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Schwarze Löcher -

Das dunkelste Geheimnis der Gravitation


Computersimulation einer leuchtenden, um 40 Grad geneigten Materiescheibe um rotierendes Schwarzes Loch

pdfpdf (1.8 MB)

Akkretion - Materie am Abgrund

Simulierte Emission eines um 80 Grad geneigten Materierings direkt am rotierenden Schwarzen Loch

Schwarze Löcher sind Schwerkraftfallen: Alles, was ihnen zu nahe kommt, ob Materieteilchen oder Licht, ist verloren. Aus der Ferne betrachtet kann man sagen, dass sie sogar die Zeit schlucken!

Gehen wir nun der Frage nach, weshalb Materie überhaupt in ein Schwarzes Loch fällt und welche Materieströmungen sich dabei ausbilden. Diese Frage ist Gegenstand der Akkretionsphysik. Als Akkretion (lat. accrescere: hinzuwachsen) bezeichnen die Astrophysiker gerade den Vorgang, dass ein massebehaftetes Objekt Materie aufsammelt. Neben Sternen (insbesondere Protosternen) und kompakten Objekten (Weiße Zwerge, Neutronensterne, Fermionenstern, Bosonenstern, Quarksterne) kann der Akkretor ein Schwarzes Loch sein. Der Materiestrom wird auch Akkretionsfluss (engl. accretion flow) genannt. Dieser Begriff ist fast schon eine Metapher und mit Bedacht gewählt, denn tatsächlich kann man auf ein Schwarzes Loch einfallende Materie beschreiben wie eine strömende Flüssigkeit. Die Gesetze der Hydrodynamik werden also in der theoretischen Beschreibung der Akkretion benötigt. Das reicht allerdings nicht, wie wir in diesem Kapitel erkennen werden.

Kosmische Davids und Goliaths

Im Wesentlichen kann man zwei Typen von akkretierenden Schwarzen Löchern unterscheiden: stellare und supermassereiche Schwarze Löcher. Sie wurden bereits im Kapitel Massenskala detailliert beschrieben.
Im ersten Fall akkretieren die Löcher Materie eines Begleitsterns, der z.B. sein Roche-Volumen überschreitet oder einen starken Sternwind auf das Loch bläst. Bei stellaren Systemen sind die Längenskalen viel kleiner und liegen im Bereich von einigen Astronomischen Einheiten (1 AU ~ 150 Mio. km).
Im zweiten Fall handelt sitzt ein deutlich schwereres Loch im Zentrum einer Galaxie. Dort wird es entweder 'gefüttert' und ist aktiv, so dass es die enormen Leuchtkräfte eines Aktiven Galaktischen Kerns (AGN) erzeugt. Oder das Loch 'hungert' und ist inaktiv (engl. quiescent), wie es bei den zahlreichen supermassereichen Schwarzen Löchern in den Zentren normaler Galaxien der Fall ist. Ein solches, 'schlafendes' (engl. dormant) Schwarzes Loch von etwa drei Millionen Sonnenmassen lauert im Zentrum unserer Heimatgalaxie.

Eine Mahlzeit für das Loch

Ein Schwarzes Loch, das gefüttert wird, benötigt einen Wirt, der es mit Masse versorgt. Im Falle der aktiven supermassereichen Schwarzen Löcher in AGN ist ein großskaliger Staubtorus das Massereservoir. Die riesigen Mengen an kalten Molekülen und Staub wiegen insgesamt 104 bis 108 Sonnenmassen (je nach AGN) und umkreisen das Loch in moderatem Abstand von etwa einer Parsec. Der Staubtorus ist jedoch nicht stabil: Aufgrund der so genannten Papaloizou-Pringle-Instabilität (PPI) können nicht-axiale Störungen kleiner Ordnung die Toruskonfiguration zerstören. Diese rein hydrodynamische Instabilität wächst auf der dynamischen Zeitskala (Keplerrotation am Torusinnenrand) an, entsprechend auf der Skala von etwa 100 Millionen Jahren. Tori sind daher generell keine stabilen Konfigurationen. Als Folge der PPI zerfällt der Torus und die Materie fällt ins Zentrum, wo das Schwarze Loch lauert.
Daneben gibt es Materieflüsse, die in Zusammenhang mit anderen Galaxien in der Umgebung stehen. Viele Galaxien finden die Astronomen in Galaxienhaufen, den Clustern. Der Raum zwischen den Galaxien eines Haufens ist nicht leer, sondern angefüllt mit Gas, dem Clustergas. Dieses Material kann auf eine benachbarte Galaxie fließen, weil es gravitativ mit dem Potential der Galaxie wechselwirkt. Diese Materieströme heißen cooling flows und sind ein weiteres Reservoir, die das zentrale supermassereiche Schwarze Loch 'füttern'.

Karussellfahrt ins Loch

Simulierte Emission einer hoch inklinierten Akkretionsscheibe um ein Kerr Loch Innerhalb des Staubtorus bildet sich eine charakteristisch abgeflachter Akkretionsfluss aus, die Standardscheibe. Durch effiziente Strahlungskühlung ist sie in senkrechter Richtung in sich zusammengesackt. Astrophysiker nennen diese flache Eigenschaft geometrisch dünn. Allerdings kann die Strahlung nicht die Standardscheibe ungehindert passieren, weil das darin enthaltene Material hohe optische Tiefen aufweist: Standardscheiben sind optisch dick - wie die Astronomen sagen; sie sind also opak, undurchsichtig. Die Materie bewegt sich hier vornehmlich Keplersch, d.h. eine Rotationsbewegung wie bei den Planeten im Sonnensystem. Eine kleine Einfallbewegung zum Loch (eine radiale Drift) ist der Rotation allerdings überlagert. Insgesamt nimmt der Materiestrom auch aufgrund des Drehimpulses die dünne Scheibengestalt an: Rotierende, deformierbare Gebilde sind abgeflacht.
Standardscheiben verraten sich im beobachteten Spektrum als Wärmestrahlung (Plancksche Strahlung), die einen charakteristischen Buckel formt. Bei aktiven Galaxien (vornehmlich Typ 1; siehe dazu AGN) liegt dieser Buckel im Bereich der blauen und ultravioletten Strahlung und heißt daher in der Fachsprache 'Großer Blauer Buckel' (engl. big blue bump, BBB).
Die Standardscheiben beobachten die Astronomen auch bei den stellaren Schwarzen Löchern, z.B. den Mikroquasaren. Hier werden die Scheiben allerdings deutlich heißer (Für Experten: die Maximaltemperatur der Standardscheibe skaliert mit der inversen Quadratwurzel der Masse des Akkretors). Die physikalische Beschreibung der Akkretionsphysik stellarer versus supermassereicher Schwarzer Löcher ist also analog, wenn auch die Größenskala der Scheiben bzw. die Massenskala der Löcher differieren. Die Akkretionsscheiben sind auch durch den Einfluss ihrer eigenen Schwerkraft recht kompakt - einen Sachverhalt den die Astrophysiker Selbstgravitation nennen. Weiterhin sprechen sie von einer kalten Standardscheibe (oder auch Shakura-Sunyaev disk, SSD, nach den Pionieren, die 1973 diese Akkretionslösung fanden).

Magnetische Effekte

Akkretionsscheiben bestehen aus interstellarem Material, das nicht wie ein starrer Körper um ein Zentralobjekt rotiert, sondern das man als verformbares Gebilde, als Fluidum, beschreiben kann. Beispiele für irdische Fluide sind strömendes Wasser oder bewegte Luft. Weil der Akkretionsfluss ebenso verformbar ist, bedienen sich die Akkretionsphysiker den Methoden der Hydrodynamik. Der Materiestrom kann relativ hohe Geschwindigkeiten erreichen und unterliegt deshalb der Turbulenz. Außerdem wirken Scherungskräfte auf die Strömung und deformieren sie.
Turbulenz sorgt für eine Umverteilung des Drehimpulses in der Scheibe. Fachleute nennen das Drehimpulstransport. Im Prinzip sorgt die Wechselwirkung der vielen Teilchen untereinander dafür, dass sich ihr Rotationsverhalten ändert. Numerische Simulationen haben mittlerweile belegt, dass die rein hydrodynamische Turbulenz nicht ausreicht, um effizient den Drehimpuls in der Scheibe nach außen zu transportieren. Die Schlüsselrolle im Drehimpulstransport spielt die magnetische Turbulenz. Sie wird durch die Magnetorotationsinstabilität (MRI) erzeugt (dazu in Kürze mehr, bei der Diskussion des NRAFs).
Die technischen Komplikationen in einer mathematischen Beschreibung nehmen mit der Annäherung an das Zentralobjekt zu. Denn der Akkretionsfluss wird heißer, so dass schließlich die Teilchen im akkretierten Material ionisiert werden. Die wesentlichen Ladungsträger sind Elektronen und Ionenrümpfe. Wenn diese Spezies auftreten, beginnt die Domäne der Plasmaphysik. Zu allem Überfluss generieren die sich bewegenden Plasmateilchen, die ja an sich elektrische Ströme sind, Magnetfelder. Dieses Phänomen heißt in der Elektrodynamik Induktion. Die Magnetfelder können durch Lorentz-Kräfte die elektrisch geladenen Teilchen ablenken. Auch bereits vorhandene Magnetfelder galaktischen Ursprungs ('Saatmagnetfelder') haben einen solchen Einfluss. Sie können durch die Rotation der Scheibe verstärkt werden, was Astrophysiker als Dynamo-Effekt bezeichnen.
Die wesentliche Konsequenz dieser Überlegungen ist, dass die Hydrodynamik um elektromagnetische Konzepte erweitert werden muss. Genau das gelingt in einer Beschreibung als geladene, magnetisierte Flüssigkeit. Das ist der Bereich der Magnetohydrodynamik: Der Satz an hydrodynamischen Gleichungen wird nun modifiziert um Gleichungen aus der Elektrodynamik.

Einstein-Effekte

Bei weiterer Annäherung an das Schwarze Loch werden die Effekte der gekrümmten Raumzeit relevant. Die Flüssigkeit bewegt sich (bei Bewegung im freien Fall) auf gekrümmten Geodäten, die von der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) diktiert werden. Die Plasmageschwindigkeiten nehmen auch deutlich zu und werden vergleichbar mit der Lichtgeschwindigkeit. Solche relativistischen Geschwindigkeiten erfordern die Konzepte der Speziellen Relativitätstheorie - diese sind allerdings in der ART enthalten. Außerdem gibt es eine ganze Reihe von Strahlungsformen, die der Akkretionsfluss aussendet, die bereits im Kapitel Massenskala bei den supermassereichen Schwarzen Löchern besprochen wurden.
Insgesamt lässt sich sagen, dass Strahlungsprozesse und Relativitätstheorie die mathematische Beschreibung in der Akkretionsphysik zusätzlich erschweren: Strahlungsmechanismen kühlen oder heizen den Akkretionsfluss, relativistische Prozesse generieren oft völlig neue Phänomene wie z.B. negative Energien in Penrose-Prozessen, Frame-Dragging, gravitomagnetische Kräfte/Präzession im Lense-Thirring Effekt oder die Strahlung unterliegt Gravitationslinseneffekten (engl. light bending effects) - all das wird erst in einer korrekten, voll allgemein relativistischen Behandlung berücksichtigt.

Die numerische Herausforderung

Nun müsste man für ein totales Verständnis der Akkretion in Galaxien, hydrodynamische oder besser magnetohydrodynamische Simulationen in drei Raumdimensionen (3D) betreiben, die am kollabierenden Staubtorus ansetzen. Diese Rechnungen, die nur mithilfe von Hochleistungsrechnern möglich sind (siehe auch Astrophysik auf dem Computer), müssten hochaufgelöst sein und dem Akkretionsfluss im Prinzip von 104 bis 106 Gravitationsradien bis auf einen Gravitationsradius, nämlich dem Ereignishorizont, folgen. Hier haben die theoretischen Astrophysiker natürlich ein eklatantes, numerisches Problem: Einerseits deckt die Auflösung nicht eine so große Skala (6 Dekaden) ab. Dieses Problem wäre allerdings mit neuen, numerischen Techniken wie dem Adaptive Mesh Refinement (AMR) zu bewältigen. Andererseits - und viel gravierender - unterscheiden sich die numerischen Methoden sehr auf den unterschiedlichen Skalen, weil man unterschiedliche Physik in den Griff bekommen muss. So ist die Raumzeit auf der Höhe des Staubtorus flach, während sie nahe am Horizont stark gekrümmt ist; die Strahlungsprozesse sind sehr unterschiedlich in den verschiedenen Bereichen (von Wärmestrahlung bis Synchrotronstrahlung) und schließlich ist die Astrochemie außerordentlich komplex und dynamisch relevant, gerade im Staubtorus.

Akkretionsflüsse - Wege ins Loch sind vielfältig

Die Lösung dieser Herausforderungen liegt - wie immer in der Physik - in der Vereinfachung und der Segmentation in Teilprobleme: Die eine Forschergruppe löst die physikalischen Effekte im Staubtorus, die andere diejenige in der Standardscheibe; eine weitere Gruppe berechnet die Bewegung von Materie in unmittelbarer Nähe zum Loch. Das ist der aktuell beschrittene Weg. Schwierig kann es dann werden, wenn man die Ergebnisse dieser Forschungen aneinander fügen möchte. Die unterschiedliche Physik und Modellierung führte in der Akkretionsphysik auf eine Reihe von Paradigmen mit differierenden und teilweise überlappenden Gültigkeitsbereichen. Es handelt sich dabei um verschiedene Formen so genannter Akkretionslösungen. Wir beschränken uns in diesem Artikel auf die wichtigsten drei Akkretionslösungen in der Astrophysik, die mit folgenden Akronymen bezeichnet werden:

  • SSD oder SAD: Shakura-Sunyaev Disk bzw. Standard Accretion Disk, Shakura & Sunyaev (1973)
  • ADAF: Advection Dominated Accretion Flow, Narayan & Yi (1994)
  • NRAF: Non-Radiative Accretion Flow, Stone, Pringle & Begelman (1999)

SSD und ADAF

Sandwich aus SSD und ADAF Die einflussreichsten und populärsten Modelle sind die beiden Erstgenannten: SSD und ADAF. Es fällt der große Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren zwischen den beiden grundlegenden Modellen auf. Die Notwendigkeit eines heißen, advektionsdominierten Akkretionsflusses wurde anhand des Spektrums von Cyg X-1 erkannt, einem Röntgendoppelstern mit stellarem Schwarzen Loch (engl. black hole X-ray binary, BHXB). Denn das beobachtete harte Spektrum konnte nur mit einem heißen Plasmareservoir erklärt werden. Das Plasma ist im ADAF-Modell tatsächlich sehr heiß und optisch dünn. Die innere Energie des Plasmas wird in das zentrale Schwarze Loch advektiert und nur ein geringer Teil wird abgestrahlt. Das Spektrum ist allerdings hart genug, um die Beobachtungen erklären zu können. Die harte Strahlung resultiert einerseits von einem Planck-Strahler hoher Temperatur und andererseits von Comptonisierung.
Die Morphologie des ADAFs ist typischerweise kugelförmig (sphäroidal) und ähnelt eher einem sphärischen Bondi-Akkretionsfluss. Ein Bondi-Fluss ist nicht so flach wie eine Standard- oder Keplerscheibe, sondern das Material strömt eher radial von allen Seiten auf die zentrale, akkretierende Masse ein. Zwischen der flachen (Keplerschen) Standardscheibe SSD und dem aufgeblähten ADAF kann es einen charakteristischen Übergangsradius (engl. transition radius) geben, der räumlich hin und her zappelt. Diese räumlichen Schwingungen könnten (zumindest zum Teil) die in Mikroquasaren beobachteten Quasi-Periodischen Oszillationen (QPOs) bewirken. Ein Indiz dafür ist, dass die QPO-Frequenz im Bereich der Rotationsfrequenz am Übergangsradius liegt.
Damit waren die Kombination aus SSD und ADAF, wie das Schema oben illustriert, ein bewährtes Modell, um eine Vielzahl astronomischer Quellen, in der Regel Röntgenquellen erklären zu können. Die Strukturen des Akkretionsflusses hängen im Detail jedoch vor allem von der Akkretionsrate ab, d.h. davon, wie viel Masse pro Zeit auf das Loch einstürzt. Der Lexikoneintrag Akkretion zeigt diesbezüglich ein sehr interessantes Schema im Abschnitt 'Vereinheitlichte Akkretion', das eine recht einheitliche Sicht auf Akkretionsflüsse gestattet.

NRAF

Das NRAF-Modell ist seit 1999 etabliert und wird aktuell intensiv weiter verfolgt. Prinzipiell subsumiert das Akronym NRAF sämtliche Akkretionsflüsse, die nicht durch Strahlung (engl. radiation) gekühlt oder geheizt werden können. Der heiße Akkretionsfluss kann innen, nahe vor dem gravitierenden Objekt (hier: Schwarzes Loch), einen advektiven Torus ausbilden.
Die ersten NRAF-Modelle waren rein hydrodynamisch (Stone, Pringle & Begelman, 1999). Später wurden die Modelle verfeinert, dadurch dass Magnetfelder Berücksichtigung fanden (Balbus & Hawley, 2002). Dann ist eine wesentliche Zutat im Modell die ideale Magnetohydrodynamik. Dahinter verbirgt sich die einfachste Form der MHD, die nicht dissipativ ist. Viskositäten und Wärmeleitung werden nicht berücksichtigt. Das hat den numerischen Vorteil, dass das Gleichungssystem deutlich einfacher ist. Doch bereits die ideale MHD zeigt einen wichtigen Mechanismus: die bereits angedeutete Magnetorotationsinstabilität oder magnetische Rotationsinstabilität (engl. magneto-rotational instability, MRI). Diese Instabilität wurde von Balbus und Hawley 1991 entdeckt. Das führte zum alternativen Namen Balbus-Hawley-Instabilität. Die MRI ist wesentlich, um zu verstehen, weshalb Materie einer Akkretionsscheibe - trotz hohen Drehimpulses - in ein Schwarzes Loch fallen kann. Die MRI sorgt für einen sehr effizienten Drehimpulstransport. Die damit verbundene magnetische Turbulenz ist deutlich wichtiger als die hydrodynamische Turbulenz. Damit diese MHD-Instabilität funktionieren kann, benötigt man nur ein rotierendes Objekt, z.B. einen Torus oder eine schlanke Akkretionsscheibe, und ein schwaches Magnetfeld, das dieses Objekt durchsetzt.

Typischerweise koppelt das Magnetfeld über Äquipartition an den Gasdruck. Dann steigt das Magnetfeld mit der Quadratwurzel des Gasdrucks. Der Gasdruck wird anfangs vom Torus vorgegeben.
Der Torus - aus numerischen Gründen bei etwa 100 Schwarzschildradien lokalisiert - dient dann als Massereservoir, das das Schwarze Loch füttert. Die nicht-radiativen, idealen 3D-MHD-Simulationen von Balbus und Hawley in einer pseudo-Newtonschen Geometrie (Paczynski-Wiita-Potential), die die Metrik eines Schwarzen Loches in begrenzter Weise nachahmt, sind sehr eindrucksvoll. Sie belegen, dass der nicht-radiative Akkretionsfluss (engl. non-radiative accretion flow, NRAF), der üblicherweise von einer wohl definierten Torus-Konfiguration startet, schon nach wenigen Kepler-Rotationen turbulent wird. Ursache ist die MRI, die äußerst effizient den Drehimpuls und Energie nach außen abtransportiert. Es handelt sich daher um magnetische Turbulenz. Die globale Magnetfeld-Topologie, die anfangs wohlgeordnet im Torus verankert ist, wird durch die Turbulenz schnell völlig zerstört und stochastisch. Oberhalb der Scheibe bildet sich eine magnetisierte Korona (engl. coronal envelope) aus. Diese Morphologie spricht für das lange existierende Modell einer abgeflachten Korona (slab corona), die der Akkretionsscheibe aufgeprägt ist. Das slab corona model gehört nach wie vor zum Standardrepertoire der Röntgenastronomie. Es ist in vielen Softwareprodukten der beobachtenden Astronomie zur Anpassung (engl. fit) der Beobachtungsdaten gebräuchlich. Natürlich kann sich diese Geometrie deutlich ändern, wenn die Strahlung im MHD-Modell berücksichtigt wird.

Die NRAF-Simulationen zeigen auch einen hohen Plasmaausfluss sowie einen Poynting-Fluss, der nach (magnetischer) Kollimation und Beschleunigung zu einem Jet werden könnte. Rekonnexion, also die Vernichtung des Magnetfeldes, wenn entgegengesetzte Polaritäten aufeinander treffen, übernimmt die Rolle der Heizung des Plasmas. Durch die MRI und Dynamo-Effekten wird das Magnetfeld schließlich so sehr verstärkt, dass es die Bedingung für Äquipartition erfüllt: Dann wird der magnetische Druck vergleichbar dem Gasdruck. In diesem Moment saturiert die MRI, weil das Magnetfeld zu stark wird und die MRI stoppt. Hier wird klar, warum die MRI auch 'Instabilität schwacher Felder' (engl. weak field instability) heißt, denn sie funktioniert nur effizient bei schwachen Magnetfeldern. Wesentliche Merkmale und Ergebnisse der NRAF-Simulationen sind der turbulente durch die MRI getriebene Zerfall einer anfänglichen Torus-Konfiguration, der zur Akkretion auf das Schwarze Loch führt und dabei auch einen heißen, inneren Torus auf der Höhe der marginal stabilen Bahn auszubilden scheint.

NRAF auf Kerr!

Die NRAF-Simulationen von Balbus und Hawley waren ein weiterer wesentlicher Beitrag zur Akkretionsphysik. Sie ebneten den Weg, um die ideale Magnetohydrodynamik genauer in Augenschein zu nehmen. Denn es stellte sich heraus, dass der MRI eine Schlüsselrolle in der Dynamik der magnetischen Akkretionstheorie zukommt. Am Rande sei bemerkt, dass die MHD-Akkrionsphysik auch bei der Bildung von Planeten in jungen Sternscheiben (proto-planetary disks, Proplyds) relevant ist.
Die Untersuchungen wurden signifikant erweitert: De Villiers und Hawley stellten 2003 Simulationen vor, die nun anstelle des post-Newtonschen Potentials die volle Kerr-Geometrie beinhalten! Damit ist es erstmals gelungen Akkretionflüsse auf dem Hintergrund rotierender Schwarzer Löcher zu beschreiben. Strahlung wurde aus numerischen und konzeptionellen Gründen noch außen vor gelassen, so dass dies die relativistische Erweiterung des NRAF-Sektors darstellt: Nicht strahlende Akkretionsflüsse können damit nicht nur post-Newtonsch, sondern nun auch voll relativistisch simuliert werden. Das Akronym dieser Domäne ist die Allgemein Relativistische Magnetohydrodynamik (engl. general relativistic magnetohydrodynamics, GRMHD).

Als Koordinaten wurden die Boyer-Lindquist-Koordinaten gewählt. Ihr Verhalten ist am Ereignishorizont pathologisch, weil dort eine Koordinatensingularität auftritt. Deshalb wurde in den Simulationen, nicht exakt bis auf den Horizont gerechnet, sondern kurz vorher abgeschnitten. Das ist sicherlich eine Schwäche in der Methode, weil so eventuell künstliche Effekte auftreten - dafür ist die Metrik deutlich einfacher in ihrer mathematischen Gestalt.
In den Simulationen wurde wieder eine anfängliche Toruskonfiguration zugrunde gelegt, dessen zeitliche Entwicklung simuliert werden soll. Die Dynamik mündet wieder in einen Zerfall des Torus nach wenigen Umläufen wegen der effizienten Wirkung der MRI. Wieder bildet sich ein Akkretionsfluss in radialer Richtung zum Schwarzen Loch aus - wie zu erwarten war.
Typische Parameter in den Simulationen sind hohe Rotation des Loches, Kerr-Parameter 0.9 M, eine anfängliche Toruskonfiguration die einen Innenrand von 15 Gravitationsradien und einen Torusradius (Ort maximalen Gasdrucks, 'Toruszentrum') von 25 Gravitationsradien aufweist und ein Verhältnis von Gasdruck zu magnetischem Druck ('Plasma β') von 200.
Neben De Villiers & Hawley gibt es nun weitere Forschergruppen, die erfolgreich strahlungslose MHD-Simulationen auf der Kerr-Geometrie durchführen, z.B. Gammie et al. 2003 und Mitarbeiter. Die grundsätzlichen physikalischen Aussagen haben sich hier bestätigt.
Wichtig ist, dass die unterschiedlichen Simulationstechniken, numerische Methoden und natürlich die physikalischen Ergebnisse sehr genau verglichen werden müssen. Unbedingte Voraussetzung ist daher eine gute Transparenz der Forschungsarbeiten. Diese Diskussion mündet schließlich in die Reproduzierbarkeit der Arbeiten und ein physikalisches Verständnis des grundsätzlichen Phänomens.

Im Wesentlichen gibt es nun folgende Strukturen im voll relativistischen, nicht-radiativen Akkretionsfluss:

  • Ein innerer Torus (engl. inner torus), der vom einströmenden Akkretionsfluss auf der Höhe der marginal stabilen Bahn aufgebaut wird. Dieser Torus mündet letztendlich im rotierenden Loch und taucht dort ein (engl. plunging region). So wird das rotierende Loch mit Materie versorgt und kann akkretiv wachsen. Der innere Torus könnte bei ausreichendem Emissionsmaß mit der Korona assoziiert werden.
  • Die Hauptscheibe (engl. main disk body), die sich aus den großen Materiereservoir des anfänglichen Torus entwickelt. Im Prinzip ist sie das turbulente Relikt der toroidalen Startkonfiguration. Inwärts mündet sie in den inneren Torus.
  • Die koronale Einhüllende (engl. coronal envelope) ist ein Materierückflussgebiet, das sich bei großen Poloidalwinkeln ausbildet. Es ist oberhalb bzw. unterhalb der Hauptscheibe lokalisiert. Während die Materie in der Äquatorialebene (kleine Poloidalwinkel) einströmt, fließen Teile davon außen wieder zurück und entfernen sich vom rotierenden Loch.
  • Nahe der Symmetrieachse des Systems - der Rotationsachse des Loches - bildet sich der trichterförmige Jet (engl. funnel jet) aus. Es handelt sich dabei um einen zentrifugal und magnetisch getriebenen Ausfluss, der an der Jetbasis noch nicht gebündelt, sondern recht breit ist. Dieser Ausfluss wird bei deutlich größeren Abständen zum Loch von etwa hundert Schwarzschildradien gebündelt (kollimiert) - was jedoch nicht simuliert wurde, weil es viel zu weit außerhalb des Simulationsgebietes liegt. Die Forscher gehen davon aus, dass dieser Ausfluss den großskaligen, kollimierten Jet, wie man ihn bei AGN beobachtet, speist.
  • Unmittelbar an der Symmetrieachse entsteht ein leeres, trichterförmiges Gebiet (engl. evacuated funnel). Aufgrund des Drehimpulses findet sich hier fast keine Materie, die Materiedichten sind sehr gering.

Status und Ausblick

Die letztgenannten MHD-Simulationen in der unmittelbaren Umgebung rotierender Schwarzer Löcher sind zurzeit wohl das Beste, was die Akkretionstheorie bietet, weil viele Eigenschaften des Akkretionsflusses geklärt werden. Bei den NRAF-Simulationen gibt allerdings eine gewichtige Unzulänglichkeit: Die Strahlungskühlung und -heizung ist noch unberücksichtigt. Bei den Strahlungsprozessen ist zu erwarten, dass vor allem die Synchrotronkühlung der Elektronen einen wesentlichen Einfluss auf den heißen, magnetisierten Akkretionsfluss haben wird. Die Kühlzeitskala der Elektronen liegt im Bereich von Millisekunden (!) und sollte heiße, evaporierte (d.h. aufgeblähte) Bereiche des Akkretionsflusses vertikal kollabieren lassen. Die numerische Auflösung solcher geometrisch dünnen Strukturen wird außerordentlich schwierig werden. Womöglich sind in der Numerik auch hier Adaptive Gittermethoden erforderlich.

Und die Natur?

Die grundlegenden Aussagen der Akkretionsphysik werden durch astronomische Beobachtungen bestätigt. So konnten die Röntgendoppelsterne mit stellarem Schwarzem Loch sehr gut mit Akkretionsmodellen erklärt werden, die Standardscheibe plus ADAF beinhalten.
Radiogalaxien und radiolaute Quasare zeigen Strukturen wie die relativistischen Jets, die nur durch ein rotierendes, superschweres Loch verstanden werden können. Leider ist es mit den aktuellen Beobachtungstechnologien noch nicht möglich, die theoretischen Resultate im Detail direkt mit Beobachtungsfotos zu vergleichen, weil der Akkretionsfluss auf einem so kleinen Raumgebiet (noch) nicht astronomisch abgebildet werden kann. Die Entwicklungen in der Interferometrie (siehe auch Apertursynthese) wie VLBI und VLTI lassen die Hoffnung aufkeimen, dass dies innerhalb der nächsten wenigen Jahre möglich sein wird.
Vielleicht können die Astronomen mit verbesserten Akkretionsmodellen auch die rätselhaften Eigenschaften der Quelle Sgr A* erklären. Sgr A* ist das massereiche und kompakte Zentrum unserer der Milchstraße. In diesem Galaktischen Zentrum vermuten die Astronomen ein supermassereiches Schwarzes Loch mit etwa drei Millionen Sonnenmassen. Diesem Thema widmet sich extra ein Web-Artikel im Wissensportal mit dem Titel Das größte Schwarze Loch der Milchstraße. Die Synchrotronemission eines heißen, magnetisierten Objekts, vielleicht einem kleinen Materietorus inklusive dessen Selbstabsorption (Synchrotron-Selbst-Absorption, SSA) und Comptonisierung (Synchrotron-Selbst-Comptonisierung, SSC), würde die beobachteten Radiodaten (Submillimeter mit SCUBA) aus dem Zentrum der Milchstraße eventuell erklären. Der beobachtete Radiofluss weist eine Struktur aus zwei 'Buckeln' ('double humps') auf, wobei - nach dem favorisierten Modell - der hochenergetische Buckel gerade der reprozessierte/Comptonisierte niederenergetische Buckel ist.
Sgr A* ist das uns mit knapp 26000 Lichtjahren räumlich am nächsten liegende, gigantische Schwarze Loch. Trotz dieser 'Nähe, und trotz der oben beschriebenen theoretischen Erfolge gehört das hungernde, d.h. kaum akkretierende Schwarze Loch im Zentrum unserer Heimatgalaxie zu den großen Rätseln der Astrophysik. Diese in der Leuchtkraft stark unterdrückte Quelle (engl. quiescent source) ist ein ideales Problem, um die Fähigkeiten und Vorhersagekraft der modernen Akkretionsphysik zu testen.

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Übersicht

Schwarze Löcher - Massenskala Schwarze Löcher - Beobachtung


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Andreas Müller © Andreas Müller, August 2007