Lexikon der Biologie: Zunge
Zunge, 1) Glossa, paarige Anhänge an der Spitze der Unterlippe (Labium) der Insekten. Mundwerkzeuge (Abb.). 2) Reibzunge, die Radula der Weichtiere. 3) Lingua, (selten) Glossa, bewegliches, muskulöses Tast- und Schmeckorgan am Boden der Mundhöhle (Mund) der Wirbeltiere. Bei Fischen ist die Zunge meist nur als wulstförmige Verdickung des Mundbodens ausgebildet, bei Tetrapoden (Vierfüßer) ist sie frei beweglich und vorstreckbar. Die Zunge hat in den einzelnen Wirbeltiergruppen eine Vielfalt von Funktionen. Entsprechend wurde eine Vielfalt von Zungenformen entwickelt. – Unter den Amphibien besitzen die meisten Froschlurche eine zweizipflige Zunge, die vorn in der Mundhöhle befestigt ist und zum Beutefang durch Muskelaktion ausgeklappt wird (Klappzunge). Dabei wird zusätzlich Lymphe in die Zunge gepreßt, so daß diese sich noch weiter ausdehnt. Die Beute bleibt an dem klebrigen Schleim, der von Zungendrüsen abgegeben wird, haften. Einige Froschlurche sind zungenlos (Aglossa). Die Schwanzlurche besitzen meist eine wulstförmige, schwach bewegliche Zunge. Ausnahme sind die Schleuderzungensalamander, die ihre hinten in der Mundhöhle befestigte Zunge weit herausschleudern können (Schleuderzunge). – Unter den Reptilien (Farbtafel I) weisen die Chamäleons ebenfalls eine Schleuderzunge auf. Bei ihnen wird durch Einpressen von Blut eine zusätzliche Vergrößerung der Zunge erreicht. Das Züngeln der Schlangen und Eidechsen dient dem Aufspüren von Beute: Die zweizipflige (!) Zungenspitze, auf deren feuchter Oberfläche Moleküle aus der Luft hängenbleiben, wird in das paarige (!) Jacobsonsche Organ eingeführt, das zu den chemischen Sinnesorganen gehört ( chemische Sinne I ). Bei Krokodilen und Schildkröten ist die Zunge kürzer und weniger beweglich; Ausnahme ist die Geierschildkröte (Alligatorschildkröten). – Die Zunge der Vögel ist, zumindest im vorderen Teil, verhornt. Spechte spießen damit ihre Beute auf, z.B. Insekten oder deren Larven. Um diese in Astlöchern und anderen Hohlräumen zu erreichen, ist die Spechtzunge besonders lang und dünn ausgebildet. Die Zungenbeinhörner, die zusammen mit der Muskulatur das Vorschnellen der Zunge ermöglichen, sind so lang, daß sie bei „eingefahrener“ Zunge um den Schädel herumgerollt sind und bis auf das Schädeldach reichen. Entenvögel besitzen eine Stempelzunge, die Wasser durch die Hornlamellen des Ober-Schnabels drückt (Seihapparat, Analogie zu den Walen). Bei den Kolibris ist die Zunge beidseitig aufgerollt (Ornithogamie [Abb.]). Mit dieser Röhrenzunge kann Nektar aufgesogen werden (Analogie zu Insektenrüsseln). – Die Zunge der Säugetiere ist sehr muskulös und beweglich und von einer papillenbesetzten Schleimhaut bedeckt. Zum einen ist sie ein chemisches Nahsinnesorgan (chemische Sinne), auf dessen Oberfläche Geschmacksknospen verteilt sind. Zum anderen dient sie dem Nahrungserwerb und der Nahrungsbearbeitung. Rinder umfassen mit ihrer Zunge Grasbüschel und rupfen sie ab. Wale haben (analog zu Entenvögeln) eine mächtige Stempelzunge entwickelt, die das krillreiche (Krill) Wasser durch die Barten preßt. Ameisenfresser (Lebensformtypus) besitzen eine lange, dünne, mit klebrigem Sekret benetzte Zunge, an der die Beute haftenbleibt. Manche Raubtiere (vor allem Katzenartige, z.B. Jaguar) können mittels stark verhornter Papillen auf der Zungenmitte Knochen fein säuberlich abraspeln. – Des weiteren wirkt die Zunge mit beim Kauen (Kauapparat) und Schlucken (Schluckreflex) der Nahrung sowie bei der Körperpflege (z.B. Katzen; Komfortverhalten), bei der Lautbildung (Lautäußerung; z.B. beim Menschen bei der Sprache) und bei vielen Raubtieren – mangels Schweißdrüsen – auch bei der Temperaturregulation (z.B. Hecheln der Hunde). – An der Zunge des Menschen ( vgl. Abb. 1 ) melden die überall verstreuten freien Nervenendigungen und Fadenpapillen (Papillae filiformes) taktile (mechanische) Reize. Die zwischen den Fadenpapillen stehenden Pilzpapillen (Papillae fungiformes) tragen Geschmacksknospen ( vgl. Abb. 2 ), ebenso die am Hinterrand des Zungenrückens in einer Reihe stehenden Wallpapillen (Papillae vallatae). An den Zungenrändern nahe der Zungenwurzel stehen die Blattpapillen (Papillae foliatae), die besonders viele Geschmacksknospen tragen. Hinter den Wallpapillen folgen die Grenzfurche und der Zungengrund mit der Zungenmandel. Die Zungenmuskulatur setzt am Unter-Kiefer, am Griffelfortsatz des Hinterhaupts, am Gaumen und am Zungenbein an. Es gibt Muskeln, die longitudinal (längs), transversal (quer) und vertikal (von oben nach unten) durch die Zunge verlaufen und mit ihrem Zusammenspiel eine vielfältige Verformung der Zunge ermöglichen. Die Unterseite der Zunge ist durch das Zungenbändchen (Frenulum) am Mundboden befestigt. Gaumenmandel (Abb.), Geschmackssinn, Glossopharyngeus, Hypoglossus, Mund-zu-Mund-Füttern, Zungendrüsen, Zungenmandel.
A.K.
Zunge
Abb. 1: Die Zunge des Menschen trägt über 200 Geschmacksknospen, die in kleinen Erhöhungen, den Papillen, besonders an der Oberseite der Zunge liegen. Auch an anderen Stellen in der Mundhöhle sind sie verstreut anzutreffen. Von den Nervenbündeln in den Geschmacksknospen werden Impulse auf Nervenfasern zum verlängerten Mark (Medulla oblongata), zur Brücke (Pons) und bis zum Geschmackszentrum in der Hirnrinde geleitet.
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