.T., Faraone, S.V.: Schizophrenia: the facts. Oxford 1997.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.