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Aktive Galaktische Kerne -

Leuchtfeuer im All


Der eindrucksvolle Jet der aktiven Galaxie M87, beobachtet mit dem HST

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Einleitung

Als Aktive Galaktische Kerne (engl. Active Galactic Nuclei, kurz AGN) bezeichnet man streng genommen nur das besonders helle Innere von bestimmten Galaxien. Diese aktiven Kerne sitzen in Wirtsgalaxien unterschiedlicher Gestalt: Spiralgalaxien, elliptische Galaxien, Balkengalaxien und auch irreguläre Galaxien kommen hierfür in Frage. Die Umgebung des Kerns fungiert als Wirt und versorgt den Kern mit Material. Über den Mechanismus der Akkretion von großen Längenskalen (Kiloparsec- bis Parsec-Skala) auf kleine Längenskalen (Milli- bis Mikro-Parsec, also wenige Astronomische Einheiten) gelangt die interstellare Materie - Staub, Gas und Sterne - in das Herz des AGN. Dort lauert eine gefräßige Bestie: ein supermassereiches Schwarzes Loch (supermassive black hole, SMBH). Diese Giganten unter den Schwarzen Löchern sind so schwer wie eine Million bis 10 Milliarden Sonnen! Die Schwerkraft dieser kompakten, extrem dunklen Objekte ist letztendlich die Ursache für die enorme Aktivität des galaktischen Kerns. Das klingt sehr paradox: Das dunkelste, was man im Universum kennt, soll das Hellste hervorrufen? Dieser Artikel wird klären, wie das funktioniert.

Akkretion

Akkretion ist der effizienteste Mechanismus, um Materie in Strahlung umzuwandeln. Mit diesem Prozess sind heftige Strahlungsprozesse verbunden, die letztendlich die Ursache für die enormen Leuchtkräfte der AGN sind. Zusammen mit den Gammastrahlenausbrüchen sind die AGN das Leuchtkräftigste, was das Universum zu bieten hat!
Aufgrund dieser Helligkeit bei allen möglichen Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums, sind die AGN diejenigen Objekte, die die Astronomen auch in unglaublich hohen Entfernungen noch beobachten können. AGN eignen sich somit besonders gut als Werkzeuge der Kosmologie, denn je weiter das Objekt entfernt ist, umso tiefer blickt man auch in die Vergangenheit des Universums. Der aktuelle Entfernungsrekord bei den AGN hält ein Quasar, der in einer optischen Himmelsdurchmusterung vieler Galaxien namens Sloan Digital Sky Survey entdeckt wurde; die kosmologische Rotverschiebung dieses Objekts beträgt z = 6.41 (Anmerkung: Das Objekt Abell 1835 IR 1916 ist mit z = 10 noch weiter entfernt, aber vermutlich kein AGN.) Diese Objekte sind so weit in der Vergangenheit des Universums, dass es noch in weiten Bereichen neutral war. Details zum neutralen Kosmos gibt es im Web-Lexikon unter dem Begriff Reionisation.

In einem verallgemeinerten Entwicklungsszenario gehen die Astrophysiker davon aus, dass (mit wenigen Ausnahmen) in jeder Galaxie ein zentrales supermassereiches Schwarzes Loch sitzt. Allerdings sind die nahen Galaxien nicht mehr aktiv, weil die supermassereichen Schwarzen Löcher nicht mehr intensiv mit Materie versorgt werden: Ohne heftiges Materieaufsammeln kommt der Aktivitätszyklus zum Erliegen. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße. Sie ist nicht aktiv, beherbergt jedoch ein SMBH mit einer Masse von etwa 3.6 Millionen Sonnenmassen, wie die Bewegungen von Sternen in unmittelbarer Nähe des Loches verraten (Eisenhauer et al. 2005). Die Umgebung der Radioquelle Sagittarius A*, die mit dem SMBH assoziiert ist, ist relativ leer, so dass das Schwarze Loch 'hungert'. Es ist nicht auszuschließen, dass die Milchstraße vor einiger Zeit einmal ein AGN war. Die Masse des galaktischen SMBH legt jedoch nahe, dass es nur ein schwacher Vertreter der AGN gewesen sein kann, beispielsweise eine Seyfert-Galaxie.

HST-Beobachtung einer Galaxienverschmelzung Schaut man immer tiefer ins Universum, so tauchen immer mehr AGN auf. Offensichtlich vollzog sich eine aktive Phase in vielen Galaxien, als das Universum noch jünger war. Neuerdings wird angenommen, dass die Verschmelzung ganzer Galaxien dabei eine wichtige Rolle spielt: Das jüngere Universum war kleiner und dichter, so dass sich auch die Galaxien näher kamen, als im ausgedehnten, lokalen Kosmos. Somit war die Wahrscheinlichkeit zu verschmelzen größer. Im Verschmelzen der Galaxien - manchmal spricht man in diesem Zusammenhang von 'galaktischem Kannibalismus' oder 'Galaxienhochzeit' - durchdringen sich die Sterneninseln gegenseitig. Es kommt dabei eher selten zu Sternkollisionen, aber es gibt dynamische Reibung und vor allem einen Gasaustausch. Galaxienkollisionen, wie hier rechts vom Weltraumteleskop Hubble fotografiert, sorgen dafür, dass das zentrale Schwarze Loch etwas zu fressen bekommt. Die Fütterung zündet den AGN.

Manchmal geschieht die Fütterung auch häppchenweise, nämlich dann wenn das Schwarze Loch einen ganzen Stern verschlingt. So etwas geschieht allerdings recht selten: etwa einmal in 10000 Jahren pro Galaxie. Dennoch konnte dieses Ereignis - bislang einmalig - beobachtet werden (Komossa et al. 2004). Die Galaxie, bei der das zentrale Loch den Stern verschluckte, war sogar kein AGN, sondern eine ganz normale, inaktive Galaxie. Als sich der Stern zu nahe an das Zentrum wagte, zerrten die Gezeitenkräfte so heftig an ihm, dass er zerrissen wurde. Die Trümmer waren eine 'willkommene Mahlzeit für das schlafende' Schwarze Loch und zündeten einen Röntgenausbruch. Es konnte nachgewiesen werden, dass Anstieg und Abfall der Helligkeit der Röntgenquelle RX J1242-1119 nur dadurch erklärt werden kann, dass ein Stern von einem Loch zerrissen wurde. Denn die plötzlich verstärkte Fütterung hat einen rapiden Anstieg der Helligkeit bewirkt. Jetzt macht das Loch wieder sein wohl verdientes Mittagsschläfchen.

Quasare - Prachtkerle unter den AGN

HST-Beobachtungen zweier Quasare OHNE Wirtsgalaxie Die bekannteste Form von aktiven Galaxien sind sicherlich die Quasare. Es handelt sich dabei um optisch punktförmige, sternartig erscheinende Objekte. Einen Eindruck vom Aussehen dieser faszinierenden Licht-Kraftwerke gibt die optische Beobachtung zweier Quasare auf dem Foto rechts (Credit: NASA/ESA/ESO, Courbin & Magain 2005, Publikation: astro-ph/0509433). Es sind jedoch keine Sterne, sondern ganze Galaxien, deren Zentren extrem hell leuchten! Die umgebende Wirts- oder Hostgalaxie - in diesem Fall eine Spiralgalaxie - ist besonders gut im rechten Exemplar HE1239-2426 erkennbar. Die Entfernung dieses Quasars beläuft sich auf etwa 1.5 Milliarden Lichtjahre.
Betrachtet man hingegen seinen Kollegen HE0450-2958 links, der sogar 5 Milliarden Lichtjahre entfernt ist, so tut man sich schwer eine Hostgalaxie auszumachen. Nur ganz oben im Bild gibt es eine diffuse Struktur, die an eine Galaxie erinnert. Die spektroskopische Analyse ergab, dass es sich um eine Gaswolke handelt - jedoch ohne Sterne! Die helle Punktquelle im oberen Teil des Bildes ist der Quasar; unten befindet sich ein Vordergrundstern (daran sieht man sehr gut die Ähnlichkeit von Quasar und Stern!). Die merkwürdige Beobachtung wurde bisher so interpretiert, dass hier eine Kollision zwischen einer Spiralgalaxie und einem massereichen Schwarzen Loch stattgefunden habe. Die Spiralgalaxie füttert das Loch und zündet den Quasar. Es ist vollkommen unklar, warum der Quasar nicht wie in den sonst beobachteten Fällen eine umgebende Galaxie mit Sternen aufweist. Neben der Quasaraktivität ist auch eine deutlich erhöhte Sternentstehungsrate feststellbar. Die Kollision hat auch die Bildung von Sternen angefacht - ein Vorgang, der immer mit Galaxienkollisionen verknüpft ist. Es bleibt eine ungewöhnliche Beobachtung eines möglicherweise 'nackten Quasars', über deren Existenz bereits in den 1990ern spekuliert wurde. Kurz und gut: Links die Ausnahme, rechts die Regel.

Die leuchtkräftigsten Quasare erreichen Leuchtkräfte von 1047 erg/s. Zum Vergleich: Diese Leistung eines einzigen Quasars entspricht der Leuchtkraft von 100 Billionen Sonnen oder der Leistung von 1031 Kernkraftwerken!
Bei der astronomischen Beobachtung mit Radiowellen zeigt sich, dass auch die Quasare ausgedehnte Quellen sind. Auf spektakuläre Weise schießen die zentralen Schwarzen Löcher gebündelte Materiestrahlen aus dem Herzen des AGN, die so genannten Jets. Quasare, die dieses Phänomen zeigen, gehören zu den radio-lauten Quasaren. Daneben existieren auch radio-leise Quasare, schwächere Vertreter mit eher unterdrückter Radiostrahlung. In den 1990er Jahren ist es mit dem Weltraumteleskop Hubble gelungen auch die nähere Umgebung der Quasare optisch aufzulösen. Dabei zeigte sich, dass sie im Innern von Galaxien ganz unterschiedlichen Morphologietyps sitzen.

Das AGN-Paradigma

In der Astronomie wird vor allem das Licht der Himmelsobjekte analysiert und auf der Grundlage der Physik erklärt. Auch bei den aktiven Galaxien werten die Astronomen Spektren aus. Dabei gibt es zahlreiche Unterschiede in den AGN-Spektren, die historisch gesehen zu unterschiedlichen Namen und eine Klassifizierung geführt haben. Ein Trend geht jedoch dahin, die unterschiedlichen Typen auf ein einziges Standardmodell zurückzuführen: das AGN-Paradigma. Dieses Modell läuft unter dem Begriff Unifikation der AGN.
Die Spektren der AGN und deren Interpretation führten sukzessiv zu einem einheitlichen Bild von AGN, das verschiedene, wesentliche Elemente aufweist. Alle Elemente sind in mehr oder weniger starker Ausprägung bei jedem AGN vorhanden. Die folgende, schematische Abbildung zeigt diese Elemente, wobei zu Illustrationszwecken in der Vertikalen und Horizontalen eine logarithmische Skala berücksichtigt werden muss: Von außen kommend findet man zunächst die Jets auf der Mpc- bis kpc-Skala. Dann beginnt auf der Höhe des kalten Staubtorus die pc-Skala, innen im Bereich der Standardscheibe ist die sub-pc-Skala, die schließlich bei wenigen Gravitationsradien (1 rg = GM/c2) direkt am Ereignishorizont des Schwarzen Loches endet. Im Weiteren werden die wesentlichen Elemente von außen nach innen vorstellt:

2D-Schnitt durch einen Aktiven Galaktischen Kern bis zur pc-Skala

Jets

Die Jets erstrecken sich bis auf die größten Längenskalen bei den AGN, bis auf die Mpc-Skala, also mit Ausdehnungen von Millionen von Lichtjahren. Damit sind es die größten Teilchenbeschleuniger des Universums! Es handelt sich um gebündelte (kollimierte) Materieströme, die tief im Innern des AGN, direkt vor dem supermassereichen Schwarzen Loch entstehen. Als Ganzes sind sie quasi-neutral, bestehen jedoch lokal aus elektrischen Ladungen, vor allem Elektronen, Positronen und Protonen (Plasmen), aber auch weiteren chemischen Elementen, die durch Magnetfelder beschleunigt und zu einem Materiestrahl gebündelt werden. Jets wurden in der theoretischen Astrophysik eingehend untersucht und simuliert, aber ihre Entstehung birgt noch viele ungelöste Fragen. Nach Versuchen, sie nur mit Gesetzen der Hydrodynamik oder mittels Fliehkräften (zentrifugal) zu treiben, stellte sich heraus, dass dies nicht ausreicht, um die Beobachtungen zu erklären. Die extrem hohen, relativistischen Geschwindigkeiten der AGN-Jets sind so nicht zu erklären. Das aktuell favorisierte Modell sieht vor, dass sie magnetisch angetrieben werden. Im Rahmen der Theorie nutzen die Astrophysiker eine um magnetische und elektrische Effekte erweiterte Hydrodynamik: die so genannte Magnetohydrodynamik (MHD). Diese Theorie erlaubt eine Beschreibung von turbulent strömenden Plasmen, deren Dynamik von elektrischen und magnetischen Feldern beeinflusst wird. Die neusten Zugänge seit 1999 berücksichtigen sogar die gekrümmte Raumzeit, die insbesondere direkt vor dem Schwarzen Loch wichtig wird - dort, wo die Jets entstehen. Diese Theorie wird als General Relativistic Magnetohydrodynamics, GRMHD, bezeichnet (siehe meine Dissertation als pdf).

Blandford-Payne-Szenario

Es gibt zwei MHD-Szenarien, die vorgeschlagen wurden, um die Jetentstehung zu erklären: Das einfallende Plasma sammelt sich in der Akkretionsscheibe an. Magnetische Feldlinien (Flussröhren) durchstoßen die Scheibenoberfläche und produzieren einen Teilchenwind, der mit dem Sonnenwind vergleichbar ist. Da die Scheibe rotiert sind die Windgeschwindigkeiten direkt an der Scheibe vergleichbar mit der Rotationsgeschwindigkeit am jeweiligen Radius, der Kepler-Geschwindigkeit vkep~r-0.5. Durch Nachbeschleunigungen kann der Ausfluss deutlich schneller werden. Dieses erste Modell ist in der Literatur bekannt als Blandford-Payne-Szenario und wurde bereits 1982 formuliert. Es wird nicht nur für AGN, sondern allgemein in der MHD-Akkretion angewendet. Dieses Modell ist insbesondere unabhängig von der Existenz eines Schwarzen Loches.

Blandford-Znajek-Mechanismus

Eine Schlüsseleigenschaft des zentralen superschweren Schwarzen Loches im Herzen des AGN ist die Rotation. Diese Kerr-Löcher zwingen allem die Rotation auf, weil die gekrümmte Raumzeit selbst rotiert. In der Ergosphäre des schnell rotierenden Loches, sozusagen 'vor der Haustür des dunklen Abgrunds', werden Magnetfelder aufgewickelt. Die Felder werden vernichtet und übertragen ihre Energie auf das Material in der Umgebung. Energieflüsse, die so genannten Poynting-Flüsse, bewegen sich trichterförmig nach außen und reißen das akkretierte Plasma mit. Damit ist klar: Schwarze Löcher verschlucken nicht alles, wie gerne gemeinhin angenommen wird, sondern sie bilden zusammen mit dem anströmenden, magnetisierten Material 'magnetische Schleudern' für beinahe lichtschnelle Materieströmungen. Dabei hat auch die Akkretion eine wichtige Funktion, denn sie bringt die Materie aus großer Entfernung zum Loch. Es muss festgehalten werden, dass der größere Anteil der einfallenden Materie in das Loch tatsächlich hineinfällt und es mit mehr Masse anreichert. Dadurch wächst das Schwarze Loch und vergrößert auch seinen Einflussbereich (der Schwarzschild-Radius skaliert linear mit der Lochmasse).
Was ist in diesem Fall die Energiequelle für den Jet? Das Loch, genauer gesagt seine Rotationsenergie. Das Aufwickeln der Magnetfeldlinien geht zu Lasten der Lochrotation. Das Katapultieren des Jets kostet Rotationsenergie, so dass sich das Kerr-Loch langsamer dreht. Es gewinnt jedoch wieder an Rotation, weil es mit Materie erneut gefüttert wird, die Drehimpuls mitbringt. In der Literatur heißt dieses zweite Modell Blandford-Znajek-Mechanismus. Es wurde schon 1977 in der theoretischen Astrophysik formuliert.

Bündelung & Ablenkung

VLA-Radiobeobachtung des Quasars 3C334 Das ausfließende Plasma wird vor allem durch Lorentz-Kräfte von der breiten Trichterform auf einen gebündelten Materiestrahl kollimiert. Dies geschieht bei typischen Abständen von etwa 100 Schwarzschild-Radien, also rund 0.01 pc ~ 2000 AU bei einem zentralen Schwarzen Loch von einer Milliarde Sonnenmassen. Der Jet ist nicht unbedingt ein glatter Materiestrahl. Zahlreiche Radioquellen zeigen Jets mit interessanten Strukturen, z.B. abgelenkte Jets, die mit der so genannten Kink-Instabilität der MHD assoziiert sind. Der radio-laute Quasar 3C334, hier links im Bild, wurde 1996 mit dem Radioteleskop Very Large Array beobachtet. Das Radiofoto zeigt beim Jet links unten genau den Kink-Effekt.
Weiterhin gibt es Emissionsknoten entlang des Jets, die vermutlich mit inneren (schrägen) Schockwellen im Jetstrahl zusammenhängen und abwechselnd Überdichten und Unterdichten erzeugen. Hot Spots sind heiße Gebiete, die dort entstehen, wo die Jetspitze aus relativistischem Plasma auf das intergalaktische Medium (IGM) trifft. 3C334 zeigt links unten und rechts oben Hot Spots - die hellen weißen Flecken. Der helle Fleck in der Bildmitte ist übrigens das Herz des AGN, wo sich auch das SMBH befindet. Der Jet rechts ist nicht sichtbar, weil er sich vom astronomischen Beobachter entfernt. Der Doppler-Effekt unterdrückt dann die Emission dieses so genannten Counter-Jets. Außerdem gibt es Strukturen namens Lobes, ausgedehnte Bogenstrukturen (ebenfalls im Foto zu erkennen) und einen Kokon, der das ausströmende Jetplasma umhüllt, in dem aber das Jetplasma wieder zurück zur Quelle strömt.
Astrophysiker untersuchen mit aufwendigen Computersimulationen, wie diese Strukturen zustande kommen und welche Spektren zu erwarten sind.

Ladungen, die sich in Magnetfeldern beschleunigt bewegen emittieren Synchrotronstrahlung, die man von irdischen Teilchenbeschleunigern kennt und auch nach diesen benannt hat. Durch die beobachtete Synchrotronemission kann der Astronom die Jets der Radiogalaxien, radio-lauten Quasare, Blazare und BL Lac Objekte nachweisen. Sie erscheinen als ausgedehnte Quellen.
Das konservative Modell basiert auf leptonischer Synchrotronstrahlung, d.h. der Jet emittiert Radiostrahlung von Elektronen und Positronen. Daneben werden auch Quellen (insbesondere TeV-Blazare) diskutiert, die hadronische Synchrotronstrahlung abgeben, nämlich von den Protonen im Jet.

Temposünder: leichte Teilchen

Weitere (allerdings mikroskopische) Beschleunigungsmechanismen sind die Fermi-Prozesse: das Plasma kann durch Schockwellen oder Turbulenzen im Plasma beschleunigt werden. Auf diese Weise erhalten wenige Protonen im Jetstrahl genug Bewegungsenergie, um über sekundäre Zerfallsprodukte schließlich ultrahochenergetische Teilchen, besonders Neutrinos hervorzubringen. Diese Neutrinos haben Energien von etwa einer Billiarde Elektronenvolt. Das wäre ein gefundenes Fressen für jede Radarfalle! Die Physiker hoffen bald auch diese Teilchen aus dem AGN-Jet beobachten zu können. Dazu verwenden Sie Neutrinodetektoren in der Antarktis (AMANDA, ICECUBE) und im Mittelmeer (NESTOR, DUMAND) und im Baikalsee (NT-200).

Staubtorus

Auf der kpc- bis pc-Skala (oder 104 Gravitationsradien) befindet sich der rotierende Staubtorus, ein gigantisches, schlauchförmiges (toroidales) Materiereservoir mit einer Masse von etwa 104 bis 108 Sonnenmassen, je nach AGN. Der Staub stammt von vielen Riesensternen, die ihn in die Umgebung abgaben. Der Staub ist mit 1000 Grad relativ kalt und besteht daher auch aus Molekülen wie den Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAHs), Silikaten und Graphit. Der Staubtorus hat zwei hervorstechende Merkmale: er ist kaum durchsichtig oder optisch dick wie die Astronomen sagen (siehe dazu auch optische Tiefe), und er ist auch geometrisch dick, was so viel wie 'nicht abgeflacht' bedeuten soll. An diesem Material finden Streuprozesse statt, so dass die hochenergetische Strahlung (UV-, Röntgen-, Gammastrahlung) aus dem Innern zu kleineren Energien gestreut wird und meist im Infrarot zu beobachten ist. In der Theorie werden diese Prozesse mit Strahlungstransport-Gleichungen simuliert und mit Infrarotbeobachtungen verglichen (Schartmann et al., astro-ph/0504105).

Zweiteilung der AGN

Der Staubtorus sorgt je nach Orientierung zum Beobachter dafür, dass der Blick ins Innere des AGNs entweder frei ist, nämlich bei kleinen Neigungen (Inklinationen), oder verwehrt wird, bei hoher Neigung. Dies sorgt für die eine Zweiteilung (Dichotomie) der AGN in AGN Typ-1 (kleine Inklination) und AGN Typ-2 (hohe Inklination). Astronomen definieren auch Typen dazwischen, bei mittleren Inklinationen (z.B. Typ 1.6).
Optisch wurde das erstmals anhand der Detektierbarkeit von Gebieten breiter Emissionslinien (engl. broad line region, BLR) gegenüber von Gebieten schmaler Emissionslinien (engl. narrow line region, NLR) entdeckt. Die BLRs sind Gebiete, wo sich das emittierende Plasma sehr schnell bewegt, mit Geschwindigkeiten von einigen tausend Kilometern pro Sekunde. Daher wird die Emissionslinie durch den Doppler-Effekt verbreitert. Die BLRs befinden sich tief im Innern des AGN, weil nur dort der Akkretionsfluss bzw. frei fallende Wolken diese hohen Geschwindigkeiten erreichen. Deshalb können die BLRs nur bei kleinen Neigungen im Spektrum beobachtet werden, also dann, wenn man gewissermaßen entlang der Jetachse beobachtet. Fehlen die BLRs, so ist das ein Indiz dafür, dass sie der Staubtorus abdeckt und eine signifikant hohe Inklination vorliegt. Die Astronomen verwenden in der BLR-NLR-Diagnostik Spektrallinien von Wasserstoff, z.B. Hβ bei 486 nm Wellenlänge, oder diejenigen von Sauerstoff (zweifach ionisierter, OIII) bei 501 nm.

Torus und Scheibe - Nichts ist für die Ewigkeit

Die Inklination der inneren Akkretionsscheibe muss nicht notwendig mit derjenigen des Staubtorus übereinstimmen. So kann der Bardeen-Petterson-Effekt die Akkretionsscheibe deutlich in sich verbiegen (warped disks). Die innere Akkretionsscheibe wird vor allem in der Röntgenastronomie mit relativistischen Emissionslinien vermessen. Die gemessenen Linienprofile verraten Eigenschaften von Loch und Scheibe.
Die Toruskonfiguration ist eine natürliche Geometrie, die die interstellare Materie dann annimmt, wenn sie etwa konstanten spezifischen Drehimpuls hat. Am Innenrand ist der Staubtorus 'abgefressen', weil die heiße Strahlung aus dem Innern den Staub sublimiert.
Der sich drehende Torus ist jedoch nicht stabil: Eine Instabilität der Hydrodynamik, die so genannte Papaloizou-Pringle-Instabilität (PPI) sorgt dafür, dass immer wieder Material vom Staubtorus zum Innern des AGN gelangt.
Die weitaus wichtigere Instabilität operiert im Rahmen der MHD und heißt magnetische Rotationsinstabilität (MRI). Sie funktioniert bestens in magnetisierten Akkretionsscheiben, die aus einem rotierenden Plasma bestehen, weil die zwei Zutaten der MRI lediglich differenzielle Rotation und schwache Magnetfelder sind. Die MRI treibt dann magnetisch (nicht hydrodynamisch) Turbulenz und bewirkt einen nach außen gerichteten Drehimpulstransport. Das ist gerade die Voraussetzung um ins Zentrum des AGN und schließlich ins Schwarze Loch zu fallen.

Eine infrarote Spektrallinie als Orientierungshilfe

Auch die Infrarotastronomen haben Belege gefunden, um das AGN-Unifikationsmodell inklusive unterschiedlich geneigtem Torus zu stützen (Siebenmorgen et al., astro-ph/0504263). Dazu kam das neue Weltraumteleskop Spitzer zum Einsatz. Silizium zeigt bei 10 Mikrometern eine starke Spektrallinie (10 micron feature). Mit Spitzer gelang es bei ein paar Quasaren nachzuweisen, dass diese charakteristische Spektrallinie bei AGN Typ-1 in Emission zu beobachten ist, während sie sich bei AGN Typ-2 in Absorption zeigt. Das ist geometrisch leicht zu interpretieren: Je nach Orientierung des Staubtorus zum Beobachter wird die hochenergetische UVXGamma-Strahlung aus dem Zentrum des AGN am Staubtorus reflektiert, so dass die Siliziumlinie in Emission im Spektrum auftaucht; oder sie wird durch den Torus gestreut, so dass der Astronom sie in Absorption sieht.

Damit können sowohl optische als auch Infrarotbeobachtungen das rein geometrische AGN-Unifikationsmodell mit Staubtorus stützen, das die Zweiteilung in AGN Typ-1 und Typ-2 nur als Orientierungseffekt deutet und das übrigens maßgeblich von Antonucci & Miller (1985) entwickelt wurde.
Tiefe Beobachtungen des Kosmos mit den Röntgenteleskopen XMM-Newton und Chandra - so genannte X-ray deep fields - deuten allerdings an, dass es so einfach nicht sein kann: Denn die Anzahl der AGN Typ-2 nimmt mit zunehmender Röntgenleuchtkraft ab (Ueda et al. 2003, Szokoly et al. 2004), was rein geometrisch nicht zu erklären ist. Offensichtlich spielen auch Entwicklungseffekte der AGN eine Rolle. Das ist aktuelle Forschung auf dem Gebiet der aktiven Galaxien.

Akkretionsscheibe

Auf dem Weg vom Staubtorus ins Zentrum des AGN wird das einfallende Material immer heißer. Zunächst kann der Einfall quasi-sphärisch mithilfe der Bondi-Akkretion beschrieben werden. Weil die Materie aber Drehimpuls besitzt, der inwärts immer mehr zunimmt (Kepler-Gesetze), ordnet sie sich in einem flachen Gebilde an: der Akkretionsscheibe. Sie ist auch deshalb vertikal kollabiert, weil Strahlungsprozesse die Scheibe effizient kühlen. Ein üblicher Zugang einer Beschreibung ist die Standardscheibe (Shakura-Sunyaev Disk, SSD). Sie erstreckt sich von etwa 103 bis wenige Gravitationsradien und weist eine sehr geringe vertikale Dicke (Skalenhöhe) auf. Im Innern bläht sich infolge der hohen Temperaturen der Akkretionsfluss wieder auf und nimmt wieder eine kugelige oder schlauchförmige Form an. Die genaue Geometrie hängt von verschiedenen Parametern, vor allem von der Akkretionsrate (einfallende Masse pro Zeit), der Masse des supermassereichen Schwarzen Loches, der Effizienz von Strahlungsprozessen, der Wärmeleitung und nicht zuletzt der Geometrie der Raumzeit ab.

Die theoretischen Astrophysiker versuchen auch hier mithilfe der Hydrodynamik (HD) und Magnetohydrodynamik (MHD) die globale Struktur und die thermodynamischen Eigenschaften des Akkretionsflusses von der kpc-Skala bis auf kleinste Skalen nahe dem Horizont des zentralen Schwarzen Loches zu entschlüsseln. Bisher wurde der Parameterraum nur in Nischen studiert und je nach Modell fanden sich für den Akkretionsfluss verschiedene Akronyme, wie ADAF (Advection Dominated Accretion Flow), ADIOS (Adiabatic Inflow-Outflow Solution), CDAF (Convective Dominated Accretion Flow), ISAF (Ion-Supported Accretion Flow), TDAT (Truncated Disk - Advective Tori), NRAF (Non-Radiative Accretion Flow). Details zu diesen Bereichen der Akkretionsphysik werden unter Akkretion - Materie am Abgrund erörtert.
Hauptproblem ist, dass im Zentrum des AGN, dort, wo das Gros der enormen Strahlung entsteht, sowohl die Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie, als auch der Strahlungsphysik korrekt berücksichtigt werden müssen. Die dazugehörigen Gleichungen der radiativen GRMHD wurden bislang nicht in der theoretischen Astrophysik gelöst.

Scheibenwind

Der Scheibenwind ist mit der magnetisierten Akkretionsscheibe assoziiert. An deren Oberfläche der Scheibe sorgen MHD-Wellen, vergleichbar dem Sonnenwind in der solaren MHD, für eine Teilchenemission aus der Scheibe (s.o.: Blandford-Payne-Szenario). Großskalige Magnetfelder reißen diese Ladungen mit und hüllen die Akkretionsscheibe in einer Art Wolke ein. Gelingt deren weitere Beschleunigung, so können sie den Jet speisen.

Korona

Die Korona ist ein besonders heiße Strahlungsquelle im Innern des AGN, die sehr am zentralen Schwarzen Loch lokalisiert sein muss. Ihre genaue Geometrie ist nicht geklärt. Von der Beobachtung wissen die Astronomen, dass die Korona besondere harte Photonen im Bereich der Röntgenstrahlung abgibt und zwar im Energiebereich zwischen 1 und einigen 100 keV. Im Spektrum taucht die koronale Strahlung als Kontinuum auf.

Aus rot mach' blau

Die meisten Astrophysiker vermuten, dass die Korona mit einem heißen Akkretionsfluss assoziiert ist, der optisch dünn, also nahezu durchsichtig, ist. Ein guter Kandidat dafür ist der so genannte advektionsdominierte Akkretionsfluss (ADAF). Dieser Akkretionsfluss wird so schlecht durch Emission von Strahlung gekühlt, dass er sich stark aufheizt. Dieses Gas ist transparent für einige Photonen, so dass sie an den heißen Elektronen im Gas gestreut werden. Bei der so genannten inversen Compton-Streuung - oder Comptonisierung wie die Astronomen sagen - dringen Photonen aus der Umgebung in die Korona ein, nehmen kinetische Energie von den Elektronen im Streuakt auf und verlassen die Korona wieder als Lichtteilchen höherer Energie. Die 'kalten Saatphotonen' können z.B. von der Akkretionsscheibe oder der kosmischen Hintergrundstrahlung kommen. Die Strahlung vieler solcher Comptonisierter Photonen summiert sich zum Compton-Kontinuum in AGN-Spektren.

Kalte Spiegel

Die harte Primärstrahlung der Korona wechselwirkt mit der Umgebung und trifft beispielsweise auf die Akkretionsscheibe - falls sie räumlich nahe genug ist. Die Akkretionsscheibe ist im Vergleich zur Korona deutlich kälter und wirkt wie ein Spiegel, der die Koronastrahlung reflektiert. Dabei entstehen auch besondere Fluoreszenzlinien, die Röntgen-K-Linien bei etwa 5 bis 7 keV. Die prominenteste, weil stärkste, ist die neutrale Eisenlinie (Fe Kα) mit einer Energie von 6.4 keV.

Gegenwart des Lochs verbreitert Spektrallinien

Entstehen die Emissionslinien sehr nahe am Schwarzen Loch werden sie stark von relativistischen Effekten beeinflusst und verbreitert sowie deformiert. Doppler-Effekt plus Blauverschiebung plus Gravitationsrotverschiebung verzerren eine scharfe (monochromatische) Linie im Ruhesystem des Emitters zu einem asymmetrischen, breiten 'Buckel' im Beobachtersystem wie die nächste Abbildung demonstriert. Die Krümmung der Raumzeit, die Neigung der inneren Akkretionsscheibe zum Beobachter und das Geschwindigkeitsfeld des akkretierten Plasmas werden wie ein Fingerabdruck in die Linie eingeprägt. Röntgenastronomen nutzen diese Fluoreszenzlinien als Werkzeug, um Parameter akkretierender Schwarzer Löcher zu messen, z.B. Scheibeninnenrand und -außenrand, Scheibenneigung und Lochrotation.

Aus Scharfer Zacke wird breiter Buckel

Gestalt der Korona?

Um Näheres über die Form und den Ort der Korona zu erfahren, bemühen die Astronomen eine Reihe ausgefeilter Methoden: Eine spezielle Beobachtungstechnik heißt Reverberation mapping. Dabei vergleicht man die Ankunftszeiten direkter Strahlung der Korona mit an der ionisierten Akkretionsscheibe reflektierter Koronalstrahlung. Es resultiert aus den unterschiedlichen Ankunftszeiten eine geometrische Information, die jedoch hochauflösender Teleskope bedarf.
Verschiedene Geometrien für die Korona wurden vorgeschlagen: das Slab-Corona-Modell sieht vor, dass direkt auf der Akkretionsscheibe eine heiße Schicht liegt, die die Korona ausmacht. Dieses Modell wurde jedoch verworfen, weil die Comptonisierung dann zu stark ausfallen würde, was die Spektren jedoch nicht belegen. Das Sphere+Disk-Corona-Modell legt nahe, dass eine flache Akkretionsscheibe mit einem kugeligen Objekt, der Korona, in großer räumlicher Nähe steht. Spezielle Formen von Akkretionsströmungen, ADAF und TDAT, könnten mit dieser Geometrie vereinbar sein. Die Beleuchtungsbedingungen von Korona auf kalte Scheibe, die zur Emission von Fluoreszenzlinien führen, wären ebenfalls gut erfüllt. Ein letztes Szenario ist das Patchy-Corona-Modell, das im Prinzip eine Modifikation des Slab-Corona-Modells ist: die Oberfläche weist dann (ähnlich wie bei der Sonne) koronale Löcher auf, die die Effizienz der Comptonisierung herabsetzen und so besser zu den Beobachtungen passen. Eine graphische Zusammenstellung dieser Korona-Modelle befindet sich im Lexikoneintrag Korona.

Supermassereiches Schwarzes Loch

Das zentrale supermassereiche Schwarze Loch ist der Motor des AGN. In diesen tiefen Potentialtopf fällt die akkretierte Materie. Wie bei einem fallenden Körper im Schwerefeld der Erde wird die potentielle Energie umgewandelt in kinetische Energie - und im Fall der Akkretion schließlich in Strahlungsenergie. Dabei gibt es noch vor Erreichen des Ereignishorizonts so heftige Strahlungsprozesse, das daraus die enorme Helligkeit der AGN resultiert. Akkretion reichert das Schwarze Loch mit noch mehr Masse an, dadurch wächst es, weil der Ereignishorizont immer mehr aufgebläht wird.

Lochrotation ist bedeutsam

Die Rotation des zentralen Schwarzen Loches ist für viele physikalische Prozesse in AGN vital, z.B. der Jet-Entstehung in einer schnell rotierenden Zone direkt am Loch, der Ergosphäre. Die Beobachtungen von Eisen-Fluoreszenzlinien legen ebenfalls eine Rotation des Schwarzen Loches nahe, die nahe am von der Kausalität erlaubten Limit liegt (Kerr-Parameter knapp 1). Die Rotation des Loches ist auch plausibel, weil die einfallende Materie Drehimpuls besitzt, den das Schwarze Loch mit der Akkretion aufnimmt. Da die zentralen Löcher der AGN schon über sehr lange Zeiträume akkretieren, ist zu erwarten, dass sie dicht am extremen Kerr-Fall a ~ 1 liegen. Im Regime der MHD-Akkretion wird ein maximaler Kerr-Parameter von etwa a ~ 0.95 erreicht (Shapiro 2005, astro-ph/0411156).

Große Dunkelheit

Die Ausdehnungen des Ereignishorizontes gehören zu den größten im Universum: Je nach AGN-Typus und Rotationszustand des Loches reichen die Horizontradien von etwa 3 Millionen Kilometern oder 0.02 AU für ein Loch mit 106 Sonnenmassen bis etwa 30 Milliarden Kilometer oder 200 AU für eines mit 1010 Sonnenmassen (1 Astronomische Einheit entspricht dem mittleren Abstand der Erde zur Sonne: 150 Millionen Kilometer). Die gigantischen Ausdehnungen für Schwarze Löcher wie im letzten Fall werden beispielsweise von der riesigen elliptischen Galaxie M87 im Zentrum des Virgo-Galaxienhaufens oder vom am weitesten entfernten AGN, dem SDSS-Quasar J1148+5251 mit einer Rotverschiebung von z = 6.41 erreicht. Ein optisches Foto von M87, aufgenommen mit dem Weltraumteleskop Hubble zeigt gerade das Titelbild dieses Artikels. Neben der hellen Zentralquelle sieht man sogar den beeindruckenden Jet im Optischen!

AGN-Typen

Historisch ergab sich eine Einteilung in verschiedene AGN-Typen aufgrund spektraler Unterschiede. Die Unterschiede können im Fehlen bestimmter spektraler Komponenten oder deren unterschiedliche Ausprägung ('Helligkeit') bestehen. Außerdem gibt es morphologische Unterschiede bei den AGN, wenn deren Auflösung gelingt.
Die Astronomen benutzen folgende AGN-Klassen:

Eine tabellarische Übersicht zeigt diese Typen und stellt in knapper Form die Taxonomie der AGN mit einigen Beispielen dar. Die Markariangalaxien tauchen nicht auf, weil dieser Ausdruck nicht mehr gebräuchlich ist (Archaismus der Astronomie). Heute zählen die Astronomen die Markariangalaxien zu den Seyfert-Galaxien.
Die Links in der Auflistung oben verweisen auf das Astro-Lexikon, das die AGN-Typen genauer beschreibt.

Strahlungsprozesse in AGN

Es gibt eine große Vielfalt möglicher Strahlungsmechanismen, die in AGN ablaufen können:

thermisch

Jede Form von Materie emittiert thermische Strahlung (Wärmestrahlung), weil sie eine endliche Temperatur aufweist. Es handelt sich um einen Schwarzen Strahler (engl. black body), dem eine charakteristisch zur jeweiligen Temperatur eine Plancksche Strahlungsverteilung zugeordnet ist. Diesem Gesetz gehorchen alle Wärmestrahler. Die heißesten Körper geben die Wärmestrahlung als Röntgenstrahlung ab.
Die dünne Akkretionsscheibe weist eine nach innen zunehmende Temperaturverteilung auf. Nun kann man sich die Scheibe in Ringe konstanter Temperatur zerlegt vorstellen, wobei jeder Ring seine eigene charakteristische Planck-Kurve hat. Das thermische Spektrum der ganzen Akkretionsscheibe ist also eine Überlagerung dieser einzelnen Planck-Kurven - ein so genannter Multi-color black body - die wie ein 'breiter Buckel' im Spektrum erscheint. Reicht die Akkretionsscheibe nahe an das Zentrum des AGN heran, so macht sich dieser Buckel als Weicher Exzess (engl. soft excess) im Röntgenspektrum bemerkbar.

nicht-thermisch

Eine Form nicht-thermischer Emission ist die Synchrotronstrahlung. Sie entsteht immer dann, wenn sich Ladungen in Magnetfeldern beschleunigt bewegen. Diese Strahlung kann man durch Polarisationsmessungen bestätigen, weil sie stets linear polarisiert ist. Bewegt sich die Ladung mit relativistischen Geschwindigkeiten, so ist die Strahlung in Bewegungsrichtung kollimiert (Beaming, siehe auch Blauverschiebung). Die Synchrotronstrahlung der Elektronen ist von besonderer Relevanz, weil sie einerseits auf kurzen Zeitskalen den heißen Akkretionsfluss effizient kühlt und andererseits den größten Teil der Strahlungsemission im Jet ausmacht.

Bremsstrahlung tritt immer dann auf, wenn schnelle, elektrisch geladene Teilchen abrupt abgebremst oder abgelenkt werden. Diese Strahlungsform ist besonders bei den Jets wichtig, wo Jetplasma auf Umgebungsplasma trifft (z.B. am Bugschock).

Das Comptonisierte Kontinuum hat wie bereits beschrieben folgende Ursache: Weiche Photonen (SX in der Abbildung) der kalten, geometrisch dünnen und optisch dicken Scheibe (Standardscheibe, kurz SSD, s.o.) dienen als Eingangsstrahlung, die in der heißen Korona Comptonisiert wird, also durch inverse Compton-Streuung Energie gewinnt (CX in der Abbildung). Dieser Mechanismus wird in der Theorie mit einer Integro-Differentialgleichung, der Kompaneets-Gleichung, beschrieben, die für solche Geometrien, Elektronenverteilungen und Strahlung numerisch gelöst werden muss. Das Resultat ist ein typisches Röntgen-Gamma-Spektrum mit einem charakteristischen exponentiellen Abfall bei einigen 100 keV. Dieser Cut-off lässt bei vorhandenen Röntgendaten (beispielsweise von den Röntgenobservatorien ASCA, ROSAT, Chandra oder XMM-Newton) direkt die Plasmatemperatur ablesen.
Die Strahlung aus der Korona kann auch an der optisch dicken Scheibe reflektiert werden (RX in der Abbildung). Direkte Strahlung von sämtlichen Komponenten ist natürlich auch detektierbar (HX in der Abbildung).

SSD meets ADAF

Der kleine Kasten in der Abbildung vergrößert einen interessanten Bereich, wo die dünne, rotierende Standardscheibe in den aufgeblähten, heißen, ebenfalls rotierenden Akkretionsfluss hineintaucht. Diese Geometrie ist nicht zwingend, kann aber unter gewissen Umständen auftreten. Eine solche Sandwich-Konfiguration wird bei den Experten SSD-ADAF transition, also Übergangszone von Standardscheibe nach advektionsdominierten Akkretionsfluss genannt. Der Übergang ist zeitabhängig und schwingt in radialer Richtung hin und her. Das sorgt auch für eine variable Strahlung aus dieser Region. Dieses räumliche Hin- und Herschwingen ist eventuell eine Ursache (von weiteren Möglichkeiten, z.B. Lense-Thirring-Effekt) für die quasi-periodischen Oszillationen (QPOs), die die Röntgenastronomen in so genannten Powerspektren beobachten. Powerspektren sind im Prinzip die Fourier-Transformierten der Lichtkurve und zeigen periodische Vorgänge als scharfe Spitzen. Die QPO-Frequenzen sind bei den AGN jedoch vermutlich zu klein. In ihrem viel kleineren, stellaren Analog, den Mikroquasaren, wo ein stellares Schwarzes Loch die Materie eines nahen Begleitsterns akkretiert, sind die QPO-Frequenzen groß genug, um beobachtbar zu sein. Ein prominentes Beispiel ist der Röntgendoppelstern Cygnus X-1. Die Mikroquasare sind wesentliche Studienobjekte auch für die AGN-Physiker, weil sie eine ähnliche Physik aufweisen (jedoch keinen Staubtorus) und die Quellen viel näher (innerhalb der Milchstraße!) und damit besser beobachtbar sind.

AGN-Entwicklung und Wachstum Schwarzer Löcher

Mittlerweile ist ein Wettbewerb im Aufstellen von Distanzrekorden zwischen 'normalen' Galaxien und Quasaren entbrannt, der sich etwa halbjährlich neu definiert. Ausgedehnte Beobachtungen und eine statistische Auswertung umfangreicher Himmelsdurchmusterungen - die Astronomen nennen sie Surveys - haben ergeben, dass Quasare bei einer Rotverschiebung von etwa z ~ 2 am häufigsten vorkommen. Davor und danach gab es jeweils weniger Quasare. Extrem lang belichtete Röntgenbeobachtungen mit XMM (X-ray Deep Fields) haben gezeigt, dass es die Häufigkeit der jeweiligen AGN-Klasse erstaunlicherweise von der Leuchtkraft abhängt (Hasinger et al. 2005, astro-ph/0506118; siehe auch Müller & Hasinger 2005, Konferenzbeitrag: astro-ph/0510446). Die hellsten Quasare betraten die kosmische Bühne viel früher als ihre leuchtschwächeren Brüder, wie z.B. die Seyfert-Galaxien. Besonders zahlreich sind die Quasare bei z ~ 2, während die Seyferts erst bei z ~ 0.7 oft vorkommen. Mithilfe des Eddington-Kriteriums, einer Relation aus der Akkretionsphysik, kann man nun folgern, dass entsprechend auch die schwereren Schwarzen Löcher früher im Kosmos auftraten als leichteren. Das klingt zunächst verwirrend, weil man ja erwarten würde, dass aus kleinen große Schwarze Löcher werden - was man als hierarchisches Wachstum bezeichnet. Doch die Beobachtungen besagen zurzeit, dass es wohl anders vonstatten ging: Wie auf dem Schulhof in der Pause haben sich erst die Großen vorgedrängelt, dann kamen die Kleinen an die Reihe. Die Natur bevorzugt offensichtlich ein antihierarchisches Wachstum: sehr schwere Schwarze Löcher waren vor den weniger schweren da (siehe dazu Einzelheiten unter Schwarze Löcher und Kosmologie).

Die Forschung stößt hier auf Neuland: Moderne Hightech-Teleskope zeigen unerwartete Vorgänge im jungen Universum. Die Quasare im Besonderen und AGN im Allgemeinen gehören zu den wichtigsten Objekten in der Kosmologie, um das frühe Universum zu erforschen. Denn das Licht dieser hellsten Leuchtfeuer verrät viel über diese rätselhaften Objekte: ihre Struktur, ihr Milieu und ihre Entwicklung.

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Andreas Müller © Andreas Müller, August 2007