Lexikon der Biologie: Biophysik
ESSAY
Frank Eisenhaber
Biophysik
Die Biophysik, auch als biologische Physik bezeichnet, ist ein relativ junges Wissenschaftsgebiet an der Grenze zwischen Physik, Chemie und Biologie. Der Forschungsgegenstand sind physikalische und physiko-chemische Erscheinungen in biologischen Systemen (Leben). Das Ziel ist die Aufklärung fundamentaler Prozesse, welche die Grundlage des Lebens bilden, mit physikalischen Methoden und im Rahmen physikalischer Vorstellungen. Durch das extrem breite Spektrum biophysikalischer Forschungen und Anwendungen wird der Inhalt der Biophysik oft unterschiedlich beschrieben. Der Physiker, der Spinkonzentrationen oder Spin-Gitter-Relaxationszeiten von Übergangsmetallen in Zellmembranen mittels Elektronenspinresonanz mißt, wird ein etwas anderes Verständnis von dieser Wissenschaft haben als der Chemiker, der untersucht, welchem Mechanismus die Bindung eines Sauerstoffmoleküls am roten Blutfarbstoff Hämoglobin unterliegt.
Die Biophysik ist ein Beispiel für die Integrationstendenzen in der modernen Wissenschaft. Fortschritte in der Biophysik sind einerseits untrennbar mit der Entwicklung der Biochemie, der Molekularbiologie und anderer Forschungsrichtungen, beispielsweise in der Biomedizin (biomedizinische Technik), verbunden. Andererseits stimulieren biophysikalische Fragestellungen durch ihre Komplexität die Entwicklung der Physik und die Erfindung neuer Gerätetechnik und Technologien. – Die Biophysik als Wissenschaft basiert auf dem Postulat, daß alle Erscheinungen, darunter auch die biologischen, den fundamentalen physikalischen Gesetzmäßigkeiten unterliegen (Biologie) und daß keine weiteren Annahmen immaterieller Faktoren (wie im Vitalismus z. B. mit den Begriffen "Entelechie" oder im "Tele-Finalismus") zu deren Erklärung notwendig sind. Von diesem Standpunkt aus sind physikalisch-chemische Gesetzmäßigkeiten Einschränkungen der Entwicklungsmöglichkeiten lebender Systeme.
Geschichte der Biophysik
Die Anfänge biophysikalischen Denkens wurzeln in der Renaissance, als die auf Erfahrung und Experiment beruhenden Methoden der Erkenntnisgewinnung systematisch auch auf biologische Erscheinungen ausgedehnt wurden. Starke Impulse gingen von der Entdeckung des Effekts ionisierender Strahlen auf biologische Objekte zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus. Die weltweit erste biophysikalische Gesellschaft war die 1943 gegründete Deutsche Gesellschaft für Biophysik e.V. Die systematische Untersuchung biophysikalischer Phänomene setzte erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts ein, als mit dem Computer das adäquate Forschungsinstrument für sehr komplexe Aufgaben erfunden worden war. Die Analyse der Hodgkin-Huxley-Gleichungen zur Weiterleitung des Nervenimpulses (Erregungsleitung, Membranpotential) war wohl die erste zivile Computeranwendung überhaupt. Der erste internationale biophysikalische Kongreß fand 1961 statt. Während in den Anfangsjahren der Biophysik das wissenschaftliche Interesse mehr auf eine mögliche Reduktion biologischer Erscheinungen auf physikalische und chemische Gesetzmäßigkeiten in einer für alle Lebewesen einheitlichen Art und Weise gerichtet war, nimmt seit den 80er Jahren die Untersuchung taxonspezifischer (unter anderem artspezifischer) Unterschiede großen Raum ein. Mit diesem Umschwung ging eine rasante Entwicklung biophysikalischer, biochemischer und molekularbiologischer Untersuchungstechniken einher, welche zunehmend automatisiert wurden und mit immer kleineren Probenmengen und mit um Größenordnungen verringertem Zeit- und Kostenaufwand auskamen. Die große wissenschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung der Biophysik zeigt sich auch in der Verleihung von Preisen für herausragende Leistungen. Der erste Nobelpreis für Physik (1901) wurde für ein aus heutiger Sicht eng mit der Biophysik verknüpftes Thema verliehen: W.C. Röntgen wurde damit für die Entdeckung der Röntgenstrahlen und ihre medizinische Anwendung ausgezeichnet. Chemie-Nobelpreise für biophysikalische Arbeiten erhielten z. B. 1962 J.C. Kendrew und M.F. Perutz für die erste Röntgenstrukturanalyse eines Proteins, 1967 M. Eigen, R.G.W. Norrish und G. Porter für Verfahren zur Analyse schneller Kinetiken, 1977 I. Prigogine für die Nichtgleichgewichtsthermodynamik oder 1980 P. Berg, W. Gilbert und F. Sanger für effiziente Techniken zur Sequenzierung von DNA. Nobelpreise für Physiologie oder Medizin gingen für biophysikalische Leistungen z. B. an F.H.C. Crick, J.D. Watson und M.H.F. Wilkins (1962, Doppelhelixstruktur der DNA und deren Bedeutung für die Replikation), an A.L. Hodgkin und A.F. Huxley (1963, Potentialveränderungen an Axonen) und an E. Neher und B. Sakmann (1991, Funktion von Einzelionenkanälen in Zellen; patch-clamp-Methode). Weitere Beispiele für Ergebnisse der Biophysik vgl. Infobox.
Die biophysikalische Methode
Die Forschungsmethode der Biophysik hat zwei Aspekte: 1) die biophysikalische Theoriebildung mit Hilfe strenger mathematisch-physikalischer Methoden (Sicht auf lebende Wesen als materielle Systeme in Raum und Zeit, welche sich von der unbelebten Natur durch einen höheren Grad an Komplexität unterscheiden) und 2) die Anwendung experimenteller physikalischer Untersuchungsmethoden und -techniken auf biologische Objekte. Die direkte Anwendung traditioneller physikalischer Meßmethoden und erprobter Approximationen in physikalischen Modellvorstellungen ist in der Regel wenig erfolgreich. Das spezifische Merkmal biologischer Systeme (Leben) besteht unter anderem in folgendem: a) dem Erwerb von Information im Evolutionsprozeß (Evolution), b) ihrer Speicherung im Genom und c) in der Realisierung dieser Information in einer inhomogenen (geordneten, aperiodischen) und hierarchisch organisierten, äußerst komplexen Struktur, welche sich weit entfernt vom thermodynamischen Gleichgewicht befindet (offenes System) und die zur Ausübung bestimmter Funktionen befähigt ist (Informationsstoffwechsel). Nur ein Teil der hohen Zahl von physikalischen Freiheitsgraden eines biologischen Systems ist für die biologische Funktion von Belang. Eine Vorstellung von den räumlichen, zeitlichen und energetischen Größenordnungen in biologischen Systemen vermitteln die Beispiele in den beiden Tab. ( vgl. Tab. ). Ein Faktor von mehr als 1010 (!) liegt größenordnungsmäßig zwischen der molekularen Struktur biologischer Systeme und dem Organisationsniveau von Organismen, Populationen und schließlich der Biosphäre. Zur Überbrückung dieses Unterschieds existieren viele Organisationsebenen, z. B. die von makromolekularen Komplexen, Organellen, Zellen, Geweben und Organen. Die moderne biophysikalische Forschung beschreitet deshalb einen anderen Weg: 1) Analyse der realen Struktur, Dynamik und Funktion biologischer Objekte, Entwicklung geeigneter Modifikationen physikalischer experimenteller Methoden, 2) Konstruktion eines physikalischen Modells, 3) Studium dieses Modells unter Ausnutzung bekannter physikalischer Gesetzmäßigkeiten, 4) experimentelle Überprüfung der Schlußfolgerungen am realen biologischen Objekt.
Klassifikation in Teilgebiete
Die Biophysik kann sowohl aus physikalischer als auch aus biologischer Sicht in Teilgebiete klassifiziert werden. Eine physikalisch motivierte Unterteilung würde z. B. folgende Punkte enthalten:
1) (klassische) Mechanik, z. B. a) molekulare Mechanik (Konformationsanalyse von Biomakromolekülen), b) Mechanik von Biomembranen, c) Biomechanik von Knochen-Muskel-Systemen (Gang, Sprung, Flug). 2) Strömungsmechanik, z. B. a) Ultrazentrifugierung von Biomakromolekülen, b) Viskosität von Zellplasma, c) Rheologie, z. B. Hämodynamik, d) Hydrodynamik von Schwimmern, e) Aerodynamik des Fluges (Insekten, Vögel), usw. – Diese Auflistung zeigt schon, daß eine solche methodenorientierte Systematik die Besonderheiten des Forschungsobjekts nicht berücksichtigt und deshalb zusammenhanglos bleibt. Nur eine Klassifizierung der Biophysik nach den biologischen Organisationsniveaus macht grundlegende Aspekte der Konstruktion biologischer Systeme deutlich. Danach unterscheidet man:
1) Die molekulare Biophysik
Während Nucleinsäuren vor allem zur Speicherung und Weitergabe der genetischen Information dienen, bilden Proteine eine komplizierte Maschinerie zur Realisierung des genetischen Programms in Abhängigkeit und in Reaktion auf die wechselnden Umweltbedingungen. Lipide und Kohlenhydrate dienen als strukturelle Bausteine bzw. als Speicher für chemische Energie. Die molekulare Biophysik ist die Lehre sowohl von der Struktur, Dynamik, Wechselwirkung und Funktion von Biomakromolekülen (Biopolymere) – Proteinen, Nucleinsäuren, Lipiden und Polysacchariden – als auch von den Methoden zu deren Untersuchung. Hierzu gehören vor allem die Strukturaufklärung von Biomakromolekülen bis hin zur atomaren Auflösung sowie die Analyse von Prozessen der Energieumwandlung und -dissipation in biologischen Systemen.
Ein neues Teilgebiet der molekularen Biophysik, die molekulare Bioinformatik, befaßt sich mit der Analyse und Interpretation von biologischen Sequenzen, in welchen die genetische Information gespeichert ist (Sequenzstammbaum). Ein großer Schritt wurde 1995 getan, als es gelang, das komplette Genom des Bakteriums Haemophilus influenzae aufzuklären (Haemophilus; Bakterienchromosom, Genomprojekt). Zu Beginn des 21. Jh. werden wahrscheinlich die Nucleinsäuresequenzen (Nucleotidsequenz) der Genome des Menschen, der Nutztiere und -pflanzen, der Krankheitserreger sowie vieler weiterer Organismen bekannt sein (Bioinformatik, Genomik). Das zentrale und zum größten Teil noch ungelöste Problem der molekularen Biophysik besteht in der Vorhersage der Raumstruktur (Tertiärstruktur, Quartärstruktur; Strukturvorhersage) und der Funktion von Proteinen, von denen bisher nur die Aminosäuresequenz (Primärstruktur) bekannt ist (Sequenz-alignment). Die molekulare Biophysik ist die Grundlage für alle anderen Teilbereiche der Biophysik. Das Verhalten kleiner Moleküle ist durch die Eigenschaften der enthaltenen Atome bestimmt. Erwartungsgemäß sollte die Kenntnis fundamentaler physikalischer und chemischer Gesetze ausreichen, um die Eigenschaften von Biomakromolekülen vorherzusagen. Da lebende Systeme letztendlich makromolekulare Assoziate sind, können mit den Mitteln der molekularen Biophysik die Einschränkungen für die Evolution auf höheren Organisationsebenen bestimmt werden.
2) Die Biophysik der Membranen, biomakromolekularen Aggregate und Organellen
In biologischen Systemen muß eine Vielzahl von teilweise gegensätzlichen Prozessen gleichzeitig ablaufen und unter Berücksichtigung mannigfaltiger Faktoren geregelt werden. Dieses Problem lösen lebende Systeme durch die Bildung von makromolekularen Komplexen und durch Kompartimentierung. Effektormoleküle (z. B. Enzyme) werden in ihrer Aktivität von einer Vielzahl anderer Proteine moduliert, mit denen sie große Aggregate formieren. Biologische Membranen unterteilen lebende Systeme in Kompartimente – räumliche Abschnitte, denen spezielle Aufgaben in der Lebenstätigkeit zugeordnet sind. Dieser Teilbereich der Biophysik beinhaltet das Studium der Konstruktion biologischer Membranen, von Transportprozessen durch Membranen (Membrantransport), der Genese des Membranpotentials, der synaptischen Vorgänge (Synapsen), der membranständigen enzymatischen Prozesse wie Photosynthese, Photorezeption und der Mechanochemie kontraktiler molekularer Aggregate (Actin, Myosin, Motorproteine, Muskelkontraktion, sliding-filament-Mechanismus) usw. Die untersuchten Systeme sind in der Regel von solcher Komplexität, daß eine atomare Auflösung der untersuchten Struktur nicht mehr möglich ist.
3) Die Zellbiophysik und die Biophysik der Gewebe, Organe und einzelner Organismen
Die Zelle ist der Grundbaustein biologischer Systeme. Es gibt kein Leben ohne zelluläre Organisation auf der Erde. Im einfachsten Fall besteht ein Organismus aus einer einzigen Zelle (Einzeller, Protocyte). Wichtige Fragestellungen in diesem Teilgebiet der Biophysik betreffen die Thermodynamik lebender Systeme, Biomechanik und Biostatik, die Wirkung extremer physikalischer Faktoren auf biologische Systeme (z. B. Strahlenbiophysik; Strahlenbiologie), den Effekt von Schwerkraft, Druck (Geobiophysik), Temperatur und osmotisch-aktiver Substanzen (Gefrierschutzproteine, Eisnucleations-Proteine, Thermophilie, Halophilie) sowie biophysikalische Aspekte der Ontogenese (unter anderem des Alterns).
4) Die Biophysik von Populationen
Dieser Teilbereich wird auch oft die Biophysik komplexer Systeme genannt. Zu seinen Aufgaben zählt die Beschreibung von biologischen Evolutionsprozessen (u. a. auch der Phylogenese und der Entstehung des Lebens) und das Studium der Steuerung und der Informationsverarbeitung biologischer Systeme vom molekularen bis zum ökologischen Niveau. Typischerweise läuft eine biophysikalische Modellierung von Evolutionsprozessen auf die Analyse komplizierter partieller Differentialgleichungen hinaus, welche den Status von Populationen in Abhängigkeit von der Zeit beschreiben.
Anwendungen der Biophysik
Die Ergebnisse biophysikalischer Forschung haben im Zusammenhang mit den Erfolgen benachbarter Wissenschaftsrichtungen sowohl die Medizin als auch die Biotechnologie revolutioniert. Einige wenige Beispiele mögen dies illustrieren: Ohne bildgebende Verfahren und nichtinvasive diagnostische Techniken wie Röntgendiagnostik (Röntgenstrahlen), Sonographie (Ultraschalldiagnostik; Ultraschall, Ultraschalltomographie), Szintigraphie oder Elektrokardiographie (Elektrokardiogramm) ist die moderne Medizin nicht vorstellbar. Neue Einsichten ergeben sich durch Schnittbilder oder Volumendarstellungen, welche mit computertomographischen Verfahren von inneren Organen und Geweben erzeugt werden können (Kernspintomographie, Mikrotomographie, Positronenemissionstomographie, Spiral-Computertomographie). Es ist heute möglich, die genetische Information ganzer Genome zu lesen (DNA-Sequenzer) und zielgerichtet zu verändern. Zum ersten Mal eröffnet sich die Möglichkeit ätiologischer Eingriffe in genetische Krankheiten (Gentherapie). Gleichzeitig können biologische Systeme für Produktionszwecke genetisch manipuliert werden. Mit Methoden des protein engineering und des protein design (Protein-Werkstoffe, molecular modeling) werden maßgeschneiderte Proteine mit gewünschten Eigenschaften erzeugt, welche in dieser Form in der Natur nicht vorkommen. Einsichten in den Aufbau und die Funktionsweise von Lebewesen werden bei der Konstruktion von neuen Computern (Neurocomputern) und technischen Bauteilen (z. B. Biosensoren, Biochips; Sensor-Technologie) sowie in der Architektur angewandt (Bionik, Biotechnik). Möglicherweise bringt die Anwendung biotechnischer Verfahren einen ähnlichen Innovationsschub – verbunden mit Auswirkungen auf alle Bereiche der Gesellschaft, wie es bei der Mikroelektronik und Informationstechnik der Fall war. Wie in allen menschlichen Tätigkeitsbereichen erfordern die gewaltigen neuen Möglichkeiten durch die modernen Biowissenschaften ein hohes Maß an Verantwortungsbewußtsein beim Umgang mit ihnen (Asilomar-Konferenz, Bioethik, Biologie, evolutionäre Ethik, Gengesetz, Speziesismus). Nur so lassen sich Mißbrauch verhindern und gleichzeitig das darin liegende Potential zur Lösung von existentiellen Problemen der Menschheit nutzen. Bertalanffy (L. von), Biochemie, Dessauer (F.), Rajewski (B.), theoretische Biologie.
Lit.:Adam, G., Läuger, P., Stark, G.: Physikalische Chemie und Biophysik. Berlin 31995. Breckow, J., Greinert, R.: Biophysik. Eine Einführung. Berlin 1994. Cantor, C.R., Schimmel, P.R.: Biophysical Chemistry. New York 1980. Daune, M.: Molekulare Biophysik. Wiesbaden 1996. Glaser, R.: Biophysik. Jena 41996. Hoppe, W., Lohmann, W., Markl, H., Ziegler, H.: Biophysik. Heidelberg–New York 21982.
Biophysik
Einige Beispiele für Aufgabenstellungen und Ergebnisse der Biophysik
Ein Aspekt der Biophysik ist die Anwendung physikalischer Methoden in der Biologie. So konnten durch den Einsatz des Elektronenmikroskops sowie desRastermikroskops (in den letzten Jahren auch des Raster-Tunnelelektronenmikroskops und Raster-Kraftmikroskops) vertiefte Kenntnisse über lichtmikroskopisch (Mikroskop) nicht mehr auflösbare Objekte gewonnen werden. Beispielsweise wurden der Bau von Viren (vor allem Bakteriophagen) und die Struktur von Zellorganellen, wie Mitochondrien und Chloroplasten, sichtbar gemacht. Mit Hilfe der Proteinkristallisation und Röntgenstrukturanalyse wurden unter anderem Proteinstrukturen bestimmt und so ein Beitrag zum Verständnis biologischer Prozesse geleistet. Des weiteren ist die Erforschung der physikalischen Vorgänge im lebenden Organismus eine Aufgabe der Biophysik, wobei nicht immer eine Abgrenzung zur Physiologie besteht. Im Rahmen der klassischen experimentellen Biophysik, die Bereiche der Physik (Optik, Mechanik, Elektrizität usw.) in ihrer Erscheinung im lebenden Organismus beinhaltet, werden z. B. erforscht: die Biomechanik von Bewegungsabläufen (Fliegen, Schwimmen usw.; Bewegung, Fortbewegung, Flug, Flugmechanik), die Physiologie der Muskelkontraktion, die Bioelektrizität (Biomagnetismus), die Biomechanik des Blutkreislaufs (Blut, Hämorheologie) und der Flüssigkeitsströmungen in Pflanzen (Assimilattransport, Wassertransport) sowie die Schallrezeption (Gehörorgane, Ohr). –
Mit Fortschreiten der Forschung in den molekularen Bereich der Lebensvorgänge entwickelte sich auch eine molekulare experimentelle Biophysik. Hier beschäftigt man sich mit der Biophysik des Protoplasmas (Membranmodelle [Membran], der Funktionsweise des Stoff-Transports durch biologische Membranen [Ionenkanäle, Membrantransport]), Transduktionsmechanismen (Transduktion, Signaltransduktion) an Sinneszellen und Nervenzellen, mit der Biophysik der Photosynthese und anderem. Zur Biophysik ist auch die Strahlenbiologie zu rechnen, deren Arbeitsfeld die Untersuchung der Wirkung von Strahlen (Strahlung) auf lebende Objekte ist (Strahlenbelastung, Strahlendosis, Strahlenschäden, Strahlenschutzstoffe). Dabei werden alle Arten von elektromagnetischen Strahlungen (von den langwelligen Radiowellen und Mikrowellen über das Infrarot, sichtbare Licht, Ultraviolett bis hin zu den kurzwelligen Röntgenstrahlen und Gammastrahlen; elektromagnetisches Spektrum) sowie die Teilchenstrahlung (Alphastrahlen und Betastrahlen, künstlich erzeugte Elektronenstrahlen und andere; Schwerionenforschung) berücksichtigt. Wichtig ist hier neben dem Einsatz von Röntgen- und Gammastrahlen bei der Krebsbekämpfung (Krebs) durch Wachstumshemmung (Strahlentherapie) die Untersuchung und Nutzung der mutagenen Wirkung (Mutagene, Mutagenität) von Strahlung. Die Entdeckung von pharmakologisch aktiven Stoffen war bisher von zufälligen Beobachtungen und einem aufwendigen, meist erfolglosen experimentellen Screening tausender Varianten organischer Verbindungen abhängig. Computergestützte makromolekulare Modellierungsmethoden des drug design (molecular modeling) verkürzen diesen Suchprozeß dramatisch in zeitlicher Hinsicht bei deutlich niedrigeren Kosten. Ergänzend zur experimentellen Biophysik ist es Aufgabe der theoretischen Biophysik, Modellvorstellungen zu biologischen Phänomenen zu entwickeln und eine Axiomatisierung der Biologie zu betreiben.
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