Lexikon der Biologie: Nahrungsmittelvergiftungen
Nahrungsmittelvergiftungen, Erkrankungen und Vergiftungen, die nach dem Genuß von Nahrungsmitteln auftreten (allgemein Lebensmittelvergiftungen genannt). Sie sind meist mit Darmwandentzündungen verbunden. Es werden folgende Möglichkeiten unterschieden: 1) Vergiftungen durch chemische, von außen aufgenommene Gifte (z.B. Schwermetalle, Biozide und andere Umweltgifte); 2) Vergiftungen durch den Verzehr giftiger Organismenarten (Giftige Fische [Fischgifte], Giftpflanzen [Pflanzengifte], Giftpilze [Pilzgifte]), die auch Allergien (z.B. Nesselfieber [Nesselkrankheit]) hervorrufen können, oder durch Verzehr von Nahrung, in der Toxine aus der Umwelt aufgenommen und angereichert wurden (Akkumulierung, Anreicherungsfaktor; z.B. Muscheln [Muschelgifte], Honig mit Pflanzentoxinen); 3) Vergiftungen (Intoxikationen = Nahrungsmittelvergiftungen i.e.S.) durch mikrobielle Toxine (Bakterientoxine, Exotoxine) in den verdorbenen Nahrungsmitteln; 4) Infektionen mit Krankheitserregern durch mikrobiell verunreinigte Nahrungsmittel ( vgl. Tab. ; Enterotoxine, Endotoxine); 5) Vergiftungen durch verdorbene Lebensmittel, in denen aufgrund von Enzymreaktionen giftige Stoffwechselprodukte entstanden sind (z.B. Eiweißabbauprodukte), die u.a. Magenprobleme hervorrufen können (selten). Etwa 90% der Nahrungsmittelvergiftungen sind auf Mikroorganismen zurückzuführen. Nahrungsmittel können entweder nur als Träger pathogener Keime fungieren, ohne daß eine Vermehrung stattfindet, oder die Keimzahl erhöht sich. Infektionen beim Menschen können sich auf den Magen-Darm-Trakt beschränken (Enteritis, Gastritis, Gastroenteritis) oder invasiv andere Organe und Gewebe erfassen. Die mikrobielle Intoxikation ist von einer Vermehrung der Keime in den Nahrungsmitteln abhängig. Die Toxine können bereits in den Nahrungsmitteln freigesetzt werden, so daß eine Vergiftung auch nach Abtötung der Keime eintreten kann. Oft genügen wenige Stunden zur Bildung hoher Toxinmengen in vorher einwandfreien Nahrungsmitteln (z.B. in Mayonnaisen); dabei können Aussehen, Geschmack und Geruch völlig unauffällig sein. Bei den wichtigsten und häufigsten Nahrungsmittelvergiftungen, den Salmonellosen, werden die Toxine im Darmtrakt von den Bakterien (Salmonella, Salmonellen) ausgeschieden. Abhängig von der Keimart können verschiedene Toxinarten bei den Nahrungsmittelvergiftungen wirksam sein: bakterielle Exotoxine (Neurotoxine und Enterotoxine) und Endotoxine sowie Mykotoxine von Kleinpilzen (z.B. Aflatoxine oder Mutterkornalkaloide). Als Gifte können bei Fleischvergiftungen und Fischvergiftungen auch Proteinabbauprodukte (Fäulnisgifte; Darmfäulnis, Fäulnis, Fleischfäulnis) entstehen. Die häufigsten Symptome der bakteriellen Nahrungsmittelvergiftungen sind Durchfall (Diarrhoe) und Erbrechen, die auf Magen- und Darmentzündungen hinweisen. Die Verunreinigung der Nahrungsmittel kann bereits von den Rohstoffen ausgehen oder sekundär durch mangelnde Hygiene und Fehler bei der Herstellung oder unzureichende Konservierung eintreten. Das vermehrte Auftreten von Nahrungsmittelvergiftungen in den letzten Jahrzehnten ist durch veränderte Eßgewohnheiten, Gemeinschaftsverpflegung (Großküchen) und zunehmenden internationalen Handel von Futter- und Lebensmitteln bedingt (Massentierhaltung). Auch treten in den letzten Jahren virulentere sowie gegen mehrere Antibiotika resistente Erreger (Antibiotika-Resistenz) auf. – Pilzvergiftungen sind bereits aus der Antike bekannt, Wurstvergiftungen (Botulismus) seit dem 9. Jahrhundert. Die bakterielle Ursache (Salmonella enteritidis) für Fleischvergiftungen wurde von A.A.H. Gärtner (1888) entdeckt, der Erreger des Botulismus durch E.P. van Ermengem (1897) isoliert. Die Gefährlichkeit von Mykotoxinen aus Schimmelpilzen (Aflatoxine) wurde erst 1960 eindeutig erkannt.
G.S.
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