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Lexikon der Neurowissenschaft: Glycinrezeptoren

Glycinrezeptoren [von griech. glykys = süß], Abk. GlyR, Eglycine receptors, transmembranäre Glykoproteine, deren wäßrige Poren nach Binden des Aminosäure-NeurotransmittersGlycin öffnen. Der Glycinrezeptor ist ein ligandengesteuerter Ionenkanal. Bindungsstelle für Transmitter und Agonisten und der Ionenkanal sind in einem Makromolekül zusammengefaßt. Der GlyR besteht aus drei verschiedenen Polypeptid-Untereinheiten mit relativen Molekülmassen von 48000, 58000 und 93000. Die Bindung von Glycin an die Bindungsstelle des Komplexes führt nach kurzer Latenz (< 5 ms) zum Öffnen der Pore. Diese ist für Anionen (Cl- > Br- > I- > SCN- > F-), nicht aber für Kationen permeabel; Glycinrezeptoren sind also unselektive Anionenkanäle. Von den physiologisch relevanten Ionen strömt Cl- entlang seines osmotischen Gradienten in das Zellinnere ein. Es resultiert eine Hyperpolarisation der Zelle. Glycinrezeptoren sind also inhibitorisch und unterdrücken die neuronale Aktivität. Glycin ist neben der γ-Aminobuttersäure (GABA; GABA-Rezeptoren) der wichtigste inhibitorische Aminosäure-Transmitter des Zentralnervensystems und ist im Unterschied zu GABA vor allem im Rückenmark und Hirnstamm zu finden. Weitere Agonisten an Glycinrezeptoren sind die Aminosäuren β-Alanin und Taurin, weniger stark wirksam sind Serin und Prolin; antagonistisch wirkt Strychnin. Veränderungen der glycinergen Neurotransmission werden mit neurodegenerativen Krankheiten, die vor allem durch motorische Störungen charakterisiert sind, in Verbindung gebracht. So findet man bei amyotropher Lateralsklerose eine ausgeprägte Reduktion von Glycin-Bindungsstellen im Vorderhorn des Rückenmarks.

Mit Hilfe von 2-Aminostrychnin-Agarose-Affinitätschromatographie ließen sich aus Rückenmarksmembranen Glycinrezeptoren reinigen. Die gereinigte Präparation besteht aus 2 verschiedenen Polypeptiduntereinheiten mit relativen Molekülmassen von 48000-49000 (48-49 kD; α-Untereinheit) und 58000 (58 kD; β-Untereinheit), welche die eigentlichen Ionenkanäle bilden, und einem assoziierten 93000 (93 kD)-Protein, dem Gephyrin, welches die Kanäle am Zellskelett verankert. Die Aminosäuresequenzen der α- und β-Untereinheiten sind durch molekulare Klonierungstechniken aufgeklärt. Glycinrezeptoren sind wahrscheinlich Pentamere aus 3 α- und 2 β-Untereinheiten, die ringförmig um die zentrale Pore angeordnet sind. Von den α-Untereinheiten sind 4 Isoformen (α1-α4) bekannt. Alle klonierten Untereinheiten haben, ähnlich wie die des nicotinischen Acetylcholinrezeptors, 4 Membran-durchspannende Segmente (M1-M4), wobei das Segment M2 jeder der 5 Untereinheiten die Kanalwand bildet. Expressionsversuche in Frosch-Oocyten zeigten, daß die α-Untereinheiten alleine funktionelle Cl--Kanäle bilden. Die Bindungsstelle für Agonisten (Glycin) und Antagonisten (Strychnin) sind hier lokalisiert. Die Glycinrezeptor-β-Untereinheit alleine bildet keinen funktionellen Kanal. Ihr Einbau in heteromere Glycinrezeptoren beeinflußt aber die Leitfähigkeit für Cl-. Diese ist in natürlich vorkommenden heteromeren Glycinrezeptoren um etwa die Hälfte reduziert.

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