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Schwarze Löcher -Das dunkelste Geheimnis der Gravitation
Thermodynamik und Hawking-Strahlung Nach dem bisher Gesagten sollte man glauben, dass Schwarze Löcher nur alles verschlucken können, ob es nun Materie oder Strahlung sei, die ihnen zu nahe kommt. Dem ist nicht so. Der bekannte Astrophysiker und Kosmologe Stephen W. Hawking bemerkte Mitte der 1970er Jahre, dass Schwarze Löcher auch Teilchen emittieren können! Diese Hawking-Strahlung ist kein rein relativistischer Effekt, sondern nur unter Berücksichtigung der Quantentheorie zu erklären. In diesem Sinne wählte Hawking einen semiklassischen Ansatz, weil es damals keine Quantengravitationstheorien gab. Um ein Verständnis dieses Phänomens zu erhalten, muss man weiter ausholen und die historische Vorgeschichte beleuchten: Es wird nun um die Thermodynamik Schwarzer Löcher gehen. Wiederentdeckung der klassischen Wärmelehre Bereits Anfang der 70er Jahre entdeckten James Bardeen, Brandon Carter und Hawking thermodynamische Analoga bei den Schwarzen Löchern, die es ihnen ermöglichten, einen Temperaturbegriff und einen Entropiebegriff zu definieren. Dabei floss die Vorarbeit von Jacob D. Bekenstein ein, der dies in seiner Dissertation 1972 darlegte. Es sei darauf hingewiesen, dass es sich nur um Analoga handelt, d.h. Größen entdeckt wurden, die ein ähnliches Verhalten haben. Die exakte thermodynamische Temperatur eines Schwarzen Loches muss anders definiert werden. Eine Identifikation dieser analogen Größen ermöglicht es, Pendants zu den Hauptsätzen der Thermodynamik zu formulieren, die vier Hauptsätze der Theorie Schwarzer Löcher. Doch welche Parameter eines Schwarzen Loches entsprechen jeweils einem Temperatur-, Entropie- und Energiebegriff? Der 2. Hauptsatz
Wie die Diskussion der Schwarzschild- und
Kerr-Lösungen sowie die Massenskala
Schwarzer Löcher gezeigt hat, wächst der Radius des Ereignishorizontes
mit steigender Masse des Schwarzen Loches an, aber fällt hingegen mit zunehmendem Drehimpuls (Rotation) ab. Hier sind RS bzw. r+H die Radien der Ereignishorizonte für ein statisches bzw. rotierendes Loch: Die Gleichung für AH muss nur mit Naturkonstanten skaliert werden, um die so genannte Bekenstein-Hawking-Entropie SH zu erhalten: Wie die thermodynamische Entropie nimmt die Bekenstein-Hawking-Entropie niemals ab. Dies ist ein Analogon zum zweiten Hauptsatz der Thermodynamik und der Zweite Hauptsatz der Theorie Schwarzer Löcher: [2] Die Oberfläche des Ereignishorizont Schwarzer Löcher kann nicht mit der Zeit abnehmen. Zahlenbeispiele für Entropien Setzt man ein statisches, d.h. nicht rotierendes Schwarzes Loch voraus (a = 0) folgt eine reine Massenabhängigkeit: eine quadratische Skalierung mit der Masse. Setzen wir typische Massen ein, z.B. eine Sonnenmasse (Astrophysik) oder 1 TeV (Teilchenphysik), so zeigt sich, dass die stellaren Schwarzen Löcher gigantische Entropien aufweisen, während Mini-Löcher, wie sie in modernen Teilchenbeschleunigern entstehen könnten (siehe späteres Kapitel Schwarze Löcher in Teilchenbeschleunigern), noch moderate Bekenstein-Hawking-Entropien haben. Supermassereiche Schwarze Löcher sprengen fast die Entropieskala: Paradox!
Diese Zahlenwerte sind rätselhaft, denn die Größenordnung von 1077 kB
für ein stellares Schwarzes Loch passt gar nicht zu der wesentlich
kleineren Entropie des Vorläufersterns. Dieses Missverhältnis nennt man Entropieparadox
Schwarzer Löcher. Interpretiert man Entropie als Information, so folgt die alternative Bezeichnung
desselben Sachverhalts als Informationsverlustparadox. Der neue Temperaturbegriff
Während die Entropie Schwarzer Löcher eher geometrisch interpretiert werden kann, hängt die
Temperatur Schwarzer Löcher mit der Oberflächengravitation zusammen. Diese folgt
mathematisch gesprochen dem negativen Gradienten des Logarithmus der Lapse-Funktion
(in der Regel mit α bezeichnet), wie in der Gleichung links dargestellt.
Rechts steht nun die Gleichung, die für die Hawking-Temperatur abgeleitet
wurde. Man gewinnt sie aus der Bekenstein-Hawking-Entropie durch Bildung der partiellen Ableitung nach der Masse
bei konstantem Drehimpuls und anschließender Inversion (Gibbons & Hawking, 1977). Dies ist gewissermaßen
eine Maxwell-Relation, wie man sie aus der klassischen Thermodynamik kennt. Die Hawking-Temperatur folgt also
'automatisch' aus thermodynamischen Konzepten, wenn man sich die Bekenstein-Hawking-Entropie beschafft hat! Das ist
das Grandiose an diesen Entdeckungen: Sie zeigen die tiefe Verbundenheit der Konzepte in der Natur, ob sie nun in
einem irdischen Gas oder in einem Schwarzen Loch ablaufen! Der 0. Hauptsatz Damit heißt der Nullte Hauptsatz der Theorie Schwarzer Löcher: [0)] Bei einem stationären Schwarzen Loch ist die Oberflächengravitation konstant auf dem Ereignishorizont. Der 3. Hauptsatz Der Dritte Hauptsatz der Theorie Schwarzer Löcher, der ebenfalls auf die Hawking-Temperatur angewendet wird, heißt: [3] Ein Zustand, bei dem die Oberflächengravitation eines Schwarzen Loches verschwindet, ist nie erreichbar. Der 1. Hauptsatz Der noch fehlende Erste Hauptsatz der Theorie Schwarzer Löcher verknüpft sämtliche thermodynamische Größen miteinander und ist letztendlich eine Konsequenz der Energieerhaltung. Differenziell lautet er:
Wie der erste Hauptsatz der Thermodynamik verknüpft er die Begriffe Temperatur, Entropie und Energie miteinander.
Nur sind die Analoga in der Theorie Schwarzer Löcher nun die Hawking-Temperatur TH, die
Bekenstein-Hawking-Entropie SH und die Masse MH sowie Rotation
JH des Schwarzen Loches. Die Hawking-Temperatur und die Lochrotation übernehmen die Rolle
intensiver Variablen, wie sie in der Terminologie der Wärmelehre heißen. Die Lochrotation muss am Horizont durch
das Drehimpulspotential (ω, siehe auch Boyer-Lindquist-Form) bei
r = rH gegeben sein. Allgemein gilt für die Winkelfrequenz am Horizontradius, dass sie gleich
a/(2rH) ist. Strahlung aus der Quantenwelt Hawking ging über die Konzepte der klassischen Theorie Schwarzer Löcher hinaus und machte einen semiklassischen Ansatz, indem er Quantenfelder auf dem Hintergrund gekrümmter Metriken untersuchte. Die Felder, die mit Teilchen wie Elektronen, Photonen oder Neutrinos assoziiert sein können, sind quantisiert, nicht jedoch die Gravitationsfelder! Sie werden hingegen mit der Allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben. In diesem Sinne ist Hawkings Zugang ein Konzept der semiklassischen Quantengravitation. Die Folgen dieser Behandlung sind erstaunlich: während in der klassischen Theorie Schwarze Löcher reine Absorber von Teilchen und Strahlung sind, weil diese hinter dem Ereignishorizont verschwinden, eröffnet der quantenfeldtheoretische Zugang die Möglichkeit, dass Schwarze Löcher auch in einer konstanten Rate Teilchen emittieren, die so genannte Hawking-Strahlung. Es sei angemerkt, dass der Terminus Strahlung nicht zwingend reine elektromagnetische Emission meint, sondern generell alle möglichen Teilchen. Im Folgenden wird nachskizziert, wie das geschieht - leider sind bei dieser Erklärung einige Grundkenntnisse aus der Quantentheorie vonnöten. Skizzierung in Quantensprache Die Teilchen beschreibt man wie in der Quantenfeldtheorie als skalare Feldoperatoren, die die kanonischen Kommutatorrelationen erfüllen. Die Klein-Gordon-Gleichung wird dann auf gekrümmte Metriken verallgemeinert, indem man gewöhnliche Ableitungen durch kovariante Ableitungen ersetzt. Der Einfachheit halber betrachtet man masselose Teilchen. Die Lösungen der kovarianten Klein-Gordon-Gleichung (siehe Gleichung links unten) haben die vertraute Gestalt mit Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren und ermöglichen die Definition eines Vakuumzustands, also eines energetisch tiefsten Zustands des masselosen Teilchens. Betrachtet man diesen in verschiedenen orthonormalen Basen, die über die Bogoliubov-Transformationen miteinander verknüpft sind, so stellt man fest, dass der Vakuumerwartungswert für den Besetzungszahloperator endlich wird (siehe Gleichung weiter unten). Anders gesagt: eine Anzahl Teilchen ist entstanden! Die Definition eines Vakuumzustands ist in der Relativitätstheorie nicht eindeutig und hängt vom Beobachter ab. Man kann jedoch die Vakuumerwartungswerte vergleichen, wenn man eine gekrümmte Raumzeit annimmt, die in Vergangenheit und Zukunft asymptotisch flach ist. Bei dieser Bilanz stellt man fest, dass das Gravitationsfeld Teilchen erzeugt hat, die man Hawking-Strahlung nennt! Bitte im Klartext?
Eine anschauliche Interpretationsmöglichkeit lehnt sich an das oben beschriebene quantenfeldtheoretische
Konzept eines Quantenvakuums an. Nach der Quantentheorie ist der ganze Raum
- auch das Vakuum - gefüllt mit Paaren virtueller Teilchen und deren
Antiteilchen. Deren Energie ist so gering, dass die Teilchen im Rahmen der
Heisenbergschen Unschärferelation (Ort-Impuls-Unschärfe, Energie-Zeit-Unschärfe) eine
sehr kurze Lebensdauer haben und daher nicht zu messen sind. In diesem Sinne nennt man sie virtuell.
Ständig annihilieren, d.h. zerstrahlen, diese Teilchen mit ihrem entsprechenden Antiteilchen und bilden
sich in Paaren wieder neu. Das Quantenvakuum ist also kein ruhiger Ort, sondern ein komplexes Gebilde, das
von virtuellen Teilchen bevölkert ist. In der Fachsprache sprechen die Physiker auch vom Quantensee.
Indirekt ist dieses Phänomen bei der Lamb-Shift, einer Verschiebung der Spektrallinien, im
Wasserstoffspektrum messbar. Das bedeutet, dass das Konzept der virtuellen Teilchenpaare keine Hypothese,
sondern eine im Experiment verifizierte Tatsache ist! Hawking-Strahlung in der Natur Schwarze Löcher verdampfen also durch die Emission von Hawking-Strahlung. Die Lebensdauer ist allerdings schon für Schwarze Löcher mit Sonnenmasse sehr hoch: es würde 1066 Jahre dauern, bis ein solches Schwarzes Loch durch Hawking-Strahlung verdampft wäre! Dies liegt deutlich über dem Alter des Universums (etwa 1010 Jahre)! Die Temperatur eines stellaren Schwarzen Loches ist außerordentlich gering: nur etwa ein Millionstel Kelvin. Supermassereiche Schwarze Löcher in den Kerngebieten von Galaxien und AGN hätten entsprechend noch niedrigere Temperaturen! Eine direkte Detektion der Hawking-Strahlung ist damit bei kosmischen Schwarzen Löchern ausgeschlossen. Denn diese schwache Strahlungsform würde durch die heftigen Strahlungsprozesse in der Umgebung, im Vordergrund und im Hintergrund der Quelle einfach untergehen. Massearme Schwarze Löcher, wie primordiale Schwarze Löcher oder Mini-Löcher, von denen man annimmt, dass sie sich im frühen Universum bildeten oder noch kleinere, von denen Teilchenphysiker sich versprechen, sie in Teilchenbeschleunigern erzeugen zu können, haben dagegen eine sehr viel kleinere Lebensdauer. Diese Mini-Löcher emittieren mehr als sie absorbieren/akkretieren. Als Konsequenz nimmt ihre Masse sukzessiv ab. Bei einer kritischen Masse von 1014 g - was einem kosmisch gesehen sehr kleinen Schwarzen Loch entspricht - würde das Schwarze Loch auf extrem kleinen Zeitskalen von 10-23 s seine ganze Ruhemasse abstrahlen: dieser Prozess ist im Prinzip eine Explosion, die 1035 erg freisetzt. Diese Energieskala liegt zwar viele Dekaden unterhalb von typischen Supernovae, Hypernovae oder Gamma Ray Bursts, sollte jedoch auf der Distanzskala des frühen Universums beobachtbare, sicherlich rotverschobene Signaturen hinterlassen. Vielleicht detektiert das im Erdorbit befindliche Weltraumteleskop Spitzer irgendwann diese Spuren primordialer Schwarzer Löcher im Infraroten?
Die Energie der Hawking-Strahlung hängt davon ab, welches Teilchen am Horizont materialisiert. Mit Schrumpfung
des Loches durch Hawking-Emission und dem damit verbundenen Temperaturanstieg, wird schließlich die Ruhemasse
verschiedener Teilchenspezies überschritten, so dass ein ganzer Teilchenzoo
emittiert werden könnte. Ausblick Eine offene Frage ist natürlich, wie das Spektrum der Hawking-Strahlung verändert wird, wenn man die man eine voll quantisierte Behandlung des Problems ansetzt. Dies erfordert eine quantisierte Gravitationstheorie, eine Quantengravitation. Heute kennt man auf eine solch mächtige Theorie zwei Anwärter: die Stringtheorien und die Loop-Quantengravitation. Das beeindruckende Resultat ist, dass in beiden Theorien dieselbe Gleichung für die Bekenstein-Hawking-Entropie abgeleitet werden konnte. Das erweckt den Eindruck, dass die Thermodynamik Schwarzer Löcher auch in diesen neuen Theorien (von denen die Physiker noch nicht wissen, inwiefern sie die Natur beschreiben) so beschaffen ist, wie sie Hawking vor drei Dekaden semiklassisch abgeleitet hat.
Aus thermodynamischen Gründen ist zu erwarten, dass immer eine Form von Hawking-Emission resultiert, denn
ein Körper endlicher Temperatur ist nun mal ein Planck-Strahler. Die exakten mathematischen Zusammenhänge
sind eventuell in verschiedenen Quantengravitationstheorien unterschiedlich.
© Andreas Müller, August 2007
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