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Schwarze Löcher -
Das dunkelste Geheimnis der Gravitation
pdf (1.8 MB)
Massenskala Schwarzer Löcher
Schwarze Löcher können aus der Sicht klassischer Theorien beliebige Massen haben. Es muss nur durch
irgendeinen Prozess gelingen, eine gegebene Masse - einen Stern, einen Stuhl,
den ungeliebten Chef - unterhalb ihres Schwarzschild-Radius zu komprimieren:
Dann resultiert ein Schwarzes Loch. Im Weltraum gibt es offensichtlich Prozesse, die auf natürliche Weise
ein Schwarzes Loch erzeugen können. So ist das Ende eines massereichen Sterns in der Regel ein
stellares Schwarzes Loch. Das ist jedoch noch nicht alles. Astronomen fanden
mit der Zeit viele Kandidatenobjekte am Himmel, für die auch Schwarze Löcher eines deutlich anderen
Massebereichs in Frage kommen. Mittlerweile hat man in der Astrophysik ganz bestimmte Massenbereiche gefunden,
denen eine spezielle Klasse Schwarzer Löcher zugeordnet werden kann. Die
Unterscheidungskriterien sind Masse und Evolution:
Primordiale Schwarze Löcher
Primordiale Schwarze Löcher oder Mini-Löcher sind sehr klein.
Sie haben nur Massen von etwa 1018 g oder entsprechend 10-15 Sonnenmassen. Das entspricht
in greifbaren Einheiten etwa der Masse eines irdischen Berges. Der zugehörige Radius des
Ereignishorizonts beträgt nur etwa 10-12 m und kommt damit in
den subatomaren Bereich. Nehmen wir an, diese Masse wäre gleichmäßig über eine Kugel dieses
Radius verteilt, so wäre die Kompaktheit enorm hoch: Sie läge bei einer mittleren Dichte von etwa
1048 g/cm3!
Die Existenz solcher Mini-Löcher ist höchst spekulativ und deren Entstehungsmechanismus völlig
unklar. Es könnte eine besonders intensive Form von Gravitationswellen, die
super-kritischen Brill-Wellen, kollabiert sein und diese Mini-Löcher
übrig gelassen haben. Auch wird erwogen, dass solche Mini-Löcher primordial vorhanden waren, also
in einer Frühphase des Universums entstanden sind, beispielsweise aus
spontanen Symmetriebrechungen eines Skalarfeldes,
ähnlich dem Higgs-Mechanismus.
Stephen Hawking zeigte 1974, dass durch Quanteneffekte solche 'Zwerge' unter den Löchern schnell
zerstrahlen würden. Denn die Emission von Hawking-Strahlung kostet
dem Loch Masse bis irgendwann die kleine Masse aufgebraucht und verschwunden ist. Das Ende der Zerstrahlungsphase
ist - wie man annimmt - mit einem kurzzeitigen Ausbruch (burst) hochenergetischer,
elektromagnetischer Wellen verbunden. Leider haben die Astronomen in Beobachtungen
bisher keine Hinweise auf die primordiale Schwarze Löcher gefunden. Die
Gamma Ray Bursts (GRBs) werden mit ganz anderen Szenarien in Verbindung gebracht,
nämlich Sternexplosionen (so genannten Hypernovae) und Verschmelzung kompakter
Doppelsterne.
Das Negativresultat bezüglich der Vernichtungsstrahlung primordialer Schwarzer Löcher verwundert, denn
es ist zu erwarten, dass in der Verteilung der großräumigen, kosmischen
Hintergrundstrahlung Signaturen zu finden sind. Sollten es primordiale Schwarze Löcher in einer frühen
Phase des Universums gegeben haben, könnten sie über Akkretion gewachsen
und so eventuell die Saatkörner für Galaxien gewesen sein. Diese Hypothesen
sind aber recht spekulativ.
Stellare Schwarze Löcher
Stellare Schwarze Löcher entstehen im Rahmen der Sternentwicklung. Einstein
war sicherlich angetan davon, dass Schwarzschild schon so kurz nach der Publikation der
Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie
eine Lösung gefunden hatte: die Schwarzschild-Lösung. Einstein
sträubte sich aber davor, daran zu glauben, dass diese Punktmassen in der Natur existierten könnten.
Die wachsenden Erkenntnisse in der Stellarphysik sorgten aber für einen Umschwung. Die Astrophysiker fanden,
dass Sterne am Ende ihrer Entwicklung instabil werden und infolge des Überhand gewinnenden
Gravitationsdruckes kollabieren. Dieser Gravitationskollaps bringt sehr
kompakte Sterne hervor: Weiße Zwerge und
Neutronensterne sind nur eine Variante. Einer hohen Restmasse des sterbenden Sterns
hält auch Neutronenmaterie nicht Stand. Dann muss - nach weit verbreiteter Lehrmeinung - eine
Singularität entstehen. Da die Vorläufersterne rotieren, ist es sehr wahrscheinlich,
dass auch das entstandene Loch rotiert. Die entsprechend angemessene Raumzeit ist demnach die Kerr-Lösung und weniger
die Schwarzschild-Lösung. Erst seit Ende der 1960er Jahre wurden diese Singularitäten Schwarze Löcher genannt.
Die stellaren Schwarzen Löcher gehen aus Sternen hervor. So verwundert es nicht, dass sie nur wenige bis etwa
hundert Sonnenmassen wiegen. Einer Sonnenmasse entsprechen 1.989 × 1030 kg. Wie alle Schwarzen Löcher
können auch diese durch Aufsammeln von Materie aus der nahen Umgebung wachsen. Dieser für die Astrophysik
generell wichtige Vorgang heißt Akkretion. Schwarze Löcher, die sich zu
nahe kommen, weil sie beispielsweise gemeinsam in einem Mehrfachsternsystem entstanden, können auch miteinander
verschmelzen. In diesen so genannten Merging-Szenarios können noch gewaltigere Schwarze Löcher entstehen - die
vielleicht sogar die stellare Skala sprengen. Wir werden in Kürze sehen, dass es auch diese schwereren Kandidaten
für Schwarze Löcher gibt.
Gute Kandidaten für stellare Schwarze Löcher sind z.B. folgende astronomische Quellen:
Wenn Sterne explodieren
Wie vorweggenommen, entstehen stellare Schwarze Löcher aus Sternexplosionen, aus den so genannten Hypernovae (HN).
Der Energieausstoß dieser katastrophalen Ereignisse ist enorm und liegt bei 1053 erg.
Diese Explosionsenergie wird in den interstellaren Raum 'geschleudert' und treibt
heftige Stoßwellen an, die mit der Umgebung zusammenstoßen. Dabei kommt es zu heftigen Strahlungsprozessen,
die vor allem Synchrotronstrahlung emittieren. Das Ergebnis einer solchen
Explosion zeigt das farbenprächtige Bild rechts, ein Falschfarbenkomposit aus Beobachtungsdaten der
Weltraumteleskope Chandra (Röntgen: Anteile aus blau und grün), Hubble (optisch: gelb) und Spitzer
(infrarot: rote Farbanteile), das den Supernovaüberrest Cassiopeia A
zeigt (Credit: NASA/CXC/SAO, NASA/STScI, NASA/JPL-Caltech 2005). Das Umgebungsmaterial leuchtet in allen
möglichen Wellenlängenbereichen des elektromagnetischen Spektrums durch die Anregung des Schocks
der Sternexplosion, die sich vor rund 300 Jahren ereignete.
Diese Vorgänge sind für die Komplexität der Materie von großer Bedeutung, entstehen doch beim
Auslaufen der Schockwelle diejenigen Elemente, die schwerer sind als Eisen. Die mit der Explosionswelle
verbundenen Prozesse nennen die Astronomen r-Prozesse und
p-Prozesse.
Entscheidend für das Schicksal eines Sterns ist vor allem seine Masse. Kollabiert am Ende der stellaren Entwicklung
eine Masse, die etwa drei Sonnenmassen übersteigt, so kann der Gravitationskollaps
auf ein stellares Schwarzes Loch nicht verhindert werden. Als Konsequenz kollabiert das Material auf einen Punkt.
Der Kollaps kann auch in Doppelsternsystemen (Binärsystemen) stattfinden, die im Universum häufiger sind,
als Einzelsterne (wie beispielsweise die Sonne). Es ist möglich, dass bereits
ein Stern eines Binärs auf die beschriebene Art und Weise zum Weißen Zwerg wurde. Diese Umwandlung verläuft
vergleichsweise glimpflich und beeinflusst kaum den Begleiter. Ist sein Begleitstern massereich und räumlich
relativ nahe, so kann es passieren, dass Materie von ihm auf die kompakte Komponente überfließen kann. Stellt
man sich die zwei überlappenden Gravitationsfelder der Sterne vor, so ist es klar, dass es mindestens einen Punkt
in diesem System geben muss, wo die gesamte Gravitationskraft verschwindet: In diesem so genannten inneren
Lagrange-Punkte gleicht sich gerade die Gravitationskraft der einen Komponente mit
der der anderen Komponente aus. Eine detaillierte Rechnung (restringiertes Dreikörperproblem) zeigt,
dass es insgesamt fünf solcher Lagrange-Punkte in einem Doppelsternsystem gibt. Sie sind als L1 bis L5 in der
folgenden Darstellung des effektiven Gravitationspotentials beider Massen eingetragen (detaillierte Beschreibung im
Lexikon unter Roche-Volumen):
Sollte nun der Begleitstern so ausgedehnt sein, in der Regel ein Riesenstern, dass
seine Oberfläche bis zu einem Lagrange-Punkt oder darüber hinaus reicht, so kann Materie überfließen.
Astrophysiker sagen dann, dass der Begleitstern sein Roche-Volumen überschreitet.
Der Begleitstern rotiert, d.h. seine Materie besitzt Drehimpuls. Aus diesem Grund fällt das Material nicht auf
direktem Wege radial ein, sondern formt ein abgeflachtes, scheibenförmiges Gebilde: die
Standardakkretionsscheibe. In dieser Akkretionsscheibe gibt es Prozesse (Dissipation
durch turbulente Viskosität oder magnetische Rotationsinstabilität, MRI),
die den Drehimpuls nach außen transportieren. Deshalb kann das Material schließlich bis zur kompakten Komponente
gelangen.
Ist die kompakte Komponente nun ein Weißer Zwerg, stürzt das Material aus der Akkretionsscheibe auf dessen
Oberfläche und reichert sich an. Der Weiße Zwerg gewinnt also sukzessiv an Masse, aber Weiße Zwerge können
nicht beliebig schwer werden. Wurde soviel Masse akkretiert, dass er die Chandrasekhar-Grenze
von etwa 1.46 Sonnenmassen erreicht, zerreißt es den Weißen Zwerg in einer mächtigen Wasserstoffexplosion, einer
Supernova vom Typ Ia. Es ist anzunehmen, dass der Begleitstern bei dieser Explosion aus dem Binärsystem geschleudert
wird, weil er einen 'Kick' durch die auslaufende Schockwelle erhält. Diese Hypothese und andere Details von Supernova-Explosionen
müssen jedoch in Computersimulationen noch bestätigt werden. Derzeit macht die Simulation einer einzigen
Supernova aus einem Prä-Neutronenstern schon genug Probleme.
Das Hellste im Universum!
In einer besonders heftigen Form einer Sternexplosion ist die Hypernova. Hier ist
zu erwarten, dass aus dem Kollaps eines sehr massereichen Sterns, z.B. vom Wolf-Rayet-Typ
mit einigen zehn Sonnenmassen, immer ein stellares Schwarzes Loch entsteht. Die Astronomen gehen davon aus, dass
mit Hypernovae die langzeitigen Gamma Ray Bursts (GRBs) assoziiert sind. Bei diesen
Helligkeitsausbrüchen im energiereichsten Bereich der elektromagnetischen Strahlung treibt der Gravitationskollaps
einen ultrarelativistischen Jet aus stellarer Materie, der sich seinen Weg durch den
kollabierenden Stern bahnt. Im Rahmen des anisotropen Feuerball-Modells nimmt man an, dass dieser Jet schließlich den
Bereich des Kollapsars verlässt und durch das interstellare Medium (dann auch
Circum Burst Medium genannt) propagiert. Dabei entsteht bei der sich sukzessiv verlangsamenden Schockwelle das
charakteristische Nachleuchten der GRBs in niederenergetischen Bereichen des Spektrums (engl. GRB afterglow)
durch Synchrotronkühlung. GRBs sind mit Leuchtkräften von 1051...54
erg/s das Leuchtkräftigste, was Astronomen kennen - sie übertrumpfen sogar die aktiven Galaxienkerne (AGN), von denen die leuchtkräftigsten
Quasare etwa 1047 erg/s haben! (Zu den AGN kommen wir noch im Verlauf des Kapitels)
Die Abbildung links zeigt ein Beobachtungsfoto des Gammastrahlenausbruchs GRB030227, aufgenommen mit dem Gammasatelliten Integral
der Europäischen Weltraumbehörde ESA (Credit: Beckmann et al., SPI-Team, Integral/ESA 2003). Die hier abgebildete
Strahlung hat Energien zwischen 20 und 200 keV und liegt im Bereich der harten Röntgen-
und Gammastrahlung. Links neben dem GRB ist eine kontinuierliche Quelle, der Crab-Nebel (engl. Crab nebulae), zu sehen.
Im Vergleich der Intensität sieht man, dass der GRB sogar den Crab-Pulsar kurzzeitig
überstrahlt. Dort regt ein schnell rotierender Neutronenstern seine Umgebung zum Leuchten an.
Der Crab-Pulsar ist eine so prominente und starke Quelle in der Gammaastronomie, dass die Astronomen Leuchtkräfte und
Flüsse von kosmischen Gammaquellen in seinen Einheiten angeben.
Der Superstern Eta Carinae (η Car) im Sternbild Schiff (Carina) ist ein prominenter Galaktischer
Hypernova-Kandidat. η Car hat etwa 100 Sonnenmassen, ist 7500 Lichtjahre entfernt und bläst - typisch
für massereiche Sterne - einen heftigen Teilchenwind in Form eines bipolaren Ausflusses ab. Es ist eine interessante
Frage, ob dieser Stern eine Gefahr für die Menschheit darstellen könnte, sollte er als Gamma Ray Burst eines
Tages aufleuchten. Eine (von mir gemachte) Abschätzung für die deponierte Äquivalentdosis des hypothetischen
Eta Carinae-GRBs bei bekannten Parametern und plausiblen Annahmen (100s dauernder Burst) ergibt einen Wert von etwa
1 Sv (Sievert), bezogen auf einen Tag. Dies entspricht fast dem 300fachen der üblichen Jahresbelastung (3 mSv) eines
Menschen! Eine kurzzeitige Ganzkörperbestrahlung von über 7 Sv führt nach wenigen Tagen zum Tode. Bei einem
wirklich langen GRB von etwa 1000 Sekunden, die astronomisch gesehen keine Seltenheit sind, wäre die Gefahr also
tatsächlich nicht von der Hand zu weisen! Allerdings bestünde diese Gefahr 'nur' für das Leben derjenigen
Erdhemisphäre, die im Moment des Bursts dem GRB zugewandt ist. Außerdem gehen viele Abschätzungen in diese
Kalkulation ein: die Quelle ist punktförmig, eine Ganzkörperbestrahlung deshalb erschwert; von besonderer
Relevanz ist die Orientierung des GRB-Jets. Mit ein bisschen Glück zeigt er nicht in Richtung Erde...
Leider ist man mit einer numerischen Behandlung noch nicht soweit gekommen, dass der Kollaps zu Neutronensternen oder
Schwarzen Löchern in der Simulation geglückt wäre. Die Versuche werden jedoch unternommen. Wichtig ist es
dabei, die Strahlungs- und Neutrinophysik sowie Einsteins Theorie adäquat zu implementieren. Bei der Simulation des Gravitationskollapses zu
Schwarzen Löchern benötigt man ein Kriterium, das lokal die Ausbildung eines Horizonts fixiert. Auch diese Forschung
steht noch Anfang. Die Beobachtung der Natur belegt aber, dass der Kollaps zu Kompakten Objekten geschieht (z.B. SN Typ II
im Crab-Nebel oder SN 1987a).
Stellare Schwarze Löcher sind die klassischen Vertreter. Lange Zeit glaubte man, dass diese schmale Massendomäne
charakteristisch für Schwarze Löcher sei. Schließlich entdeckten Astrophysiker in den 1960er Jahren das
Standardmodell für Aktive Galaktische Kerne (AGN), das so genannte AGN-Paradigma,
nach dem die Aktivität besonders heller Galaxienkerne durch Akkretion auf supermassereiche Schwarze Löcher
erklärt wird. Dazu kommen wir am Ende dieses Kapitels.
Mittelschwere Schwarze Löcher
Bleiben wir zunächst auf der Massenskala, die wir allmählich erweitern wollen. Mittelschwere Schwarze Löcher
stellen den neusten Typus auf der Massenskala dar. Sie haben größere Massen von 102 bis 106
Sonnenmassen. Vor kurzem hat man starke Hinweise darauf gefunden, dass dieser intermediäre Typus im Zentrum von
Kugelsternhaufen existieren muss. Ganz aktuell ist die Frage, ob die mysteriösen
ultraleuchtkräftigen Röntgenquellen (ultra-luminous X-ray sources, ULXs)
physikalisch mit massereichen Schwarzen Löchern erklärt werden können.
Die Kandidatenobjekte im Zentrum von Kugelsternhaufen heißen
Kugelsternhaufen sind alte galaktische Komponenten und befinden sich in einer sphäroiden Randregion einer
Galaxis, dem galaktischen Halo. Etwa hunderttausend Sterne bilden eine kugelige Ansammlung, deren Sterndichte
zum Zentrum hin stark zunimmt. Optisch sehen sie so aus, wie das Beispiel rechts, der Kugelsternhaufen M80,
aufgenommen mit dem Weltraumteleskop Hubble (Credit: Ferraro et al. 1999, AURA/STScI/NASA). M80 ist einer
von etwa 150 Kugelsternhaufen der Milchstraße und 28000 Lichtjahre entfernt.
Kugelsternhaufen sind die ältesten Objekte einer Galaxie und reichen an das Alter des Universums heran.
Aufgrund des hohen Alters weisen Kugelsternhaufen fast kein Gas mehr auf, das akkretiert werden könnte. Deshalb
müssen ihre Schwarzen Löcher, sollten sie existieren, hungern.
Die massereichen Schwarzen Löcher könnten aus leichteren stellaren Schwarzen Löchern hervorgegangen
sein, dadurch dass in den dichten Kugelsternhaufen häufige Verschmelzungsereignisse (engl. merging events)
geschahen. Ihre aktuelle hohe Masse hätten sie dann durch Akkretion gewonnen. Die charakteristischen Rotationskurven
von Sternen um das Haufenzentrum (die Geschwindigkeitsdispersionskurven) können mit massereichen Schwarzen
Löchern sehr elegant erklärt werden. Es wäre auch möglich, dass ganze Sterne akkretiert werden.
Dann hätten Astronomen die Chance, in damit assoziierten hochenergetischen Strahlungsausbrüchen
(Röntgenbursts) indirekt die Existenz eines Schwarzen Loches abzuleiten.
Das Problem bei dieser netten Vorstellung: Es gibt bei den meisten Kugelsternhaufen auch alternative Erklärungen,
die ohne massereiches Schwarzes Loch auskommen. So wäre es denkbar, dass eine große Ansammlung massereicher
oder kompakter Sterne (Bosonensterne, Fermionenball) im
Zentrum des Kugelsternhaufens sitzt, was ebenso die gemessene Geschwindigkeitsdispersion erklären würde. Eindeutige
Nachweise sind daher abzuwarten. Im Falle von G1, einem Kugelsternhaufen in unserer Nachbargalaxie Andromeda, haben sich
jedenfalls die Hinweise auf ein massereiches Schwarzes Loch von etwa 17000 Sonnenmassen verdichtet (Gebhardt et al. 2005).
In den kleinsten Vertretern von Galaxien, den Zwerggalaxien hat man nun ebenfalls Kandidaten für Schwarze
Löcher gefunden. Die Methode beruht ebenfalls auf der Messung der stellaren Geschwindigkeitsdispersion. Diese
Objekte heißen u.a.
Mit etwa 100 000 Sonnenmassen liegen diese Kandidaten für Schwarze Löcher gerade im Übergangsbereich
zwischen massereichen und supermassereichen Schwarzen Löchern. Auch hier ist die Evidenz schwach. Insgesamt lässt
sich vorläufig bilanzieren: Die Hypothese von Schwarzen Löchern mittlerer Masse in Kugelsternhaufen und
Zwerggalaxien ist plausibel, doch sind die Modelle noch sehr unsicher und eine sichere Verifikation einer geschlossenen
Massenlücke bleibt abzuwarten. Die Existenz von massereichen Schwarzen Löchern in ULXs ist noch eine sehr vage
These, weil die Astronomen noch zuwenig über die Physik dieser Quellen wissen. Zum Teil kann man einige ULXs auch gut
mit akkretierenden stellaren Schwarzen Löchern erklären.
Vom theoretischen Standpunkt war es zwar lange rätselhaft, weshalb es bei diesen Massen nicht auch Schwarze Löcher
geben sollte. Die Beobachtungen müssen diese Hypothese schlüssig belegen. Die nahezu geschlossene Massenhierarchie
ist sicherlich - vom theoretischen Standpunkt aus - außerordentlich attraktiv!
Supermassereiche Schwarze Löcher
Supermassereiche Schwarze Löcher sind in der Regel Zentren von Galaxien. In einem
unifizierenden Modell gehen fast alle Astrophysiker heute einvernehmlich davon aus, dass jede Galaxie im Zentrum ein
supermassereiches Schwarzes Loch (engl. supermassive black hole, SMBH) beherbergt (Es mag wenige Ausnahmen geben, wo z.B.
der Galaxienkern in einem Kollisionsereignis entrissen wurde.).
Die Massen supermassereicher (oder auch superschwer genannt) Schwarzer Löcher finden sich auf der Skala von Millionen bis
Milliarden Sonnenmassen! Die maximalen Massen leitet man bei alten elliptischen Galaxien ab, wie M87,
die kaum noch Gas enthalten, das akkretiert werden könnte. Diese Riesenellipsen sind nach einem gängigen Evolutionsmodell
aus der Verschmelzung von Spiralgalaxien (merging spirals) hervorgegangen und haben eine heftige Entwicklungsphase hinter
sich. Die galaktischen Kollisionsprozesse kann man aktuell an zahlreichen irregulären Galaxien ablesen. Solche Vermischungsprozesse
fördern das Entstehen neuer Sterne, weil das interstellare Medium (ISM) beteiligter Galaxien heftig durchmischt wird.
Astronomen erkennen das an der Blaufärbung von solchen Sternentstehungsregionen (engl. starburst regions). Junge,
massereiche Sterne vom Spektraltyp O oder B strahlen blau und blauweiß.
Der Schwarzschildradius supermassereicher Schwarzer Löcher ist in der Größenordnung
von Milliarden Kilometern bzw. einigen astronomischen Einheiten. Säße einer dieser Giganten
im Zentrum unseres Sonnensystems, so würde sein Schwarzschildradius etwa bis zur Bahn des Zwergplaneten
Pluto reichen! Diese größten Vertreter Schwarzer Löcher sind demnach in der Tat riesenhaft, aber relativ zu ihrer Wirtsgalaxie,
in die sie eingebettet sind, wiederum winzig.
Das AGN-Standardmodell
Ein zentrales supermassereiches Schwarzes Loch ist insbesondere die vitale Ingredienz von Aktiven Galaktischen
Kernen (AGN) (siehe diesen Web-Artikel für Details). Denn das Loch speist über Akkretion von Plasma die enorme
Helligkeit des AGN. Das ist die Kernaussage des AGN-Paradigmas. Gemäß diesem Standardmodell für aktive
Galaxien findet man folgende Strukturen vor: Das kalte, molekulare Material des großskaligen Staubtorus fällt
von der pc-Skala (einige zehn bis hundert Lichtjahre) in das Herz des AGN.
Dabei bildet der Materiestrom eine besondere Form aus, die so genannte Standardscheibe, die
eine dünne Materiescheibe darstellt. Sie wird zum Zentrum hin immer heißer und strahlt sehr effizient Wärmestrahlung
ab. Aus diesem Grund wird das Material gut gekühlt und sammelt sich in dem flachen Gebilde an. Im inneren Bereich der
Scheibe wird das Material schließlich extrem aufgeheizt und daher ionisiert. Auf kleiner Skala (einige Lichtjahre) bläht
sich der heiße Akkretionsfluss auf und wird in das Schwarze Loch gezogen. Der nun sehr heiße und ausgedünnte
Akkretionsfluss nimmt nun ein neues Erscheinungsbild an: Als so genannter ADAF gewinnt er nun
an räumlicher Dicke und kann kaum durch Strahlung gekühlt werden.
Das Leuchten der AGN
Die involvierten Strahlungsprozesse auf diesem langen Weg sind sehr vielfältig: thermische Strahlung
ist allgegenwärtig und kann bei dem heißen Plasma wenige Lichtjahre vom Schwarzen Loch entfernt im Röntgenbereich strahlen.
Ebenso kann kalte Umgebungsstrahlung (aus dem kosmischen Hintergrund oder der kalten Akkretionsscheibe)
Comptonisiert werden, d.h. energiearme Photonen werden durch
inverse Compton-Streuung in heißem Gas zu energiereichen Photonen. Geladene Teilchen, die sich vor dem Hintergrund vorhandener
Magnetfelder bewegen, erzeugen Synchrotronstrahlung und Zyklotronstrahlung. Diese kann ebenfalls
Comptonisiert werden (Synchrotron-Self Compton, SSC). Daneben gibt es noch Bremsstrahlung, also elektromagnetische Emission
von abgebremsten, geladenen Teilchen. Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Aktiver Galaktischer Kern ist also nichts anderes,
als ein akkretierendes, supermassereiches Schwarzes Loch, das seine Umgebung in allen möglichen Facetten zum Leuchten
bringt. In diesem Zusammenhang sprechen Astrophysiker gerne vom Schwarzen Loch als AGN-Motor (engl. AGN engine).
Die hellsten AGN sind leuchtkräftigste Quasare, die (bolometrische) Leuchtkräfte von etwa 1047 erg/s
erreichen. Das Beobachtungsfoto links oben zeigt das optische Erscheinungsbild des leuchtkräftigen Quasars 3C 273, aufgenommen
mit dem Weltraumteleskop Hubble (Credit: Martel et al. 2003, STScI/NASA). Zum Vergleich: Unsere
Sonne schafft eine Leuchtkraft von 1033 erg/s. Weniger helle AGN wie die
Seyfert-Galaxien kommen ungefähr auf ein Hundertstel der Quasarleuchtkraft, demnach etwa
1045 erg/s.
pdf (1.8 MB)
Übersicht

© Andreas Müller, August 2007
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