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Schwarze Löcher -
Das dunkelste Geheimnis der Gravitation
pdf (1.8 MB)
Einführung
Schwarze Löcher sind wohl die bizarrsten Objekte der Astrophysik. Es handelt sich um besonders
kompakte Objekte, die so dicht sind, dass nicht einmal das Licht
ihnen zu entkommen vermag. Kann es so etwas Merkwürdiges in der Natur geben? Die aktuellen, astronomischen
Beobachtungen legen genau das nahe! Verstehen lassen sich Schwarze Löcher, wenn man die Gravitation
geometrisch deutet. Dies gelang zum ersten Mal niemand Geringerem als Albert Einstein (1879 - 1955), der in seinem
Wunderjahr 1905 die Relativitätstheorie begründete. Ihre Erweiterung als
Gravitationstheorie, als Allgemeine Relativitätstheorie (ART),
gelang ihm jedoch erst viel später, im Jahre 1916.
Wie deutet man Gravitation geometrisch? Wir wissen aus Erfahrung, dass Körper im Schwerefeld
einer Masse wie der Erde fallen. Newton erklärte dies erfolgreich mit einer Gravitationskraft,
die umso größer ist, je massereicher die beteiligten Körper sind und je näher sie
sich sind. Einstein hingegen sah in der Gravitation etwas, das mit der Struktur von Raum und
Zeit selbst zusammenhängt. Er verknüpfte Raum und Zeit zur
Raumzeit, einem vierdimensionalen Gebilde, das Krümmungseigenschaften
aufweisen kann wie ein zerklüftetes Gebirge. Keine Krümmung heißt, dass es kein Gebirge gibt.
Die flache Raumzeit ist wie eine Prärie - strukturlos und eben. Im Gegensatz dazu ist die
gekrümmte Raumzeit reich an Struktur: sie hat Berge und Täler. Einsteins ART besagt, dass jede Form
von Energie äquivalent ist zu Masse und Krümmungen in der Raumzeit erzeugt.
Eine wichtige Konsequenz von Einsteins Theorie ist, das Massen Lichtstrahlen ablenken können. Eine
Masse kann wie eine optische Linse wirken und wird deshalb auch Gravitationslinse
genannt. Dass dieser merkwürdige Sachverhalt tatsächlich in der Natur geschieht, zeigt das
optische Bild einer Ansammlung von Galaxien (links), das mit dem Weltraumteleskop Hubble fotografiert wurde
(Credit: Kneib & Ellis, 2004, ESA/NASA). Durch die lange Belichtungszeit dieser so genannten
Tiefenfeldbeobachtung ist ein besonders tiefer Blick
ins Universum gelungen: Der Betrachter sieht hier keine Einzelsterne mehr, sondern
nur Galaxien, die sich in unterschiedlichen, sehr hohen Entfernungen befinden! Das Besondere an diesem Foto ist aber,
dass einige Galaxien eine merkwürdige Form haben. Sie sind in lange Bögen gestreckt worden. Eine aufmerksame
Betrachtung zeigt, dass die Bögen sich konzentrisch um einen gemeinsamen Mittelpunkt zu formieren scheinen. Das
ist kein Zufall! Die Fadenform einiger Galaxien ist nicht ihre echte, physische Gestalt; es sieht nur so aus. Zwischen
diesen verzerrten Galaxien und uns als Beobachter befindet sich nämlich eine sehr große, kompakte Masse, der
Galaxienhaufen mit der Katalogbezeichnung Abell 2218, der vor allem aus Dunkler Materie
besteht. Diese schwere Massenansammlung wirkt nun wie eine Linse auf das Licht, das von den dahinter liegenden Galaxien
kommt. Die Konsequenz ist, dass das Licht auf extrem krummen Wegen zu uns gelangt. Es wird um die kompakte Linse herum
gebogen, und somit wird die optische Gestalt der Galaxien stark verzerrt. Das Resultat ist eine 'kosmische Fata Morgana',
ein Trugbild, das nur mit Einsteins Theorie verstanden und berechnet werden kann. Dieses wunderbare Bild dokumentiert
auf unmittelbar einsichtige Weise die Richtigkeit der ART.
Nun ist es denkbar, dass diese Ablenkung so stark ist, weil die Masse so kompakt ist, dass das Licht eingefangen wird.
Genau das ist ein Schwarzes Loch: die extremste Form einer Gravitationslinse. Tatsächlich gab es - wie wir
sehen werden - diese Überlegung schon lange vor Einstein im 18. Jahrhundert, angestellt von Pfarrer John Michell.
Verbiegen von Raum und Zeit
Die Dunkelheit der Schwarzen Löcher ist allerdings nur eine ihrer seltsamen Eigenschaften. Daneben haben sie
erstaunliche Auswirkungen auf Raum und Zeit in ihrer Umgebung. Es stellt sich in einer relativistischen Behandlung
heraus, dass diese Effekte eng miteinander zusammenhängen. Die physikalische Ursache dafür ist die enorme
Krümmung von Raum und Zeit, die kompakte Massen im Allgemeinen und Schwarze Löcher im Besonderen
hervorrufen. Diese Krümmung ist so gigantisch, dass Strahlung und Teilchen, die
dem Schwarzen Loch zu nahe kommen für immer verloren sind. Das Schwarze Loch 'verschluckt' diese Strahlung und
erscheint dem entfernten Beobachter schwarz.
Eine leuchtende Uhr, die in ein Schwarzes Loch fällt, wird aus der Sicht eines entfernten
Außenbeobachters mit der Annäherung röter sowie schwächer leuchten und
auch langsamer ticken. An einer kritischen Grenze um das Schwarze Loch, dem Ereignishorizont,
wird die Uhr stehen bleiben, was der Beobachter jedoch nicht mehr sehen wird, weil auch ihr Leuchten vollständig verdunkelt.
Das Verbiegen des Raums macht sich dadurch bemerkbar, dass Testkörper, die in der Nähe des Loches einfallen,
zwingend auf das Loch beschleunigt werden. Das Loch lenkt die Fallrichtung auf sich - ein Entkommen ist nur in wenigen
Ausnahmefällen möglich.
Zum Begriff Schwarzes Loch
Der Relativist John Archibald Wheeler erfand den Begriff Black Hole, also Schwarzes Loch,
im Jahr 1967. Tatsächlich gibt es die Löcher schon viel länger: Der deutsche Astronom Karl
Schwarzschild löste Einsteins kompliziertes Formelwerk der Allgemeinen Relativitätstheorie und
fand bereits 1916 eine kugelsymmetrische Lösung, die das Gravitationsfeld einer Punktmasse beschreibt:
die Schwarzschild-Lösung.
Heute zählt diese Lösung zur Familie der klassischen Schwarzen Löcher, von denen es noch drei
weitere Formen (Reissner-Nordstrøm-Lösung,
Kerr-Lösung und Kerr-Newman-Lösung)
gibt, wie wir sehen werden.
In diesem Artikel sollen die Begriffe Schwarzes Loch und kompaktes, dunkles Objekt streng unterschieden
werden. Ein Schwarzes Loch soll ein klassisches Objekt sein, das Ereignishorizont und Singularität haben muss -
was diese beiden Eigenschaften sind, wird im Weiteren klar werden. Im Gegensatz dazu soll ein kompaktes, dunkles Objekt
etwas sein, das viel Masse auf wenig Raum vereint und deshalb aufgrund der ART dunkel wird. Es muss aber nicht
notwendig Ereignishorizont und Singularität haben
Schwarze Löcher in der Astronomie
Die Astronomen haben am Himmel Objekte gefunden, die sehr gute Kandidaten für Schwarze Löcher sind. Sie haben
verschiedene Größen (d.h. Massen) und sie rotieren sogar wie die Sterne.
Schwarze Löcher haben einen festen Platz im Weltbild der modernen Physik. Die theoretische Astrophysik benötigt
solche kompakten Objekte, weil sie sonst in ernsthafte Erklärungsnöte gerät:
- Wie könnte man sonst die beobachteten hohen, dunklen, kompakten Massen in den Kernen der
Galaxien (wie der Milchstraße) erklären?
- Woher sonst könnten hell leuchtende, aktive Galaxienkerne, wie die Quasare,
ihre enormen Leuchtkräfte beziehen, als aus den Strahlungsprozessen, die mit der Materieaufsammlung
eines Schwarzen Loches zusammenhängen?
- Wie sollte man die Entstehung von riesigen, gebündelten, fast lichtschnellen Materieströmen, den
Jets, verstehen, die aus dem Innern aktiver Galaxien herausgeschleudert werden und
schließlich die Galaxie selbst in ihrer Ausdehnung übertreffen?
- Wie wenn nicht unter der tragenden Rolle eines superschweren Schwarzen Loches können sich
Galaxien im Kosmos entwickeln?
Gibt es klassische Schwarze Löcher?
Die Existenz von kompakten, dunklen Objekten ist nicht mehr strittig, sehr wohl aber ihre Natur. Die klassischen
Schwarzen Löcher vom Schwarzschild-, Reissner-Nordstrøm-, Kerr- und Kerr-Newman-Typus bieten ein paar
Eigenschaften, die nicht in Konzepte der modernen Physik passen. Wie verträgt sich z.B. ein punktförmiges Objekt
wie eine Punktsingularität mit der Unschärferelation der Quantentheorie?
Erlaubt die Natur die Existenz von Punkten? Gibt es in der Natur Unendlichkeiten?
Die moderne Physik hält nun ein paar Überraschungen bereit:
Neue Zweige der Physik wie die Quantengravitation in ihrer Ausprägungsform
als Stringtheorien oder Loop-Quantengravitation
bieten Alternativen zum klassischen Schwarzen Loch an. Die Forscher wollen daher die unterschiedlichen Modelle
an der Natur testen. Ziel ist es, durch astronomische Beobachtungen zu entscheiden, um was es sich genau bei dem
kompakten, dunklen Objekt handelt.
Bei aller Fürsprache zu klassischen Schwarzen Löchern und bei all ihrer Mächtigkeit plausible
Erklärungen für astronomische Beobachtungen liefern zu können: ein endgültiger Beweis
für ihre Existenz steht noch aus! Aus der Sicht so manchen Theoretikers wäre dieser Beweis sogar
sehr verwunderlich. Man könnte es salopp so umreißen, dass bisher etwas sehr Kompaktes, Massereiches,
Dunkles am Himmel entdeckt wurde. Aber es wurden weder der Ereignishorizont, noch die
Singularität exakt bestätigt. Das spornt natürlich die Astronomen
an, die räumliche Auflösung ihrer Teleskope zu erhöhen. Aber vielleicht finden sie auch etwas Neues,
etwas Unbekanntes. Schwarze Löcher sind das dunkelste Geheimnis der Gravitation.
Übersicht zum Artikel
Dieser Artikel über Schwarze Löcher ist so aufgebaut, dass wir uns zunächst einen historischen Überblick
verschaffen. Wir werden feststellen, dass die ersten relevanten Überlegungen zu dieser mysteriösen Himmelsobjekten
bereits vor fast 250 Jahren angestellt wurden. Vor fast hundert Jahren wurde eine Theorie entwickelt, die Schwarze Löcher
erstmals auf eine vernünftige, mathematische Basis stellte. In den 1960er und 1970er Jahren wurden Berechnungen durchgeführt,
die wichtige theoretische Erkenntnisse über Schwarze Löcher brachten. Vor allem in den letzten Jahren wurden astronomische
Beobachtungen gemacht, die unser Wissen über Schwarze Löcher enorm vorangebracht haben.
Danach widmen wir uns der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) und prüfen inwiefern Schwarze Löcher in diese Theorie
eingebettet sind. Die wichtigsten Lösungen der ART, die mit Schwarzen Löchern in Verbindung stehen, werden vorgestellt: die
Schwarzschild-Lösung und die Kerr-Lösung.
Anhand dieser Raumzeiten wird klar werden, welche Eigenschaften Schwarze Löcher haben.
In der Mitte dieses Aufsatzes betrachten wir die Astrophysik der Schwarzen Löcher. Thema wird sein, welche Massen die kosmischen
Schwarzen Löcher haben und wie sie Materie aus der Umgebung aufsammeln. Dann werden die Beobachtungsmethoden der Astronomen
vorgestellt, um Schwarze Löcher zu entdecken. Wir betrachten im Anschluss, welche kosmologische Rolle Schwarze Löcher
haben und werden feststellen, dass die schwersten Löcher einen direkten Zusammenhang mit Galaxien haben.
Nach dem astrophysikalischen Teil widmen wir uns einem Bereich der Quanten- und Teilchenphysik, in dem Schwarze Löcher
eine Rolle spielen. Wir werden einen engen Bezug der Löcher zur klassischen Wärmelehre erkennen, der letztendlich auf die
Erkenntnis führt, dass Schwarze Löcher gar nicht so schwarz seien: diese Hypothese besagt, dass sie die so genannte
Hawking-Strahlung abgeben. Diese Strahlungsform ist bedeutsam für die kleinsten Schwarzen
Löcher. Unter bestimmten Voraussetzungen könnte es möglich sein, Schwarze Löcher im 'Teilchenformat' in modernen
Beschleunigeranlagen herzustellen. Wie das möglich ist und was dabei zu erwarten ist, wird der letzte Diskussionspunkt sein.
Schließlich folgen eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte dieses Artikels und ein Ausblick auf die Erforschung
Schwarzer Löcher in naher Zukunft.
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Übersicht

© Andreas Müller, August 2007
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