Lexikon der Biologie: Lichtfaktor
Lichtfaktor, wichtiger abiotischer Faktor, der aufgrund der unterschiedlichen Intensität, spektralen Zusammensetzung und zeitlichen Einwirkung des Lichts auf die Organismen spezifisch wirksam wird. Pflanzliche und tierische Organismen sowie der Mensch können mit Hilfe von Pigmenten (Augenpigmente) oder Photorezeptoren bestimmte Strahlungsanteile des Lichts absorbieren (Absorption). Dabei wird die der Wellenlänge (Welle) entsprechende Energie auf die absorbierende Substanz übertragen und für photochemische Prozesse (Photochemie) nutzbar gemacht. Die biologisch relevanten photochemischen Prozesse laufen im Wellenlängenbereich zwischen 300 und 1100 nm (also auch zum Teil in den Bereichen von Infrarot und Ultraviolett) ab. 1) Botanik: a) Licht kann von Pflanzen in unterschiedlicher Weise genutzt werden. Licht als Energieträger: hier wird die auftreffende Strahlungsenergie durch Photosynthese-Pigmente absorbiert und im Rahmen der Photosynthese in chemische Energie umgewandelt. – Licht als Informationsträger (Information): hier wird durch Licht ein in der Zelle bereits vorliegendes Energiepotential freigesetzt. Licht kann durch Variation und Kombination folgender Größen als Informationsträger wirksam werden: 1. spektrale Zusammensetzung (Farbe), 2. Intensität, 3. Dauer der Lichteinwirkung, 4. Richtung des Lichteinfalls, 5. Schwingungsebene eines Lichtstrahls (Polarisation). Licht steuert Stoffwechselprozesse (Intensität der Photosynthese; Photorespiration; Lichtkompensationspunkt; Biosynthesen von Chlorophyllen, Carotinoiden, Anthocyanen und anderen Stoffen), Entwicklungsvorgänge (Lichtkeimer; Photomorphogenese, Phytochrom-System, Photoperiodismus) und Bewegungsabläufe (Phototropismus, Phototaxis [Euglenophyceae, Abb.], Photonastie [Nastie], Polarotropismus, Photo-Kinese, Photo-Dinese [Photobiologie], Chloroplastenbewegungen und anderes). b) Zentrale Bedeutung kommt dem Licht als Standortfaktor für die lokale Vegetationsdifferenzierung zu. Die Pflanzen passen sich mit ihrem Stoffwechsel, in ihrer Entwicklung und in ihrer Ausgestaltung an die vorherrschende Quantität und Qualität des Strahlungsangebots auf ihrem Wuchsort an ( vgl. Infobox ). Licht wirkt je nach „Veranlagung", der Samen keimungsbeschleunigend (Lichtkeimer) bis keimungshemmend (Dunkelkeimer). Blattflächenindex, Blumenuhr. 2) Zoologie: Für die meisten Tiere und für den Menschen ist Licht ein lebenswichtiger Faktor. Sie besitzen Lichtenergie absorbierende Sehfarbstoffe, die in Plasmabezirken, Augenflecken (bei Einzellern) oder Rezeptorzellen (Photorezeptoren, Lichtsinneszellen) lokalisiert sind (Lichtsinn, Lichtsinnesorgane). Licht beeinflußt z.B. die Aktivität vieler Tiere. Es gibt (Aktivitätstyp) tagaktive (z.B. viele Käfer, Hautflügler, Tagfalter, Eidechsen, Vögel, Säugetiere und andere), dämmerungsaktive (z.B. manche Fledermäuse, viele Wildtiere) und nachtaktive Tiere (z.B. Nachtfalter, Eulen, Fledermäuse). Nicht alle Tiere lassen sich aber eindeutig in eine dieser 3 Gruppen einordnen. Lichtabhängige Verhaltensweisen treten z.B. in Form der tagesperiodischen Vertikalwanderungen bei Rädertieren, Wasserflöhen und Ruderfußkrebsen (Copepoda) in Gewässern auf. So wandern z.B. bestimmte Wasserflöhe (Daphnia magna) abends bei Dämmerung aus einer bestimmten Tiefe aufwärts bis zur Wasseroberfläche; bei Dunkelheit sinken sie wieder ab, und morgens wandern sie in einen Helligkeitsbereich, in dem sie tagsüber bleiben. Orientierung nach dem Licht (Phototaxis) findet sich auch bei Einzellern (Euglenophyceae), einigen Insekten (z.B. Bienen, Ameisen), vielen Vögeln und anderen, die mit Hilfe des Lichts (zum Teil des UV-Lichts) bestimmte Orte auffinden (Licht-Kompaßorientierung) bzw. – bei Bienen (Honigbienen) – farbige Blüten erkennen können (Bienenfarben, Farbensehen). Der Lichtrückenreflex beruht ebenfalls auf einer Orientierung nach dem Licht. – Für viele Tiere ist Licht ein Zeitgeber (Chronobiologie, Farbtafel). So löst z.B. eine bestimmte kritische Helligkeit den morgendlichen Vogel-Gesang aus, bestimmte Tageslängen führen bei vielen Vogelarten zum Beginn des Vogelzugs oder auch über eine hormonale Steuerung zur Aktivierung der Keimdrüsentätigkeit. Auch der Eintritt der Diapause vieler Insekten wird durch die Tageslänge bestimmt. – Manche Arten entwickeln sich zu verschiedenen Jahreszeiten (Tageslängen!) zu unterschiedlichen Morphen, so z.B. Kleinzikaden oder das LandkärtchenAraschnia levana (Saisondimorphismus). – Ständig in Dunkelheit oder extremer Lichtarmut lebende Tiere (z.B. Höhlentiere, Tiefseefische [Tiefseefauna]) zeigen spezielle morphologische Anpassungen ( vgl. Abb. ). In Lichtarmut lebende Tiere besitzen oft eine geringe Lichttoleranz und sind äußerst UV-empfindlich. Auch der bei verschiedenen Tieren auftretende physiologische Farbwechsel ist vielfach lichtabhängig. Lichtschutzmechanismen, Lichtverschmutzung, Photorezeption, Plankton.
W.H.M./Ch.G.
Lichtfaktor
Beziehungen zwischen Lichtangebot und körperlicher Beschaffenheit äußern sich bei Tieren z.B. in der Ausbildung der Augen: große Augen mit hoher Lichtausnutzung bei Dämmerungstieren, Augenrückbildungen bei Höhlentieren, Endoparasiten oder Tiefseefischen. Die Abb. zeigt die Augenrückbildung bei Arten von Laternenfischen (Skopeliden) aus der Tiefsee: a aus 575 m, b aus 800–1000 m, c aus 3000 m, d aus 5000 m
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