Lexikon der Ernährung: Mundgefühl
Mundgefühl, Emouth feel, bildet zusammen mit Geruch und Geschmack das Flavor eines Lebensmittels. Unter M. versteht man alle Eindrücke in der Mund- und Nasenhöhle, die kein Geruch und kein Geschmack sind. Typische Merkmale des M. sind in Tab. 1 zusammengestellt.
In Zusammenhang mit dem Begriff M. stehen einige Begriffe aus der Sensorik, die in der Literatur nicht einheitlich benutzt werden und bisweilen für Verwirrung sorgen. Zu diesen Begriffen gehören somatosensorische Wahrnehmung, Tiefensensibilität (Kinästhesie), allgemeiner chemischer Sinn, Chemestesis und trigeminale Wahrnehmung.
Unter somatosensorischer Wahrnehmung werden meist der Tastsinn, die Schmerzempfindung, die Temperaturempfindung und die Tiefensensibilität (Kinästhesie) verstanden. Der Unterschied zwischen Tastsinn und Kinästhesie besteht darin, dass der Tastsinn über äußere Berührungsreize informiert, während kinästhetische Empfindungen uns über die Winkelstellung der Gelenke (Stellungssinn), die Richtung und Geschwindigkeit einer Bewegung (Bewegungssinn) und die Muskelleistung (Kraftsinn) orientieren.
Die trigeminale Wahrnehmung, auch als allgemeiner chemischer Sinn oder Chemestesis bezeichnet, erfolgt in der Mund- und Nasenhöhle (oral-trigeminale Wahrnehmung bzw. nasal-trigeminale Wahrnehmung).
Der Trigeminus (Nervus trigeminus, fünfter Hirnnerv) wird dem somatosensorischen System zugerechnet. Daher werden in der Literatur die Begriffe trigeminale Wahrnehmung und somatosensorische Wahrnehmung oft synonym gebraucht. Der Trigeminus innerviert die gesamte Gesichtsregion, insbesondere Augen, Nase und Mundhöhle. Er bildet drei Hauptäste aus (Trigeminus = der Dreifache), nämlich Augen-, Oberkiefer- und Unterkieferast, und hat eine Vielzahl von sensorischen und motorischen Funktionen. Im Zusammenhang mit dem M. interessieren uns hier nur die sensorischen Funktionen in Nasen- und Mundhöhle. Trigeminale Nervenenden wurden in den Schleimhäuten der Nasen- und Mundhöhle sowie auf der Zungenoberfläche nachgewiesen. Tab. 2 zeigt eine Auswahl von nasal- und oral-trigeminalen Wahrnehmungen. Die Bedeutung der trigeminalen Wahrnehmung innerhalb des Flavors eines Lebensmittels wird bei der Entwicklung neuer Lebensmittel nicht immer gebührend beachtet, alkoholarmes Bier z. B. wird von vielen Konsumenten als schal oder fade empfunden, da die Schärfe des Ethanols fehlt. Das M. von fettreduzierten Lebensmitteln (Fette) kann z. B. durch Ethylmaltol (vgl. Maltol) verbessert werden.
Mundgefühl: Tab. 1. Typische Merkmale des Mundgefühls.
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Textur Feuchtigkeit Viskosität Widerstand gegenüber Kaubewegung Widerstand gegenüber Zungenbewegung Oberfläche | trocken, saftig, feucht dünn, dick, fest zart, rösch, knackig, knusprig schleimig, sirupartig, klebrig glatt, rau | |
Hafteigenschaften | ölig, fettig, anhaftend | |
Temperatur | heiß, warm, lau, kalt | |
Nachwirkung im Mund | sauber, an den Zähnen haftend, reinigend | |
Nachwirkung allgemein | durstlöschend, erfrischend | |
trigeminale Wahrnehmung | siehe Tab. 2 |
Mundgefühl: Tab. 2. Nasal- und oral-trigeminale Wahrnehmungen.
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scharf 1 | Ethanol | scharf 1 | Ethanol, Capsaicin, Piperin | |
ätzend; schmerzhaft 1 | Ammoniak, Essigsäure | schmerzhaft 1 | Capsaicin, Piperin | |
stechend 1 | Ammoniak, Essigsäure | brennend 1 | Capsaicin, Piperin | |
prickelnd | Kohlensäure | kühlend | Menthol | |
brenzlig | Tabakrauch | wärmend | Ethanol | |
adstringierend | Gerbstoffe |
1 Fließende Übergänge zwischen den Wahrnehmungen, abhängig von der Konzentration des Auslösers.
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