Lexikon der Ernährung: Die Ernährungssituation armer Menschen in so genannten Entwicklungsländern
Die Ernährungssituation armer Menschen in so genannten Entwicklungsländern
Claus Leitzmann, Gießen
Zusammenfassend kann die Ernährungssituation armer Menschen in Entwicklungsländern mit wenigen aktuellen statistischen Daten umrissen werden: Etwa 1,5 Mrd. arme Menschen verfügen über weniger als einen US-Dollar am Tag und leben fast ausschließlich in Entwicklungsländern. Armut bedeutet neben Hunger und Unterernährung auch verunreinigtes Trinkwasser, vielerlei vermeidbare Krankheiten und oft auch Obdachlosigkeit. Die Zahl der Hungernden von weltweit 800 Mio. Menschen hat sich in den letzten 30 Jahren nicht verändert, obgleich der prozentuale Anteil durch die Zunahme der Weltbevölkerung deutlich gesunken ist. Fast zwei Drittel davon leben im asiatisch-pazifischen Raum, etwa ein Viertel in Sub-Sahara Afrika, entweder in ländlichen Regionen oder in städtischen Slums. In Südostasien leidet etwa die Hälfte der Kinder an Untergewicht, in Afrika ein Drittel. Täglich sterben etwa 25.000 Menschen an den Folgen von Hunger, die meisten davon sind Kinder unter fünf Jahren. Der Teufelskreis der Armut beschreibt zutreffend die Situation armer Menschen in Entwicklungsländern (Abb. ).
Aus eigener Kraft können diese Menschen der schicksalhaften Spirale von Armut, Unterernährung, Krankheit und dadurch geringer Arbeitsleistung nicht entrinnen. Die Ernährungssituation dieser armen Menschen ist im besten Fall marginal, in vielen Fällen bedenklich.
Ursachen
Die Ursachen für Hunger und Unterernährung beruhen auf einer Reihe von Lebensumständen. Neben der Armut handelt es sich um Naturkatastrophen (Dürren, Überschwemmungen, Erdbeben, Schädlinge u. a.), Verhaltensweisen der Menschen (Bevölkerungswachstum, Diskriminierung, Kriege, Flüchtlinge) sowie Umweltbelastungen (Eingriffe in Klima und Wasserhaushalt, Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden). Vor diesem Hintergrund wirken sich die vorhandenen organisatorischen und institutionellen Einrichtungen der Entwicklungshilfe aus (z. B. Infrastruktur, Technologie, Märkte, Rechts- und Geldwesen, Bildungs- und Gesundheitswesen). Für den einzelnen Menschen zählen aber primär Verfügbarkeit und Zugang zu Lebensmitteln, Hygiene, Fürsorge und Wissen.
Bevölkerungswachstum und Nahrungsmittel-
produktion
In 64 von 105 untersuchten Entwicklungsländern ist in den letzten 15 Jahren die Bevölkerung stärker angestiegen als die Erzeugung von Nahrungsmitteln. Weltweit beträgt der Bevölkerungszuwachs derzeit 1,6 %, in vielen Entwicklungsländern liegt er zwischen 2 und 3 %, die Nahrungsmittelproduktion konnte global um 1 % pro Jahr gesteigert werden, in vielen Entwicklungsländern ging sie aber zurück. Dadurch wird die Versorgung mit Nahrung für die Armen immer unzuverlässiger.
Wechselwirkungen zwischen Ernährungssituation und Gesundheitsstatus
Als unmittelbare Ursachen von Unterernährung gelten eine unzureichende Nahrungsaufnahme und der Gesundheitsstatus des Individuums. Die engen Wechselbeziehungen zwischen Infektionskrankheiten und Ernährungszustand sind verantwortlich dafür, dass Krankheiten wie Durchfall oder Masern in Entwicklungsländern häufig tödlich verlaufen, während sie in Industrieländern heute als harmlos gelten. Der Ernährungszustand ist für die Leistungsfähigkeit des Immunsystems äußerst wichtig. Unterernährung schwächt die Abwehrmechanismen, die Krankheitsanfälligkeit steigt, Krankheiten dauern länger an und verlaufen schwerer.
Weil Infektionskrankheiten unter anderem Appetitlosigkeit hervorrufen, können sie umgekehrt auch Unterernährung verursachen oder eine bereits bestehende Unterernährung verschlimmern. Es treten Nährstoffverluste auf und die Verwertung der Nährstoffe durch den Körper ist beeinträchtigt. Zudem erhöht sich der Nährstoffbedarf bei Krankheiten. Treten Mangelernährung und Infektionskrankheiten gleichzeitig auf, wirken sie zusammen erheblich nachteiliger auf den Körper als die Summe ihrer einzelnen Effekte. Letztendlich ist nicht mehr klar zu unterscheiden, ob ein Kind nun an Unterernährung oder an der Infektionskrankheit gestorben ist.
Frauen und Männer sind unterschiedlich betroffen
Arme Menschen in Entwicklungsländern sind nicht nur ökonomisch sondern auch in anderen Bereichen benachteiligt. Unter den Armen sind es besonders die Frauen, die zurück stehen müssen, obgleich sie oft die Ernährer der Familien sind. So sind weltweit 600 Mio. Frauen Analphabeten. Etwa 75 Mio. Frauen haben jährlich ungewollte Schwangerschaften und 1 Mio. von ihnen sterben an den Folgen einer Abtreibung. Frauen werden verstümmelt (2 Mio. pro Jahr), viele sind von Aids betroffen oder werden zur Prostitution gezwungen.
Eines der effektivsten Mittel zur Verbesserung der Ernährungssituation armer Bevölkerungsgruppen ist die Stärkung und Unterstützung der Frauen. Dies hat im Bereich der Landwirtschaft in Afrika dazu geführt, dass 80 % der Landarbeit von Frauen erbracht wird. Deshalb spricht man inzwischen vom „afrikanischen Bauern und ihrem Mann“.
Problematische Bestandsaufnahme
Die Erfassung der Ernährungssituation armer Menschen ist problematisch, da es keinen einzelnen zuverlässigen messbaren Indikator gibt. Die verfügbaren Statistiken stellen allgemeine Durchschnittswerte für die ganze Bevölkerung eines Landes dar. Dabei ist die Basis meist ein Parameter wie Nahrungsmittelverzehrsmenge, Nährstoffversorgung, Ernährungsstatus oder Kindersterblichkeit.
Die durchschnittliche Nahrungsenergiezufuhr (kcal, J) charakterisiert die Versorgungslage aber nicht ausreichend, da sie keine Aussage über Ungleichheiten in der Verteilung der Nahrung erlaubt (innerhalb der Region, der Dorfgemeinschaft, der Familie). Internationale Organisationen sind auf Schätzungen angewiesen. Diese Schätzungen beruhen in erster Linie auf dem Nahrungsangebot; unberücksichtigt bleiben jedoch besonders die für den Ernährungsstatus von Kindern maßgeblichen Faktoren wie Bildung inklusive Ernährungswissen der Eltern und das staatliche Angebot an Gesundheitsversorgungen. Die alleinige Erfassung der Kinder mit schlechtem Ernährungszustand ist ebenfalls einseitig, da die Versorgungslage der Gesamtbevölkerung nicht einbezogen wird. Kindersterblichkeit ist ein weiterer häufig verwendeter Indikator, der aber nur einen Teil der Ernährungssituation widerspiegelt.
Der Ernährungsindex
Der neu entwickelte Ernährungsindex erlaubt eine bessere Erfassung des Gesamtbildes der Ernährungssituation einer Bevölkerung. Er fasst drei der genannten Indikatoren zu einer Kennzahl zusammen:
Der Ernährungsindex liegt zwischen 0 und 100, wobei der Minimalwert von 0 und der Maximalwert von 100 faktisch nicht erreicht wird. Die für 1997 verfügbaren Daten für 80 Länder zeigen, dass in den ärmsten Ländern die schwerwiegendsten Ernährungsprobleme bestehen (Tab.). Die Armutsbeseitigung ist daher auch die beste Maßnahme zur Verbesserung der Ernährungssituation.
Regionale Unterschiede
Die regionalen Unterschiede der Ernährungssituation lassen sich am Ernährungsindex ablesen. Im Nahen Osten und Nordafrika sind in den letzten 20 Jahren Verbesserungen eingetreten, die meisten Länder haben einen hohen Ernährungsindex. In West- und Zentralafrika dagegen überwiegen niedrige Werte mit positiven aber auch negativen Trends. In Ost- und Südafrika findet eine stetige Verschlechterung der Ernährungssituation statt, besonders in den von Bürgerkriegen belasteten Staaten. In Süd- und Südostasien ist die Ernährungssituation weiterhin unbefriedigend, aber eine stetige Verbesserung ist, mit Ausnahme von Afghanistan, erkennbar. Die Ernährungssituation in Lateinamerika ist befriedigend, außer in Haiti.
Ernährungsstatus
Der Ernährungsstatus der armen Menschen in Entwicklungsländern ist durch eine quantitativ und qualitativ unzureichende Ernährung gekennzeichnet. Die Aufnahme einer ausreichenden Nahrungsmenge ist besonders wichtig, da auf diese Weise i. d. R. alle benötigten Nährstoffe in bedarfsgerechter Menge zugeführt werden, es sei denn, es handelt sich um eine minderwertige oder sehr einseitige Ernährung. In diesem Fall spielt die Verbesserung der Nahrungsqualität die entscheidende Rolle für die Nährstoffversorgung.
Protein-Energie-Mangelernährung
Die übliche Form einer Mangelernährung ist die Protein-Energie-Mangelernährung (PEM). Die PEM führt zu verschiedenen Krankheitsbildern, die je nach Art, Schwere, Dauer und Zeitpunkt des Energie- und Nährstoffmangels stark in ihren Erscheinungsformen variieren. Die PEM tritt sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern auf. Die Ursache liegt nicht im Mangel eines einzelnen Nährstoffs, sondern in der unzureichenden Aufnahme und / oder Verwertung von Nahrungsenergie und dadurch auch von Nährstoffen. Die akuten Formen Marasmus und Kwashiorkor, sind aufgrund ihrer klinischen Erscheinungsbilder sofort zu erkennen.
Marasmus tritt infolge einer langanhaltenden unzureichenden Nahrungsenergiezufuhr auf. Das gleichzeitige Auftreten von Infektionskrankheiten ist typisch. Kinder mit Marasmus haben oft nur 60 % oder weniger ihres normalen Körpergewichtes und sie sind deutlich kleiner als der Durchschnitt ihrer Altersklasse. Dünnes Haar, trockene Haut und die Abwesenheit von Fett im Körper sind charakteristisch. Marasmus führt entweder zu Appetitlosigkeit oder zu starkem Hunger; beim Verzehr größerer Nahrungsmengen erfolgt oft ein Erbrechen der Kost. Da Marasmus typischerweise zusammen mit komplizierenden Begleiterscheinungen (Austrocknung, Entzündung der Augen und der Lungen, Durchfälle) auftritt, sind Todesfälle häufig.
Kwashiorkor findet sich vorwiegend in Gegenden, wo proteinarme, kohlenhydratreiche Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln, Cassava und Kochbananen die Nahrungsbasis bilden. Ein Zusammentreffen von Mikronährstoffmangel, der Einwirkung bestimmter Noxen und dadurch Bildung freier Radikale tragen zur Entstehung des typischen Erscheinungsbildes des Kwashiorkors bei.
Durch den Eiweißmangel ist das Bindegewebe des Körpers geschwächt. Deshalb treten bei Kwashiorkor Gewebewassereinlagerungen (Ödeme) am ganzen Körper auf. Da das Körpergewicht deshalb nur wenig vermindert ist, wird das Ausmaß der Unterernährung oft unterschätzt. Weitere typische Anzeichen von Kwashiorkor sind Haut- und Haarveränderungen sowie eine Fettleber. Die Appetitlosigkeit gestaltet die Therapie von Kwashiorkorkindern schwierig. Durch auftretende Infektionskrankheiten sind die Betroffenen oft nur durch künstliche Ernährung vor dem Tode zu retten.
Das Auftreten und Ausmaß der PEM wird durch anthropometrische Messungen (Körpergewicht, Körpergröße und Alter) klassifiziert. Ein Untergewicht deutet auf eine Unterernährung hin – fast 10 % der Kinder in Entwicklungsländern sind akut unterernährt. Ein verzögertes Längenwachstum ist bei fast 50 % der Kinder vorhanden; es gilt als eines der besten Indikatoren für das Entwicklungsniveau einer Gesellschaft und für soziale Ungleichheit.
Mikronährstoffe
Der Ernährungszustand wird maßgeblich durch den Mangel an Mikronährstoffen beeinflusst, der bei den armen Menschen und deren Kindern häufig anzutreffen ist.
Vitamin-A-Mangel tritt vornehmlich bei Vorschulkindern auf und führt zunächst zu Nachtblindheit, in extremen Fällen zur Erblindung. Der Verlauf von Krankheiten wie Masern, Durchfall und Atemwegsinfektionen verschlimmert sich, die Sterblichkeitsrate ist erhöht. Mindestens 40 Mio. Vorschulkinder leiden an Vitamin-A-Mangel, 13 Mio. haben bereits Augenödeme. Jährlich erblinden 250.000–500.000 Vorschulkinder durch Mangel an Vitamin A. Zwei Drittel dieser Kinder sterben innerhalb weniger Monate nach Erblindung.
Von Eisenmangel oder Anämie (Eisenmangelanämie) sind weltweit etwa zwei Milliarden Menschen betroffen. Bei den armen Menschen in Entwicklungsländern leiden v. a. Frauen und Kinder daran. Infektionskrankheiten und Parasiten, wie Hakenwürmer, tragen zur Anämie bei. Da sich arme Menschen wenig tierische Produkte wie Fleisch leisten können, entfällt eine wichtige Eisenquelle. Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln ist nicht so gut für den Körper verfügbar (geringere Bioverfügbarkeit), trotzdem muss bei adäquater vegetarischer Ernährung kein Mangel auftreten. Eisenmangel führt u. a. zu Leistungsabfall und ist eine der Hauptursachen der hohen Müttersterblichkeit.
Jodmangel tritt vornehmlich in Gebieten auf, deren Böden und somit das Grundwasser nur wenig Jod enthalten. Betroffen sind besonders Gebirgsregionen. Weltweit sind etwa 200 Mio. Menschen von einer Vergrößerung der Schilddrüse (Kropf) durch Jodmangel betroffen. Bei Kleinkindern kann es zu Gehirnschäden und irreversiblen Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung kommen. In schweren Fällen verursacht Jodmangel körperliche und geistige Unterentwicklung (Kretinismus) und Taubstummheit.
Weitere Mangelkrankheiten, die bei armen Menschen vermehrt auftreten, sind Vitamin-C-Mangel (Scorbut), Niacinmangel (Pellagra), Thiaminmangel (Beri-Beri) und Zinkmangel.
Besondere Risikogruppen
Zu den Risikogruppen für Unterernährung allgemein oder für einen Mangel an bestimmten Nährstoffen zählen Personen, die aufgrund ihres physiologischen Status einen erhöhten Bedarf an Nahrungsenergie und Nährstoffen aufweisen, wie Kinder unter fünf Jahren, Schwangere und stillende Frauen sowie kranke Menschen. Außerdem gehören Bevölkerungsgruppen in Regionen mit landwirtschaftlich ungünstigen ökologischen Bedingungen und Landlose dazu.
Flüchtlinge sind eine der in letzter Zeit am stärksten gewachsenen Risikogruppen. Es handelt sich um Menschen, die aus ethischen, religiösen, ökonomischen, ökologischen und politischen Gründen sowie aufgrund von kriegerischen Auseinandersetzungen ihre Heimat verlassen haben. Nach Schätzungen der UN-Organisationen sind etwa 25 Mio. Menschen auf der Flucht. Viele sind zum größten Teil von Nahrungsmittelhilfe abhängig, die sie jedoch zunehmend aufgrund logistischer Probleme oder politischer Bedingungen nicht erreicht.
Da die Nahrungsrationen in den Flüchtlingslagern meist sehr eintönig und vorwiegend auf eine ausreichende Versorgung mit Nahrungsenergie abgestimmt sind, treten wieder verstärkt Mangelkrankheiten auf. Obwohl Flüchtlinge aus verschiedenen Schichten einer Bevölkerung stammen, sind sie durch den Verlust ihrer Heimat insgesamt arm und meist schlecht ernährt.
Weitere Auswirkungen der
Unterernährung
Der Einfluss der Unterernährung auf geistige Entwicklung, Intelligenz und Lernvermögen ist in verschiedenen Studien untersucht worden. Obgleich eine Verbindung zwischen Ernährung und Gehirnfunktion erkennbar ist, handelt es sich immer um komplexe Situationen, welche nicht die Isolierung eines einzelnen kausalen Faktors erlaubt. Denn Unterernährung wirkt meist zusammen mit einer Reihe anderer negativer Umweltfaktoren, die ebenfalls einen ungünstigen Einfluss auf die geistige Entwicklung haben können. Sicher dagegen ist, dass eine starke, länger andauernde Unterernährung im frühen Kindesalter zu irreversiblen Schädigungen der geistigen Entwicklung führt.
Lösungsansätze
Zur Verbesserung der Ernährungssituation armer Menschen in Entwicklungsländern gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Globale Strategien wie eine gerechte Weltwirtschaftsordnung, Fairer Handel, Recht auf Nahrung, Solidarität und Vorbild wohlhabender Länder erreichen letztlich auch die arme Bevölkerung. Sehr erfolgversprechend sind lokale situationsgerechte Maßnahmen wie Bildung, Ernährungsberatung, Hygiene, Vorratshaltung, Wasserver- und -entsorgung. Allen Maßnahmen sollte das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe zugrunde liegen. Nahrungsmittelhilfe ist ein sehr problematisches Instrument, da die eigene Motivation, Nahrung zu erzeugen, untergraben wird. Nur bei akuten Katastrophen und in dramatischen Krisensituationen ist sie notwendig und gerechtfertigt.
Maßnahmen gegen den Hunger müssen sich an den besonderen Gegebenheiten der jeweiligen Zielgruppe orientieren. In Afrika und Asien wäre es sinnvoll, mehr Nahrungsmittel anzubauen, weil der Lebensunterhalt dadurch billiger würde und die ländliche Bevölkerung besser verdienen könnte. Um dieses zu bewirken, müssen gezielt Anreize gesetzt werden, welche die Investitionen in die Landwirtschaft überhaupt erst lohnend machen. Erforderlich sind auch staatliche Begleitmaßnahmen wie ausgedehnte Bewässerungen und die Förderung angemessener technischer Innovationen.
Verstärkte Agrarproduktion ist jedoch keine Patentlösung, da sich die immer unbeständiger werdende Witterung noch verheerender auswirken kann. Eine Diversifizierung der Wirtschaft kann dazu beitragen, die ökonomischen Mittel zu erlangen, welche arme Menschen benötigen, um sich Nahrung kaufen zu können.
Resümee
Abschließend ist festzustellen, dass sich der Zustand von Armut und Hunger bei fast einem Viertel der Weltbevölkerung findet. Dies stellt ein Armutszeugnis für die Menschheit dar, da eines der wichtigsten Grundrechte des Menschen seit langem und weiterhin missachtet wird. Für die armen Menschen in Entwicklungsländern wird die Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer (Ernährungs-)Situation immer geringer, während die wachsende wohlhabende städtische Bevölkerung zunehmend an Überernährung und den entsprechenden Folgekrankheiten leidet. Über die Mittelverteilung im Sozial- und Gesundheitswesen entscheiden bei der dualen Belastung durch noch ungelöste Unterernährung und aufkommende Überernährung die Wohlhabenden. Unterernährung ist sowohl Ursache als auch Symptom von Armut und Unterentwicklung.
Weltweit gibt es genügend Nahrung, um alle Menschen ausreichend zu ernähren. Allein die jährlich geerntete Getreidemenge von derzeit über 1,9 Mrd. Tonnen reicht rein rechnerisch aus, um für jeden der 6,1 Mrd. Erdenbürger täglich etwa 3.000 kcal und etwa 80 g Eiweiß zur Verfügung zu stellen, bei einem Bedarf von etwa 2.500 kcal und durchschnittlich 50–60 g Eiweiß. Jedoch werden etwa 40 % der Getreideernte verfüttert. Arme Menschen können sich oft kaum Getreide und ganz selten tierische Produkte kaufen. Die Verteilung der Lebensmittel erfolgt nicht nach dem physiologischen Bedarf sondern nach ökonomischer Kraft. Neben einer gerechten Weltwirtschaftsordnung ist daher eine weltweite Solidarität angesagt.
Ernährungssituation in Entwicklungsländern: Teufelskreis der Armut. Ernährungssituation in Entwicklungsländern
Ernährungssituation in Entwicklungsländern: Tab. Ernährungsindex (EI) ausgewählter Entwicklungsländer. [Quelle: Jahrbuch Welternährung, 2000]
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1 | Argentinien | 98 | |
11 | Tunesien | 96 | |
15 | Syrien | 94 | |
27 | Iran | 92 | |
34 | Bolivien | 86 | |
44 | Senegal | 83 | |
52 | Vietnam | 79 | |
62 | Mali | 74 | |
71 | Jemen | 70 | |
77 | Mosambik | 64 | |
78 | Niger | 60 | |
80 | Afghanistan | 55 |
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