Direkt zum Inhalt

Lexikon der Astronomie: Quantenvakuum

Unter diesem Begriff versteht man den Vakuumzustand der Quantenphysik, den Zustand niedrigster Energie. Diese Nullpunktsenergie ist immer größer als null, d.h. selbst wenn sich makroskopisch in einem physikalischen System 'scheinbar nichts tut', so ist es mikroskopisch 'immer in Bewegung'. Somit hat die Quantentheorie das Bild von der Natur auch hinsichtlich des Vakuums revolutioniert.

Nichts

Etwas weltlicher formuliert verbirgt sich hinter dem Quantenvakuum das Nichts. Die Quantentheorie entlarvt das Nichts als ein komplexes, strukturreiches Gebilde. Es stellt sich heraus, dass es prinzipiell unmöglich ist, einen Raumbereich völlig von Teilchen zu entleeren. Das widerspricht selbstverständlich jeder klassischen Denkweise – ist jedoch quantenphysikalisch richtig und erklärbar. In (nicht nur) diesem Aspekt bietet die Quantenphysik interessante Anknüpfungspunkte für eine philosophische Debatte.

Lösen der Bewegungsgleichung

Der genaue Zahlenwert für den niedrigsten Energiezustand (Grundzustand) hängt vom betrachteten Quantensystem ab. Die möglichen Zustände eines Quantensystems werden durch Wellenfunktionen dargestellt, die üblicherweise mit dem griechischen Buchstaben Ψ (Psi) symbolisiert werden. Die Physiker erhalten die Wellenfunktionen durch Lösung der Bewegungsgleichung des Systems. Dies kann eine Schrödinger-Gleichung, eine Klein-Gordon-Gleichung, eine Soliton-Gleichung oder eine andere Differentialgleichung sein. Die Wellenfunktionen konstituieren dann das Spektrum des betrachteten Problems, das in Vakuumzustände und angeregte Zustände eingeteilt wird. Die Vakuumzustände sind Zustände niedrigster Energie und besonders stabil.

Observable & Vakuumerwartungswert

In der Quantentheorie gibt es eine Zuordnung zwischen dem Messwert (Observable), und dem Erwartungswert. Sie sind wohl definiert und führen auf den hier zentral zu diskutierenden Vakuumerwartungswert.

Beispiel: der harmonische Oszillator

Der harmonische Oszillator der Quantenmechanik ist ein einfaches Modellsystem, das diese Eigenschaft zeigt: die Eigenwerte des Hamilton-Operators, der die Energie im System beschreibt, verrät die möglichen energetischen Zustände des Systems. Sie sind quantisiert, d.h. es können nur diskrete Werte (Energiestufen) angenommen werden und nicht beliebige Werte eines Kontinuums. Der energetisch tiefstmögliche Zustand besitzt eine von null verschiedene Energie, die gerade 0.5 × h/(2π) × ω ist (h: Plancksches Wirkungsquantum, ω: Kreisfrequenz). Der harmonische Oszillator vollführt dann eine Nullpunktsschwingung.
Die Eigenfunktionen des Hamilton-Operators charakterisieren gerade die Eigenzustände des Systems, die Wellenfunktionen. Im Bild der Quantisierung vermitteln zwischen den unterschiedlichen, diskreten Energieniveaus die Erzeuger- und Vernichteroperatoren. Sie erzeugen oder vernichten beim harmonischen Oszillator ein Schwingungsquant (bosonischesVibron), wenn man von einem Energieniveau zum nächsten wechselt. Dies ähnelt den Sprossen einer Leiter, die man auf- oder hinuntersteigt, weshalb man Erzeuger und Vernichter auch salopp 'Leiteroperatoren' nennt.

Vakuumfluktuationen

Gemäß der Heisenbergschen Unschärferelation kann man bei der Interpretation als Energie-Zeit-Unschärfe dem Vakuum für sehr kurze Zeit Energie entziehen. Aus diesen Energieportionen können sich virtuelle Teilchenpaare bilden, bestehend aus Teilchen (z.B. Elektron) und zugehörigem Antiteilchen (z.B. Positron), die nach Verrinnen der kurzen Zeiten wieder verschwinden. Diesen Vorgang nennt man auch Vakuumpolarisation. Das Quantenvakuum ist also bildlich gesprochen ein 'ständig brodelnder See aus Teilchen und Antiteilchen', die entstehen und vergehen. Ein anderer, oft bemühter Begriff ist der der Vakuumfluktuationen.

Aus virtuell werde real

Unter bestimmten Bedingungen (weitere Energiezufuhr, weitere Partner für Impulsübertrag) können diese virtuellen Teilchen materialisieren. Genau dieser Prozess findet wohl auch bei der Bildung von Hawking-Strahlung am EreignishorizontSchwarzer Löcher statt. Dieses bisher rein theoretisch abgeleitete Phänomen folgt aus einer semiklassischen Berechnung, d.h. die Allgemeine Relativitätstheorie wird mit Erkenntnissen aus der Quantenphysik verquickt – allerdings ohne eine konsistente Quantisierung des Gravitationsfeldes.

Quantenvakuum in der Quantenkosmologie

Für die Quantenkosmologie ist das Quantenvakuum von besonderer Relevanz, weil sich daraus ein mikroskopisches Universum gebildet haben könnte, das über den Mechanismus der Inflation sehr schnell sehr groß wurde.

experimenteller Nachweis des Quantenvakuums gelungen!

Im Casimir-Effekt ist das Quantenvakuum experimentell nachgewiesen worden. Zwischen zwei Metallplatten ('Kastenproblem') fehlen bestimmte Moden (= Anregungszustände) virtueller Photonen, so dass der Quantendruck von außen, wo alle Moden existieren können, überwiegt und die Casimir-Kraft die Platten zusammendrückt (mehr Einzelheiten unter Casimir-Effekt).

falsches Vakuum

Unter einem falschen Vakuum versteht man in der Diskussion von Higgs-Mechanismen Gebiete, die sich nach einer Symmetriebrechung ausbilden und endlichen Vakuumerwartungswert für das Higgs-Feld haben. Mit den falschen Vakua sind topologische Defekte verknüpft, in denen Energie 'topologisch eingeschlossen' ist. In vielfältiger Ausprägung (kosmische Strings, kosmische topologische Defekte mit dem Charakter Dunkler Energien) können diese Defekte von hoher Relevanz für die Kosmologie sein.
Auch in den Inflationsmodellen ist das falsche Vakuum bedeutsam, weil es eine exponentielle Expansion des Universums treibt.

Manifestiert sich das Vakuum kosmologisch als Dunkle Energie?

Die Dunkle Energie dominiert die späte Dynamik des Kosmos, wie es in unserem unmittelbaren, d.h. lokalen Universum der Fall ist. Sie macht mehr als zwei Drittel aller Energieformen im Kosmos (neben Dunkler Materie und baryonischer Materie) aus. Aber die Natur der Dunklen Energie ist ungeklärt! Als bislang beste Erklärung bietet sich das Quantenvakuum an, das sich auf der großen, globalen Skala des Kosmos in der Gestalt einer Dunklen Energie beschreiben lassen könnte. An sich eine paradoxe Vorstellung:

Das Nichts soll für eine beschleunigte Expansion des Universums sorgen!

Aber auf der kleinen Skala ist die Dunkle Energie schwach und irrelevant. Die mathematischen Details dieser attraktiven Hypothese sind allerdings unklar, zumal eine erste Berechnung große Unstimmigkeiten zutage gebracht hat.

  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.