Lexikon der Kartographie und Geomatik: graphische Grundelemente
graphische Grundelemente, graphische Primitive, gGE, die elementaren graphischen Ausdrucksmittel, Punkt (E dot, point), Linie, Strich (E line) und Fläche (E area) (Abb.), in einer visuell wahrnehmbaren Dimension in einer Zeichenebene. Die Wahrnehmung der gGE erfordert des Weiteren einen Mindestunterschied ihrer Farbe und/oder Helligkeit (Kontrast) zum Hintergrund, d. h. zum Zeichenträger, Druckträger oder Bildschirmhintergrund, weshalb die Farbe einschließlich ihrer Helligkeit in gewissem Sinne selbst als gGE anzusehen ist.
Obgleich im strengen geometrischen Sinne (und drucktechnisch) alle gGE Flächen sind, entspricht jedes der gGE in der praktischen Anwendung seiner geometrischen Abstraktion. So können Punkte als nulldimensionale, Linien als eindimensionale und Flächen als zweidimensionale Gebilde mit graphischen Eigenschaften aufgefasst werden, was für ihre digitale Beschreibung von Bedeutung ist (s. u.).
Die kleinste im Bereich der Graphik zur visuellen Einzelwahrnehmung verwendbare Abmessung hat einen Punkt von der Größe von ca. 0,3 mm Durchmesser (0,1 mm2) (wie er auch als Satzzeichen auftritt); die dünnsten für graphische Zwecke nutzbaren Linien sind Haarlinien mit 0,03-0,05 mm (Linienbreite). Die Grenzen zwischen punkthafter, linienhafter und flächenhafter Wahrnehmung hängen vom graphischen Kontext, z. T. sogar von der den graphischen Zeichen zugewiesenen Bedeutung ab, so dass sich keine allgemeinen Maximalwerte für Punkt und Linie bzw. Minimalwerte für Flächen angeben lassen. Zum Beispiel können die kleinsten Größen eines Wertmaßstabs für Kreise oder Quadrate Durchmesser bzw. Seitenlängen von 1-2 mm (1-4 mm2) haben. Sie werden in diesem Zusammenhang als Fläche aufgefasst. Hingegen wirken gleichgroße Punkte in Punktkarten als große Punkte noch punkthaft. Die Linienstücke gestrichelter Flächenmuster sollten wenigstens etwa fünfmal so lang wie breit sein, um ihre Unterscheidbarkeit von Punktmustern zu gewährleisten. Bänder und Pfeilschäfte von mehr als 1-2 mm Breite erzeugen u. U. bereits eine zuweilen unerwünschte flächenhafte Wirkung. Als Positionssignaturen verwendete geometrische Figuren (Kreis, Quadrat, Dreieck) haben aus darstellungsmethodischer Sicht zwar punkthaften Charakter, verlangen aber aus Gründen der sicheren Unterscheidbarkeit Mindestflächen von 1,5-2 mm2. Für bildhafte Signaturen ist dieses Maß höher anzusetzen. In Flächenmosaiken sind Mindestflächen von 2-3 mm2 erforderlich, da eine grundrissliche Form auszudrücken ist.
Alle unter der Grenze der Auflösung des menschlichen Auges liegenden, ebenfalls für graphische Zwecke verwendeten Punkte und Linien sind nicht als gGE anzusehen. Sie wirken nur im Verbund und zwar als Fläche. Das gilt für die Bildpunkte des Bildschirms, ebenso für die Punkt- oder Linienrasterung im Druck bzw. Ausdruck.
Vor allem im Zusammenhang mit der digitalen Beschreibung der gGE werden Punkt, Linie und Fläche auch als graphische Primitive bezeichnet. Die Grundfunktionen von Programmen des interaktiven desktop mapping und der Kartenkonstruktion basieren auf den graphischen Primitiven. Die digitale Beschreibung der gGE erfolgt nach zwei Hauptprinzipien, denen zwei Hauptgruppen von Datenformaten entsprechen (Abb.): 1. durch Punkte und Linien im xy-Koordinatensystem der Zeichenfläche, wobei Linien auf Geraden oder Kurven zwischen zwei Punkten (Stützpunkten) und Flächen auf den geschlossenen Linienzug ihres Umrisses zurückgeführt werden (Vektordatenmodell bzw. -format); 2. durch Zerlegung der als Bild im allgemeinen Sinne aufzufassenden Graphik in matrix- bzw. rasterartig angeordnete Bildpunkte (Bitmap, Pixel). Pixel mit je zwei gleichartigen Nachbarpixeln in horizontaler, vertikaler oder diagonaler Richtung ergeben die Skelette der Linien, während die Pixel innerhalb von Flächen bis zu den Randpixeln gleiche Eigenschaften aufweisen (Rasterdatenmodell bzw. -format).
In beiden Fällen müssen den zunächst geometrischen Grundelementen zur Visualisierung graphische Eigenschaften zugewiesen werden; den Linien eine bestimmte Breite und Farbe, den Flächen eine Farbe und gegebenenfalls die Breite und Farbe der Kontur, den Punkten ein Objekt mit einer Mindestfläche und folglich vergleichbaren Eigenschaften wie für Flächen angeführt.
Die gGE sind Bausteine jeglicher Graphik. In Karten werden sie für die Kartenzeichen im Rahmen der kartographischen Darstellungsmethoden angewendet. Einige Methoden benutzen die gGE in einfachster, unveränderter Form, z. B. die Punktmethode, die Isolinienmethode, die Flächenmethode (Farbtöne), andere Methoden (Diagramme, Signaturen) verwenden sie zum Aufbau einer komplexeren Graphik.
KGR
Literatur: BERTIN, J. (1974): Graphische Semiologie. Berlin/New York, S.104 f.
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