Lexikon der Biologie: Analogie
Analogiew [von griech. analogia = gleiches Verhältnis, Übereinstimmung], beschreibt jedwede Ähnlichkeit zwischen Organismen, die unabhängig voneinander durch gleiche Anforderungen des Lebensraums oder der Funktion entstanden ist. Analogien sind Anpassungsähnlichkeiten, die auf weitgehend gleichartiger Selektionswirkung (Selektion) beruhen. Sie können Strukturen, physiologische Leistungen sowie Verhaltenskomponenten betreffen, aber auch die gesamte Lebensweise und die äußere Erscheinung. Bei hochgradiger Übereinstimmung, wenn Anpassungsähnlichkeiten schwer von phylogenetisch begründeten Ähnlichkeiten (Homologie) zu unterscheiden sind, spricht man von Konvergenz. Eindrucksvolle Beispiele für Konvergenzentwicklungen sind die sehr ähnlich gebauten Linsenaugen (Auge, Linsenauge) der Wirbeltiere und der Höheren Kopffüßer, die Warmblütigkeit (Homoiothermie) der Vögel und der Säugetiere sowie die nächtliche Kohlendioxidfixierung verschiedener, an Trockenheit angepaßter Pflanzen (diurnaler Säurerhythmus, Xerophyten), unter anderem bei Welwitschia, Dickblattgewächsen und Wolfsmilchgewächsen. Konvergenzen lassen sich auch im Verhalten feststellen: So ist die Fähigkeit, Wasser aufzusaugen (Saugtrinken), bei Tauben, Flughühnern und Zebrafinken (Prachtfinken) unabhängig entstanden, und verschiedenste Vögel (wie Lerche, Spornammer, Grünfink) tragen ihr Lied im Flug vor (Singflug). – Bei Verhaltensanalogien sind sowohl formal ähnliche Bewegungsabläufe als auch ähnliche Sozialstrukturen, Normen, Bereitschaften usw. zu finden. Ein Beispiel ist das submissive Futterbetteln (Bettelverhalten) zwischen Wölfen und bei Vogelpaaren. Der rangniedere Wolf versucht den ranghöheren freundlich zu stimmen, indem er in geduckter Haltung mit seiner Schnauze den Mundwinkel des dominanten Tiers berührt – entsprechend dem Verhalten eines futterbettelnden Welpen. Während des Paarungsvorspiels nähert sich z. B. bei Lachmöwen auch das Weibchen wie ein futterbettelnder Jungvogel dem Männchen. (Ritualisierung). – Gleichartige Selektionsdrucke können zu Ähnlichkeit von Eigenschaften unterschiedlichster stammesgeschichtlicher Herkunft führen. Liegen analoge Umbildungen an homologen Strukturen vor, so werden sie als Homoiologien (Homoiologie) bezeichnet. Beispiele hierfür sind die bei verschiedenen Gruppen von Insekten auftretenden Grabbeine bzw. Fangbeine und die zu Flugorganen umgebildeten Vorderextremitäten der Vögel (Vogelflügel), Fledermäuse und Flugsaurier; als Extremitäten sind sie jeweils homolog, als Grab- bzw. Fangbeine oder als Flügel dagegen analog. Homoiologien zwischen nächstverwandten Arten stellen ein gravierendes Problem für die phylogenetische Rekonstruktion dar (Parallelentwicklung). – Manchmal führt die ähnliche Lebensweise nicht näher verwandter Arten nicht nur zu einer Ähnlichkeit einzelner Strukturen, sondern erfaßt die gesamte Erscheinung. So weisen Haie, Wale, Pinguine und Ichthyosaurier in Anpassung an das Wasserleben einen "Fischkörper" auf, und die als Luftjäger lebenden Mauersegler (Segler) und Schwalben haben unabhängig voneinander ähnliche Flügel-, Kopf-, Schnabel- und Schwanzform ausgebildet (Farbtafel Konvergenz). Besonders auffällige Übereinstimmungen finden sich auch bei einigen Arten der Wolfsmilchgewächse, Schwalbenwurzgewächse und Kakteengewächse, die in Anpassung an trockene Klimate dicke, fleischige Stämme ausbilden (Stammsukkulenten). Die Summe solcher analogen Übereinstimmungen kennzeichnen einen Lebensformtyp (Lebensformtypus). – Analogien müssen sich aber nicht zum Verwechseln gleichen, denn Anpassungsähnlichkeit kann zwei Aspekte der Funktion betreffen: Anpassung an dieselbe biologische Rolle (wozu? – Rollenanalogie). So sind die Malpighi-Gefäße der Insekten und die Niere der Wirbeltiere rollenanalog, weil sie beide als Exkretionsorgan dienen. Die Saugnäpfe (Saugnapf) verschiedener Bergbachbewohner (Bergbach) und der Kopffüßer sind hingegen nur konstruktionsanalog, denn ihre biologische Rolle ist verschieden (Festhalten an umströmten Steinen bzw. Ergreifen von Beute). Rolle und Konstruktion können auch übereinstimmen, wie bei den konvergenten Linsenaugen. – Einen Sonderfall der Analogie stellt die Mimikry dar, bei der ein Merkmal mit Signalcharakter (Signal) von einem anderen Organismus nachgeahmt wird. Hier können unterschiedliche Selektionsdrucke im Spiel sein. Analogieforschung, Artenvergleich, Bauplan, Geoffroy Saint-Hilaire (É.), Owen (R.), Verhaltenshomologie.
K.Re./E.K.
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