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Das größte Schwarze Loch der Milchstraße
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Einleitung
Im Wissensportal für Astrophysik widmet sich ein umfangreicher Artikel der Physik Schwarzer Löcher.
Ein weiterer Artikel beschäftigt sich mit der Rolle Schwarzer Löcher in der gängigen Vorstellung von Aktiven
Galaktischen Kernen (AGN). In diesem Artikel geht es um das 'Monster in unserer Heimatgalaxie': einem
supermassereichen Schwarzen Loch inmitten der Milchstraße!
Die Hypothese
Diese an sich abenteuerliche Behauptung ist durch folgenden Sachverhalt motiviert: Ein supermassereiches Schwarzes Loch (engl.
supermassive black hole, kurz SMBH) ist das Schlüsselelement
im Standardmodell aktiver Galaxien: die extreme AGN-Leuchtkraft von bis zu 100 Billionen Sonnen kann nur
durch ein Materie aufsammelndes Schwarzes Loch erklärt werden. Das Eddington-Kriterium verrät uns,
dass es sich dabei nicht etwa um kleine, stellare Schwarze Löcher handelt, sondern dass die
leuchtkräftigsten Galaxien SMBHs mit bis zu Milliarden Sonnenmassen beherbergen! Bei dem Materieeinfall
(Akkretion) wird potentielle Energie der Materie, die sie im
Gravitationsfeld hat, verwandelt in Strahlungsenergie. Vor allem die fleißigsten Materialaufsammler
gehören zu den hellsten Leuchtfeuern im All und produzieren hohe Intensitäten in allen Bereichen des
elektromagnetischen Spektrums.
Was haben aktive Galaxien mit der offensichtlich inaktiven Milchstraße zu tun? Nun, AGN sind ausnahmslos im fernen Kosmos beheimatet.
Im nahen Universum werde keine AGN beobachtet. Allerdings müssen ja die superschweren Löcher der AGN
irgendwo geblieben sein, weil es keinen physikalischen Prozess gibt, der sie zum Verschwinden bringen könnte (für Experten:
Hawking-Strahlung oder Penrose-Prozesse scheiden aus!). In Konsequenz
müssen die nahen Galaxien noch die SMBHs enthalten. Wenigstens einige der nahen Galaxien waren ehemals aktiv - nur der
Aktivitätszyklus des AGN wurde beendet. Also ist aufgrund des Standardmodells für AGN zu erwarten, dass auch das Zentrum der
Milchstraße ein superschweres Schwarzes Loch enthalten muss. Diese auf theoretischen Überlegungen fußende Hypothese muss
mittels astronomischer Beobachtungen überprüft werden. Zentrale Fragen, die einer wissenschaftlichen Klärung bedürfen
sind: Wie viel Masse hat das zentrale supermassereiche Schwarze Loch? Rotiert es? Falls ja, wie schnell? Auch die Menge an Umgebungsmaterial
wird entscheidend sein, weil das die Akkretionsrate und somit die Aktivität steuert. Die Struktur von Magnetfeldern ist ebenfalls ein
wichtiger Parameter, sind die Magnetfelder doch relevant für die Dynamik des Akkretionsflusses und für das Herausschleudern von
Materiestrahlen, den Jets.
Struktur der Milchstraße
Scheibe und Halo
Wir verschaffen uns zunächst einen Überblick über das 'Gebilde Milchstraße'. Die Milchstraße ist morphologisch
betrachtet eine Spiralgalaxie. Eine Außenansicht ist natürlich nicht möglich, weil wir selbst Teil der
Milchstraße sind. Es gibt auch keine Weltraumsonde, die Menschen losgeschickt haben könnten, um solche Aufnahmen zu
gewinnen. Die Reise wäre recht langwierig und die Aufrechterhaltung des Funkkontakts über solche Distanzen ist technisch
unmöglich. Die Voyager-Sonden, die Anfang der 70er Jahre gestartet wurden, haben gerade mal die Grenzen des
Sonnensystems erreicht und befinden sich irgendwo im Kuiper-Ring hinter dem fernen Zwergplaneten Pluto.
Astronomen können sich allerdings ein Bild von der Außenansicht der Milchstraße machen und zwar durch die intensive
Beobachtung des ganzen Nachthimmels. An dieser Stelle sei auf den Lexikoneintrag Milchstraße verwiesen,
der faszinierende Beobachtungspanoramen unserer Heimatgalaxie bei verschiedenen Wellenlängen vorstellt. Darin ist sehr klar das Band der
Milchstraße zu sehen - es war schon in der Antike bekannt und war letztendlich Namenspate für alle Sternensysteme: der Begriff
Galaxie oder Galaxis leitet sich vom Griechischen ab, galaktos heißt übersetzt 'Milch'. Dieses Band, das die ganze Himmelssphäre
umspannt, ist eine besonders dichte Ansammlung vieler Sterne und entspricht der galaktischen Scheibe unserer
Spiralgalaxie, also der Hauptebene der flachen Galaxie. Es gibt allerdings auch Sterne ober- und unterhalb dieser Ebene und vor allem umspannt
ein riesiges, kugeliges Gebilde die galaktische Scheibe: das galaktische Halo. In dieser Sphäre tummeln
sich die ältesten Objekte der Milchstraße, Ansammlungen von etwa 100 000 Sternen, die man
Kugelsternhaufen (engl. globular cluster) nennt. Diese Sterne gehören der so
genannten Halopopulation an, die auch Population II genannt wird. Die jüngeren
Sterne der galaktischen Scheibe sind Population I. Die Astronomen klassifizieren die Population anhand des
Metallgehalts der Sterne, also dem Anteil schwerer Elemente. Je mehr schwere Elemente
ein Stern enthält, umso älter ist er.
Spiralarme und Sternentstehungsregionen
Insgesamt handelt es sich bei der Milchstraße um eine Ansammlung von einigen hundert Milliarden Sternen. Die
Spiralarme liegen im Außenbereich der galaktischen Scheibe und entsprechen dichteren Regionen mit vielen Sternen,
wo besonders viele neue Sterne entstehen. Dort gibt es farbenprächtige Sternentstehungsregionen wie den Orionnebel.
Optische Aufnahmen von Spiralgalaxien belegen, dass die Spiralarme besonders von blauen und blau-weißen, jungen Sternen
(Spektraltypen O, B) bevölkert sind. Die Spiralarme entstehen dadurch, dass großräumige
Dichtewellen die Galaxie durchlaufen und so für unterschiedliche Sternanzahldichten sorgen. Darüber hinaus vermuten Astronomen,
dass interstellare Magnetfelder eine wesentliche Rolle in der Struktur und Dynamik der Spiralarme spielen.
Denn in den optischen Zwischenarm-Regionen zeigen Computersimulationen hohe magnetische Felder, die durch den galaktischen Dynamo
gebildet und verstärkt werden: die rotierende Milchstraße schleppt die Magnetfelder mit und zieht sie auf. Diese Felder sind
in Beobachtungen über die Synchrotronemission zugänglich.
Galaktische Schwestern
Die Gewinnung astrometrischer Daten, also Kenntnisse über exakte Position und Entfernung von Sternen und anderen galaktischen
Objekten ermöglichten eine Kartographierung der Milchstraße. Diese Ergebnisse legten nahe, dass die Milchstraße einer ihrer
Nachbargalaxien, der Andromedagalaxie, morphologisch sehr ähnlich sein muss. Die Andromedagalaxie (Messier-Objekt M31) befindet
sich in einer Entfernung von 2.2 Millionen Lichtjahren (667 kpc). Sie ist das
weiteste Objekt, das man mit bloßem Auge noch am Nachthimmel ausmachen kann. Von ihr existieren natürlich Aufnahmen, die eine
Vorstellung über das Aussehen der Milchstraße vermitteln. Dazu gehört das optische Beobachtungsfoto von M31 links, das mit
dem Weltraumteleskop Hubble gemacht wurde (Credit: R. Gendler, HST/NASA 2002). Milchstraße und Andromedagalaxie befinden sich
in einem größeren Verbund von Galaxien, einem Galaxienhaufen, den man die Lokale Gruppe
nennt. Die Magellanschen Wolken, irreguläre Galaxien des Südhimmels und einige kleine Zwerggalaxien gehören noch dazu.
Der Durchmesser der Milchstraße beträgt etwa 100000 Lichtjahre. In einem der Spiralarme, dem Orion-Arm, befindet sich
unser Sonnensystem. Die Entfernung zum Zentrum der Milchstraße ist relativ hoch und beträgt ungefähr 26000 Lichtjahre
(8.5 kpc). Man vergegenwärtige sich diese Entfernung: Als sich das Licht im Galaktischen Zentrum auf den
Weg gemacht hat, bevölkerten Steinzeitmenschen wie der Cro-Magnon-Mensch die Erde!
Mit dem Maßband durch die Milchstraße
In der vertikalen Richtung zur galaktischen Scheibe befindet sich das Sonnensystem nur etwa 46 Lichtjahre (14 pc) nördlich. Von uns aus
betrachtet, befindet sich das Zentrum im Sternbild Sagittarius (dt. Schütze, int. Abkürzung Sgr), einem
Tierkreiszeichen. Das galaktische Halo durchmisst etwa 160000 Lichtjahre (50 kpc), die Dicke der galaktischen
Scheibe beträgt nur etwa 3000 Lichtjahre (1 kpc), wohingegen sie in der Kernregion etwas zunimmt auf 15000 Lichtjahre (5 kpc).
Diese Struktur nennen die Astronomen galaktischen Bulge (engl. bulge: 'Wulst, Verdickung'). Die Abbildung oben am Anfang dieses
Abschnitts fasst die Gestalt der Milchstraße mit allen genannten Strukturen schematisch zusammen
(große Version).
Blick ins Zentrum
Die Beschaffenheit der Zentralregion der Milchstraße innerhalb von etwa einer Parsec enthält eine dichte Ansammlung heller
Sterne (stellare Komponente) mit sehr hohen Eigenbewegungen sowie neutrales und ionisiertes, vor allem sehr heißes Material
(Gaskomponente). Im Besonderen wurden blaue Überriesen (engl. blue supergiants) beobachtet, die Emissionslinien neutralen
Heliums (HeI) zeigen. Vermutlich sind sie mit 30 bis 100 Sonnenmassen sehr massereich und mit 20000 bis 30000 K
Oberflächentemperatur sehr heiß. Diese Heliumsterne verlieren durch Winde sehr viel Material
und versorgen damit dass Galaktische Zentrum mit Masse. Sie befinden sich in einer Nachhauptreihenphase (siehe Hauptreihe).
Dabei wird bis heute die Frage untersucht, wie die heißen, jungen, massereichen Sterne in die Zentralregion gelangt sind. In der
Fachwelt kursiert diese Beobachtung unter dem Etikett Paradox of Youth (Ghez et al. 2003).
Vor allem jedoch lauert genau in der Mitte der Milchstraße eine kompakte, dunkle und extrem hohe Masse. Sie ist so dicht,
dass es unser Verständnis von Materie übersteigt. Wir werden im Folgenden betrachten, wie es zu dieser Einsicht über
Jahrzehnte spannender Forschung gekommen ist.
Multiwellenlängenbeobachtungen
In der galaktischen Scheibe befinden sich nicht nur viel mehr Sterne, sondern auch viel mehr interstellares Material.
Dieser Staub sorgt über Streuprozesse für eine deutliche Abschwächung der Strahlung, was Astronomen mit dem
Extinktion bezeichnen. Die Strahlung wird signifikant gerötet - ein Effekt der übrigens
vergleichbar der irdischen Morgen- und Abendröte ist. Die Helligkeit im visuellen Bereich kann
um bis zu 30 Magnituden absinken. Dieser Umstand erschwert es den Beobachtern beträchtlich
bei optischen oder ultravioletten Wellenlängen ins Galaktische Zentrum zu schauen. Es bleibt den Astronomen nicht anderes übrig,
als auf andere Wellenlängen auszuweichen: Radio-, Infrarot- und Röntgenstrahlung. Bei diesen Strahlungsenergien ist die Extinktion
nicht so gravierend.
Es werden daher Multiwellenlängenbeobachtungen der Sagittarius-Region durchgeführt, die mit immer besserer
räumlicher Auflösung das Vorhandensein und die Bewegung von interstellarer Materie und Sterne
im Zentrum der Milchstraße offen legen. Dabei dienen Nahinfrarotbeobachtungen dem Studium der stellaren Komponente und Radio- sowie
Röntgenbeobachtungen der Gaskomponente.
Radiobeobachtungen
Im Radiobereich wurden die ersten Beobachtungen mit dem Very Large Array (VLA)
gemacht. Typische Wellenlängen liegen bei 6 cm und 20 cm. Das Beobachtungsfoto oben wurde bei 90 cm Wellenlänge aufgenommen
und zeigt den Strukturreichtum der innersten etwa 2000 Lichtjahre der Milchstraße - der Sagittariusregion (Credit:
Kassim et al., NRAO/AUI/VLA 1986; große Version).
In der auffallend hellen Zentralregion Sgr A befindet sich die kompakte Radioquelle Sagittarius A* (Sgr A*), die mit dem
supermassereichen Loch in Verbindung gebracht wird. Die Ausdehnung der Radioquelle wurde zu nur etwa 30 Lichtminuten bestimmt!
Die von links oben nach rechts unten verlaufende diagonale Struktur verrät die Scheibengestalt der Milchstraße.
Junge Sterne explodierten und hinterließen ausgedehnte, blasenförmige Strukturen: Supernovaremnants
(SNRs). Die Radiostrahlung kommt bei den SNRs vor allem von beschleunigten, relativistischen Elektronen. Es
sind auch bogenartige Strukturen, die Radiofilamente, zu sehen. Die Radioastronomen beobachteten auch die thermische Emission von heißem,
ionisiertem Gas sowie kompakte, nicht-thermische Radioquellen.
Die helle Zentralquelle kann bei der Auswertung der Radiobeobachtungsdaten abgezogen werden. Das erlaubt eine Untersuchung der Gasbewegungen
um das galaktische Zentrum. Das ist hier im zweiten VLA-Foto bei 3.6 cm Wellenlänge geschehen (Credit: Roberts et al., NRAO/AUI/VLA
1993). Das Ausblenden der hellen Punktquelle entlarvt eine spiralförmige Gasbewegung, die die Astronomen Mini-Spirale (engl.
mini-spiral) nennen. Die Radiostrahlung kommt von ionisiertem Gas, das sich noch einige Parsec entfernt vom Loch befindet, dessen Schicksal
jedoch unausweichlich ist: das Gas füttert das Loch. Schon bei den ersten Radiobeobachtungen zeichneten sich die ersten vagen Hypothesen
für ein supermassereiches Schwarzes Loch ab.
Die Radioastronomen etablierten ein Verfahren der Apertursynthese mit den Bezeichnungen
VLBI für Very Long Baseline Interferometry und VSOP
für Very Long Baseline Interferometry Space Observatory Programme. Dabei blicken die Radioastronomen mit vielen
Radioteleskopen der Erde gleichzeitig auf das Galaktische Zentrum. Dies entspricht gewissermaßen einem Riesenteleskop
mit einer Öffnung, die so groß ist wie die Erde! Mit dieser Methode gelingt eine bessere
Auflösung von Details am Himmel. Mittlerweile hat die Interferometrie auch den Siegeszug in anderen
Spektralbereichen angetreten. Das Very Large Telescope (VLT) in Chile besteht aus vier optischen
Einzelspiegeln der 8-Meter-Klasse, die in Verbindung mit kleineren Hilfsteleskopen, gerade eine optische Interferometrie ermöglichen
sollen. Dieses Verfahren wurde VLTI genannt und ist bereits erfolgreich getestet worden - allerdings noch nicht
mit allen vier Großteleskopen.
Infrarotbeobachtungen
Das Galaktische Zentrum wurde schließlich auch im Infraroten beobachtet. Die Pionierarbeit geht auf
Reinhard Genzel (MPE) und Andreas Eckart (seinerzeit auch MPE, jetzt Uni Köln) zurück, die
seit 1992 Nahinfrarotbeobachtungen am Galaktischen Zentrum aufzeichnen. Anfangs wurde in das New Technology
Telescope der ESO (NTT) in La Silla,
Chile für diese Beobachtungen eingesetzt. Bei den ersten Infrarotbeobachtungen wurde die Speckle-Methode
verwendet, um hohe räumliche Auflösungen zu erzielen. Die Belichtungszeit ist kürzer als die typische
Zeitskala atmosphärischer Turbulenzen, so dass die Unschärfen, die die Erdatmosphäre bei langen Belichtungszeiten
produziert, ausgeschaltet werden. Die vielen Einzelbeobachtungen werden danach mit einem Computerprogramm zu einem
scharfen Gesamtbild kombiniert. Hierbei kam die Speckle-Kamera SHARP zum Einsatz, die am MPE entwickelt wurde.
In den letzten Jahren nutzen die Infrarotastronomen das VLT. Sie setzen erfolgreich unterschiedliche Spektrographen
ein: Nach NAOS-CONICA (kurz NACO) liefert aktuell SINFONI seit 2004 Beobachtungsdaten hoher Qualität. SINFONI
ist ein so genannter Bildfeldspektrograph, bei dem eine völlig neue Analyse der Spektren umgesetzt wurde. Mit
diesem modernen Instrument konnte das Auflösungsvermögen beträchtlich gesteigert werden. Das demonstriert
die Komposition von Beobachtungsfotos oben (Credit: MPE/ESO 2004: große Version:
Im Hintergrund sieht man Sterne im innersten Bereich der Milchstraße - fotografiert im Infraroten. Rechts sind
einige Sternspektren zu sehen, deren Absorption verrät, dass es sich um besonders massereiche, junge Sterne
handelt. Der Vergleich der beiden Bilder links mit viel schärferen Strukturen im oberen Foto belegt das
überragende Auflösungsvermögen von SINFONI, das noch unterhalb von 0.1 Bogensekunden
liegt.
Die Bewegung der Sterne ist ein guter Indikator für die zentrale dunkle Masse. Die Verhältnisse sind analog
zum Sonnensystem, wo die Bewegung der Planeten auf Keplerbahnen
zur Berechnung der Masse der Sonne herangezogen werden können. Die Astronomen nutzen das
dritte Keplersche Gesetz aus: Die Quadrate der Bahnperioden zweier umlaufender Körper verhalten sich wie die Kuben der
großen Halbachsen ihrer elliptischen Bahnen. Wie die Abbildung oben illustriert, messen die Astronomen die Umlaufzeit τ
des Sterns und die große Halbachse der elliptischen Bahn. Weil die Gravitationskonstante G bekannt ist, folgt mit der Relation
oben (Keplers Worte als Formel) direkt die Masse im Zentrum der Milchstraße.
Das erste publizierte Ergebnis für die auf diese Weise bestimmte dunkle Zentralmasse im Zentrum der Milchstraße belief
sich auf ca. 3 Millionen Sonnenmassen innerhalb von 0.14 pc um das dynamische Zentrum (Krabbe et al. 1995). Schon bei den ersten
Beobachtungen wurde versucht, etwas über die Natur der dunklen Massenkonzentration sagen zu können: die MPE-Astronomen kamen
zu dem Schluss, dass es nur eine Ansammlung von mehreren stellaren Schwarzen Löchern oder ein einziges supermassereiches Schwarzes
Loch sein könne (Genzel et al. 1996).
Die Forschungsresultate am MPE konnten 1998 von amerikanischen Forschern um die US-amerikanische Astronomin Andrea Ghez
bestätigt werden (Ghez et al. 1998). Die Methode war dieselbe. Als Teleskop kam das auch heute noch physisch größte,
optische Teleskop der Welt zum Einsatz: das Keck-Teleskop mit 10 Metern Durchmesser.
Es gibt eigentlich zwei Keck-Teleskope: Keck I wurde 1993 und Keck II 1996 in Betrieb genommen.
Im Nahinfrarot führen die Infrarotastronomen Beobachtungen z.B. bei 2.2 Mikrometern durch. Dieser
Wellenlängenbereich (Frequenzband, Filter) ist ideal um die gravitativ gebundene Bewegung von Sternen zu
untersuchen. Die Infrarotastronomen beobachteten immer wieder die Bewegung von Einzelsternen und stellten fest,
dass ihre Eigenbewegung in der Region Sagittarius A besonders hoch war: etwa 1400 km/s! Ghez' Team kam
1998 auf ein Ergebnis von 2.6 Millionen Sonnenmassen für die dunklen Masse bei Sgr A*. Das Volumen, in dem diese
Masse lokalisiert ist, wurde ebenfalls per Beobachtung bestimmt. Es beläuft sich auf nur 10-6
Kubik-Parsec, entsprechend 9 Milliarden Kubik-AU! Die Masse ist in diesem Volumen
nicht homogen verteilt, sondern konzentriert sich zum Zentrum hin. Die zentrale Dichte von 1012
Sonnenmassen pro Kubik-Parsec ließ nur den Schluss auf eine äußerst kompakte Masse zu. Anders
gesagt sollten diese 2.6 Millionen Sonnenmassen in einer Region sitzen, die einen Radius von nur 0.05 Lichtjahren,
entsprechend 3100 AU habe.
In den Folgejahren wurden diese Infrarotbeobachtungen an Sternen, die um das Galaktische Zentrum kreisen
wiederholt und verbessert. Die Masse des kompakten, dunklen Objekts wurde dabei sukzessiv erhöht. Bereits
im Jahr 2000 legten Messungen von Genzels Team 2.6 bis 3.3 Millionen Sonnenmassen für das zentrale Objekt
nahe. Die Massenverteilung erwies sich zwischen 0.01 und 0.5 pc Abstand vom zentralen Objekt als flach. Am
innersten Rand bei 0.01 pc wurde eine zentrale Masse von 3.25 Millionen Sonnenmassen bestimmt. Außerdem
konnte gezeigt werden, dass das zentrale Objekt eine nahezu punktförmige Masse sei.
Die US-Astronomen um Ghez korrigierten die Masse des Zentralobjekts im Jahr 2000 ebenfalls nach oben auf 3 Millionen
Sonnenmassen.
2002 legten Astronomen des MPE Garching und MPIA Heidelberg neue Resultate vor, die sie mit einer neuen Infrarotkamera
am VLT gewonnen hatten. Sie nutzten eine im Nasmyth-Fokus sitzende Infrarotkamera NAOS/CONICA (NAOS: Nasmyth
Adaptive Optics System, CONICA: Coudé Near Infrared Camera; zusammen: NACO), die an einem der vier
Unit-Teleskope (UT4, Yepun) am VLT installiert ist. Typische Infrarotbänder bei diesen Beobachtungen liegen im
H-Band (1.65 Mikrometer), K-Band (2.16 Mikrometer) und L-Band (3.76 Mikrometer). Die schwächsten Infrarotquellen konnten
mit A5/F0-Hauptreihensternen assoziiert werden, die eine Masse von etwa zwei Sonnenmassen
aufweisen. Die Periastronbewegung (Periastron: nächster Punkt zum Zentralobjekt auf der
elliptischen Bahn) des Sterns S2 war sehr aufschlussreich: in einem Abstand von nur 17 Lichtstunden von Sgr A* erreichte
S2 eine Geschwindigkeit von etwa 8000 km/s! Damit schafft es dieser Stern das Galaktische Zentrum in nur 15 Jahren auf einer
gebundenen Keplerschen Bahn zu umrunden.
Trotz der Nähe zur gigantischen Zentralmasse wird der Stern nicht durch
Gezeitenkräfte zerrissen, weil diese mit der sechsten Potenz des Verhältnisses von
Gezeitenradius zu Bahnradius abfallen. Mit anderen Worten: Gezeitenkräfte sind noch zu
schwach bei S2.
Die aktuell favorisierte Masse des supermassereichen Schwarzen Loches im Zentrum der Milchstraße beläuft sich auf 3.6 Millionen
Sonnenmassen - mit einer Unsicherheit von 300000 Sonnenmassen (Eisenhauer et al. 2005) bzw. 3.7 Millionen Sonnenmassen mit einer
Unsicherheit von 200000 Sonnenmassen (Ghez et al. 2005).
Mit dem Zahlenwert von 3.6 Millionen Sonnenmassen ergibt sich ein Schwarzschildradius (der Radius des
Ereignishorizonts eines nicht-rotierenden Schwarzen Loches) von knapp 10.6 Millionen Kilometern, was
15.3 Sonnenradien oder etwa 1700 Erdradien entspricht. Sollte das Schwarze Loch rotieren, was aufgrund seiner Vorgeschichte (Akkretion von
drehimpulsbehafteter Materie über Jahrmillionen) und aktueller Flarebeobachtungen anzunehmen ist, dann ist der Horizont entsprechend
kleiner: im Falle maximaler Rotation (Kerr-Parameter a ~ M in
geometrisierten Einheiten) sind alle oben genannten Werte zu halbieren. In jedem Falle hat man es mit einem
Schwarzen Loch gigantischen Ausmaßes zu tun!
Mit den VLT/NACO-Beobachtungen wurde bereits 2002 eine erstaunliche Entdeckung gemacht: Sgr A* blitzt auf! Diese Infrarotflares
geschehen typischerweise mehrmals täglich und dauern etwa eine Stunde. Die beobachtete Helligkeit der ansonsten im Infraroten dunklen
Region um Sgr A* wird dabei vergleichbar hell wie Sterne im Feld. Die Flares treten in Form von Quasi-periodischen
Oszillationen auf.
Es ist schwierig diesen Vorgang physikalisch zu verstehen, weil nicht genau geklärt ist, was den Flare hervorruft. Eine mögliche
Interpretation ist, dass stark erhitztes Material ein letztes Mal aufflackert, bevor es auf Nimmerwiedersehen in der zentralen Schwerkraftfalle
verschwindet. Unter der Annahme, dass die periodische Modulation des Flares von einer regelmäßigen Bahnbewegung herrührt, lässt
sich sogar eine Aussage über die Lochrotation machen. Das liegt daran, weil die engste Bahn um das Loch (die marginal
stabile Bahn) vom Drehimpuls des Loches abhängt. Je schneller das Loch rotiert, umso engere, stabile Bahnen sind aufgrund der Struktur der
Raumzeit möglich. Die Infrarotbeobachtung des quasi-periodischen Flares von etwa 17 Minuten Periode führt unter diesen Annahmen auf
einen Drehimpuls des Loches, der etwa halb so groß ist, wie der Maximalwert, a ~ 0.5 (Genzel et al., Nature 2003).
Röntgenbeobachtungen
Die Röntgenbeobachtungen finden hingegen im hochenergetischen Strahlungsbereich statt. Das weltraumgestützte
Röntgenobservatorium Chandra schaute vor allem auf das Galaktische Zentrum (seit Jahr 2000). Dabei wurden
ausgedehnte Bereiche sehr heißen Plasmas entdeckt, dass thermisch im Röntgenbereich strahlt ('eine Röntgenblase')
und außerdem zahlreiche, besonders helle Punktquellen. Genau das zeigt das Titelbild dieses Artikels, das 2003 mit Chandra
aufgenommen wurde (Credit: NASA/CXC/MIT Baganoff et al. 2003). Hier tummeln sich etwa 2000 Röntgenquellen auf kleinstem Raum!
Diese ausgedehnten Strukturen heißen, ionisierten Plasmas erwartet man auch in der Umgebung eines Schwarzen Loches, weil
durch Akkretion die Materie stark aufgeheizt wird. Von einer räumlich größeren Skala muss der (magnetisierte)
Akkretionsfluss durch ein Nadelöhr im räumlich viel kleineren Schwarzen Loch verschwinden und es mit Masse anreichern.
Die hellste Röntgenquelle, die in diesem Falschfarbenbild weiß erscheint, ist wiederum
Sgr A*.
Während dieser Beobachtungskampagne wurden Flares nahe Sgr A* auch im Bereich der Röntgenstrahlung entdeckt - genau wie
im Infraroten. Aufgrund der extrem kurzen Zeitskala dieser Röntgenblitze kann gefolgert werden, dass sie nahe am Ereignishorizont
des Schwarzen Loches entstehen müssen. Das folgt beispielsweise bei einer Assoziation der beobachteten Quasiperiode mit der
Keplerumlaufzeit - also der gleichen Interpretation wie bei den Infrarotbeobachtungen.
Auch mit dem europäischen Röntgenteleskop XMM-Newton wurden besonders helle Röntgenflares 2002 entdeckt. Sie zeigen
eine Quasiperiode, die mit charakteristischen Frequenzen eines Testteilchen nahe einem Schwarzen Loch in Zusammenhang gebracht werden
können. Zu diesen Frequenzen gehören die Keplerfrequenz, die vertikale und radiale
Epizykelfrequenz und die Lense-Thirring-Frequenz. Ordnet man die
beobachteten Frequenzen in geeigneter Weise diesen Frequenzen der Theorie zu, so folgt das Wertepaar Lochmasse und Lochrotation!
Röntgenastronomen am MPE folgerten so eine Lochmasse von 2.7 Millionen Sonnenmassen und einen Lochdrehimpuls von a ~ 0.99
(Aschenbach et al. 2004). Diese Messungen sind unabhängig von den Beobachtungen der Infrarotflares und unabhängig
von den Untersuchungen der Sternbewegungen im Infraroten.
Eine neue Methode: Direkte Beobachtung Schwarzer Löcher
Die vorangehenden Methoden involvieren alle elektromagnetische Strahlung. Sie erlauben eine astronomische Messung der Masse des kompakten,
dunklen Objekts und des Volumens, das diese Masse einnimmt. Unter der Annahme, dass es sich bei dem kompakten Objekt um ein
klassisches, rotierendes Schwarzes Loch handele, das durch die Kerr-Raumzeit beschrieben wird,
kann auch die Lochrotation gemessen werden.
Mit Methoden, die elektromagnetische Strahlung nutzen, ist es jedoch nicht möglich, die Existenz des Ereignishorizonts
und der zentralen Krümmungssingularität nachzuweisen (Abramowicz et al. 2002;
Müller 2007). Das liegt knapp gesagt daran, weil eine Zone mit exakt Null elektromagnetischer Emission messtechnisch nicht
nachweisbar ist. Die Singularität ist hinter dem Horizont verborgen (kosmische Zensur nach Roger Penrose). Mit elektromagnetischer
Strahlung lässt sich demnach immer nur indirekt schließen bzw. Alternativen zum klassischen Loch lassen sich nur durch Ausschlussverfahren
beseitigen.
Im Web-Artikel über Schwarze Löcher werden sämtliche Beobachtungsmethoden im Kapitel Beobachtung
Schwarzer Löcher vorgestellt. Die Vermessung von Sternbewegungen ist ein kinematisches Verfahren, die Auflösung von Strukturen
eher ein spektrales Verfahren.
Die theoretische Astrophysik, im Speziellen eine numerische Methode, die man relativistisches Ray Tracing
nennt, gestattet es, bereits im 'Computerlabor' die direkte Beobachtung von Schwarzen Löchern
zu simulieren. Das Resultat zeigt das Bild rechts, bei dem das (rotierende) Schwarze Loch klar inmitten einer leuchtenden, rotierenden Gasscheibe
hervortritt.
Die Idee ist es, die starke Strahlungsabsorption, also das, was Schwarze Löcher schwarz macht, direkt mit einem hochauflösenden Teleskop
zu messen. Schwenkt man mit diesem Superteleskop zufällig über den Bereich, wo man ein Schwarzes Loch vermutet, so sollte die Helligkeit
signifikant abnehmen: Man hätte den 'Schwarzen Fleck' (Dissertation von A. Müller 2004) erblickt! Der schwarze Fleck (engl.
Black Spot) entspricht einem Gebiet stark unterdrückter Emission rund um den äußeren Horizont eines Schwarzen Loches, wie
es ein entfernter Beobachter wahrnimmt. Der Horizontradius steigt mit der Lochmasse an, so dass der Fleck für
schwerere Löcher an Größe gewinnt. Je näher der potentielle Kandidat ist, umso besser kann der schwarze Fleck mit irdischen
Teleskopen aufgelöst werden, weil die scheinbare Größe zunimmt. Beide Kriterien erfüllt das
Galaktische Zentrum. Ein weiterer guter Kandidat ist das zentrale Loch der aktiven Galaxie M87 (Arbeiten der
VLBI-Gruppe am MPI für Radioastronomie, Bonn). Vermutlich werden innerhalb der nächsten fünf Jahre echte Radiofotos gemacht werden,
die so aussehen wie die Ray-Tracing-Simulation oben!
Doch selbst wenn die direkte Abbildung der Schwärze des kompakten, dunklen Objekts im Zentrum der Milchstraße gelingt, wird es schwer
sein, daraus klar ein klassisches Loch zu folgern. Die Schwierigkeit ist, das andere kompakte Objekte wie der Gravastern,
Holostern, Bosonenstern oder Fermionenstern aus
der Sicht des entfernten Bebachters sehr große Ähnlichkeit mit einem klassischen Schwarzen Loch haben. Es muss jedoch betont werden, dass
nach gegenwärtigem Stand der Beobachtungen ein klassisches, rotierendes Schwarzes Loch von 3.6 Millionen Sonnenmassen die Beobachtungen am besten
erklärt.
Gravitationswellen - eine Lösung des Problems?
Neben diesen elektromagnetischen Fenstern der Astronomie tut sich möglicherweise in Kürze ein weiteres, lange
prognostiziertes Fenster auf: die Gravitationswellen. Die Detektoren, wie GEO 600
bei Hannover oder LIGO in den USA, haben bereits ihre Arbeit aufgenommen, um diese Wellenform zu messen. Gravitationswellen
sind Veränderungen in der raumzeitlichen Struktur, die sich mit Lichtgeschwindigkeit fortpflanzen. Albert Einstein
selbst hatte sie in einer linearisierten Näherung der Feldgleichungen seiner
Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt. Diese Wellen sind allerdings rein
klassische Objekte und nicht quantisiert.
Es ist zu erwarten, dass sie einfach auftreten müssen, um die Veränderung einer Raumzeit
zu vermitteln. Starke 'Beben des Raum-Zeit-Kontinuums' erzeugen beschleunigte, kompakte Massen beispielsweise in
Supernovae, verschmelzende Neutronensterne oder der
Urknall selbst. Indirekt haben die Astronomen bereits die Abstrahlung von Gravitationswellen
nachgewiesen! Ein Doppel-Neutronenstern, der so genannte Hulse-Taylor-Pulsar, zeigt eine Annäherung der sich umkreisenden
Neutronensterne, die gerade mit dem abgestrahlten Energieverlust durch Gravitationswellen verträglich ist.
Die gravitationswelleninduzierte Nachweismethode für Schwarze Löcher, die ebenfalls unter Beobachtung
Schwarzer Löcher vorgestellt wird, könnte den ultimativen Test bringen: Denn in der Wellenform von Gravitationswellen
verbergen sich Spuren des Ereignishorizonts - falls er existiert! Gravitationswellen stellen damit nach derzeitigem Kenntnisstand
die einzige Möglichkeit dar, um sicher klassische Schwarze Löcher nachzuweisen.
Im besonderen Fall des Galaktischen Zentrums könnte es nun passieren, dass sich ein Stern zu nahe an das Loch heranwagt.
Durch Gezeitenkräfte wurde der Stern dann zerrissen werden und es käme zu einer kurzzeitigen Emission von Röntgenstrahlung
(X-ray burst). Tatsächlich gelang eine solche Beobachtung 2004 in einer anderen Galaxie (Komossa et al.).
Neben der Röntgenstrahlung müssen auch Gravitationswellen emittiert werden. Vielleicht wird ein solcher Nachweis mit
Gravitationswellendetektoren gelingen. Leider sind diese Ereignisse ziemlich selten: Astronomen erwarten sie nur alle
10000 Jahre bei nicht-aktiven Galaxien wie der Milchstraße (Magorrian & Tremaine, 1999).
Es bleibt ein weiterer Hoffnungsschimmer: Massereiche Objekte, die um das Galaktische Zentrum kreisen, strahlen ebenfalls
Gravitationswellen ab. Es bleibt abzuwarten, ob Gravitationswellen tatsächlich bald direkt entdeckt werden und ob sie die
Erforschung des Zentrums der Milchstraße voranbringen werden. Eines ist klar: Die Gravitationswellenastronomie wird
eine völlig neue Ära astrophysikalischer Forschung eröffnen!
Und der Beweis?
Knapp gesagt: der eindeutige und endgültige Beweis für ein supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum der
Milchstraße steht noch aus! Im Kern liegt die Problematik darin, dass weder der Ereignishorizont, noch die
Singularität bewiesen wurden. Die Astronomen wissen allerdings, dass sich etwas
ungeheuer Massereiches, Kompaktes und Dunkles im Zentrum unserer Heimatgalaxie befindet. Nach heutigem Forschungsstand
passt in dieses Bild nur ein supermassereiches Schwarzes Loch.
Denn bei alternativen Modellen für die Erklärung der hier beschriebenen Phänomene geraten Wissenschaftler
schnell in Erklärungsnöte und zu Widersprüchen mit den aktuellen Messungen:
- Ein dunkles Cluster von vielen Neutronensternen oder
stellaren Schwarzen Löchern hätte eine Lebensdauer von nur wenigen 100 000 Jahren.
Dies passt aber nicht zu den viel älteren Sternen der Umgebung. Ebenso stimmen die theoretischen Dichteverteilungen
dieser Konfigurationen schlecht mit den gemessenen überein: Für einen Sternhaufen ist die Dichte viel zu hoch!
- Die so genannte Fermionenball-Hypothese kann ausgeschlossen werden, weil
die beobachteten Sternenbahnen um Sgr A* nicht mit einem solchen Fermionenball konsistent wären (Maoz 1998).
Im Fermionenball-Modell wird die Existenz von schweren Fermionen (Masse von 10 bis 17 keV) angenommen,
die supersymmetrisch seien und z.B. Namen haben wie Gravitino oder Axino.
Diese (hypothetischen!) Teilchen sollen sich in 'Bällen' im Galaktischen Zentrum ansammeln, die durch einen
Entartungsdruck zusammengehalten und stabilisiert werden würden (vergleiche Weiße Zwerge
und Chandrasekhar-Masse sowie Oppenheimer-Volkoff-Grenze).
Modellrechnungen zeigen minimale Bahnperioden von etwa 37 Jahren, die klar den Infrarotmessungen am Stern S2
widersprechen.
- Die Bosonenball-Hypothese kann durch die aktuellen Messungen noch nicht
ausgeschlossen werden (Lu & Torres 2003). Dabei handelt es sich um eine Ansammlung schwach wechselwirkender
Bosonen, die bei diesen Ausdehnungen eine Größe knapp oberhalb des Horizonts eines
äquivalenten superschweren Loches hätte. Allerdings ist es komplett unverstanden, wie sich ein solcher Bosonenball bilden
sollte. Darüber hinaus kann eine solche Konfiguration instabil werden und zu einem Schwarzen Loch kollabieren.
Nachweislich akkretiert das schwere, kompakte Objekt mit Raten von 10-7 bis 10-5
Sonnenmassen pro Jahr, was zwar nicht viel ist, aber ausreichen könnte, um alternative Konfigurationen außer einem SMBH
kollabieren zu lassen. Indes erscheint auch diese Bosonenball-Hypothese unwahrscheinlich. Im Fall der Seyfertgalaxie MCG-6-30-15
wurde bereits der Bosonenball als Alternative zum SMBH ausgeschlossen (Lu & Torres 2003).
- Es bleibt eine Diskussion der Alternativen zum Schwarzschild-Loch:
Gravastern und Holostern. Sie sind fast ebenso dunkel
wie Schwarze Löcher und beschreiben eine andere Raumzeit, sogar eine, die ohne Ereignishorizont (beide Lösungen) und
ohne Singularität (nur beim Gravastern) auskommt. Die Chancen, jemals ein statisches Schwarzes Loch von einem
Gravastern oder Holostern unterscheiden zu können, stehen schlecht: Die Astronomen müssten dem Horizont mit
astronomischen Mitteln sehr nahe kommen. Leider ist aber per se die Strahlungsemission dort so gering, dass auch
ebenso wenig Information zum Beobachter gelangt. Im Fall von Sgr A* wurden mit verschiedenen Beobachtungen (Infrarot und Röntgen)
allerdings eine Rotation der Raumzeit nachgewiesen. Diese Eigenschaft haben Grava- und Holostern nicht, so dass
der aktuelle Favorit ein supermassereiches Kerr-Loch im Zentrum der Milchstraße ist.
Literaturauswahl
- Krabbe et al., The Nuclear Cluster of the Milky Way: Star Formation and Velocity Dispersion in the Central 0.5 Parsec, ApJ 447, L95, 1995
- Eckart & Genzel, Observations of stellar proper motions near the Galactic Centre,
Nature 383, 415, 1996
- Genzel et al., The Dark Mass Concentration in the Central Parsec of the Milky Way, ApJ 472, 153, 1996
- Ghez et al., High Proper Motions in the Vicinity of Sgr A*: Unambiguous Evidence for a massive central Black
Hole, IAUS 184, 433, 1998
- Ghez et al., High Proper Motion Stars in the Vicinity of Sgr A*: Evidence for a Supermassive Black Hole at
the Center of Our Galaxy, 1998, astro-ph/9807210
- Maoz, Dynamical Constraints on Alternatives to Supermassive Black Holes in Galactic Nuclei, ApJ 494, L181, 1998,
astro-ph/9710309
- Falcke et al., Viewing the Shadow of the Black Hole at the Galactic Center, 1999,
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- Genzel et al., Stellar Dynamics in the Galactic Centre: Proper Motions and Anisotropy, 2000,
astro-ph/0001428
- Ghez et al., The Accelerations of Stars Orbiting the Milky Way's Central Black Hole, Nature 407, 349, 2000;
astro-ph/0009339
- Eckart et al., Stellar Orbits near Sagittarius A*, 2002,
astro-ph/0201031
- Ott et al., Inward Bound: Studying the Galactic Center with NAOS/CONICA, 2003,
astro-ph/0303408
- Genzel et al., Near-infrared flares from accreting gas around the supermassive black hole at the Galactic Centre,
Nature 425, 934, 2003
- Ghez et al., The First Measurement of Spectral Lines in a Short-Period Star Bound to the
Galaxy's Central Black Hole: A Paradox of Youth, ApJ 586, 127, 2003;
astro-ph/0302299
- Lu & Torres, The Relativistic Iron Kα Line from an Accretion Disc Onto a Static
Non-Baryonic Compact Object, Int. J. Mod. Phys. D12, 63, 2003; astro-ph/0205418
- Ghez et al., Stellar Orbits around the Galactic Center Black Hole,
ApJ 620, 744, 2005; astro-ph/0306130
- Aschenbach et al., X-ray flares reveal mass and angular momentum of the Galactic Center black hole,
A&A 417, 71, 2004
- Eisenhauer et al., SINFONI in the Galactic Center: Young Stars and Infrared Flares in the Central Light-Month,
ApJ 628, 246, 2005; astro-ph/0502129
- Gillessen & Genzel, Galaktisches Zentrum: Jagd auf das Schwarze Loch, Sterne und Weltraum 12/2006
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© Andreas Müller, August 2007
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