Lexikon der Neurowissenschaft: Antiarrhythmika
Antiarrhythmika [Mehrzahl; von griech. anti = gegen, arrhythmia = Mangel an Übereinstimmung], E antiarrhythmics, Pharmaka, die Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) beheben und damit Dynamik und Durchblutung des Herzens selbst wieder normalisieren. Die Einteilung der Antiarrhythmika ist uneinheitlich. Eine mögliche Klassifikation erfolgt nach ihrem Hauptangriffspunkt: 1) Wirkung über spezifische Rezeptoren des vegetativen Nervensystems: die Aktivierung des Vagus (der zum Parasympathicus gehört) führt zur Verminderung der Entladungsfrequenz des Sinusknotens (Überreizung kann zu Herzstillstand führen) und zur Unterdrückung der Automatie im AV-Knoten. Eine Vagusreizung mit Parasympathomimetika ist aber therapeutisch nicht durchführbar (wegen erheblicher Nebenwirkungen auf den ganzen Körper). Herzglykoside können aber wegen ihrer positiven Wirkung auf den Vagustonus eingesetzt werden. Ähnliche Wirkung wie ein Vagusreiz haben β1-Sympatholytika auf die Herzdynamik. Da der spezielle Adrenozeptorentyp β1 (adrenerge Rezeptoren) fast ausschließlich am Herz vorkommt, können β1-Sympatholytika zur Behandlung eingesetzt werden, ohne daß systemische Nebenwirkungen (wie bei Parasympathomimetika) befürchtet werden müssen. Eine oft verwendete Substanz ist z.B. Propranolol. 2) Wirkung über direkte Beeinflussung transmembranärer Ionenbewegungen am Herzmuskel (Einteilung siehe Zusatzinfo ).
Antiarrhythmika
Bei der Einteilung der Antiarrhythmika ist zunehmend eine Klassifikation nach ihren elektrophysiologischen Wirkungen gebräuchlich und nach deren Urheber Vaughan Williams benannt. Danach gibt es vier Wirkungsklassen mit gegebenenfalls mehreren Untergruppierungen:
1) Klasse-I-Antiarrhythmika: membranstabilisierende Substanzen oder sogenannte Antifibrillantien; sie bewirken eine Hemmung des schnellen Na+-Einstroms, wodurch schnelle Aktionspotentiale gehemmt werden. Je nachdem, welcher Art die Beeinflussung des Aktionspotentials ist, unterscheidet man Klasse-IA-Antiarrhythmika (Chinidin-Typ), Klasse-IB-Antiarrhythmika (Lidocain-Typ; einige dieser Substanzen leiten sich von Lokalanästhetika ab) und Klasse-IC-Antiarrhythmika (relativ neue Substanzen; zeigen eine besonders lange Bindung am Na+-Kanal; Natriumkanäle). Es gibt aber bereits Tendenzen, die Klasse-I-Antiarrhythmika nicht mehr in drei, sondern nur noch in zwei Gruppen (Substanzen mit kurzer bzw. langer Na+-Kanal-Bindung) einzuteilen.
2) Klasse-II-Antiarrhythmika oder β-Sympatholytika; diese Substanzen hemmen die arrhythmogene Wirkung von Catecholaminen.
3) Klasse-III-Antiarrhythmika: repolarisationshemmende Substanzen; sie verlängern die Dauer des Aktionspotentials und der Refraktärzeit. Diese Substanzen sind zur Zeit Gegenstand intensiver Forschung. Eine Verlängerung des Aktionspotentials kann durch einen verlängerten Na+- bzw. Ca2+-Einstrom oder durch einen verringerten K+-Ausstrom erreicht werden. Natrium- und Calciumkanalöffner (Calciumkanäle) zeigen aber beträchtliche Nebenwirkungen. Eine Blockade der K+-Kanäle (Kaliumkanäle) scheint dagegen ein vielversprechender Ansatz bei der Entwicklung nebenwirkungsarmer Klasse-III-Antiarrhythmika zu sein. Allerdings sind K+-Kanal-Blocker, wegen der Vielzahl unterschiedlicher K+-Kanäle am Herzen, keine einheitliche Substanzklasse, sondern recht unterschiedlich in ihrer Affinität und Wirkung auf die K+-Kanal-Subklassen, wobei vor allem die selektive Blockade des für die Repolarisation wichtigsten K+-Kanals, des Ik-Kanals, bereits wichtige Fortschritte in der Entwicklung der Klasse-III-Antiarrhythmika gebracht hat.
4) Klasse-IV-Antiarrhythmika oder Calcium-Antagonisten; zu ihnen gehören z.B. Verapamil und Diltiazem.
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