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Schwarze Löcher -

Das dunkelste Geheimnis der Gravitation


Computersimulation einer leuchtenden, um 40 Grad geneigten Materiescheibe um rotierendes Schwarzes Loch

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Historie Schwarzer Löcher

1750

  • Die erste geschichtlich nachweisbare Spekulation über Schwarze Löcher, wenn sie auch noch nicht so genannt wurden, unternimmt der Pfarrer, Geologe und Astronom John Michell (1724 - 1793) in seiner Rede vor der Royal Society aus dem Jahr 1783. Dort sagt er: 'If the semi-diameter of a sphere of the same density as the Sun in the proportion of five hundred to one, and by supposing light to be attracted by the same force in proportion to its mass with other bodies, all light emitted from such a body would be made to return towards it, by its own proper gravity.' Damit weist er darauf hin, dass es besonders dichte Körper im Kosmos geben könnte, deren Fluchtgeschwindigkeit gleich der Lichtgeschwindigkeit ist. Dann könnte Licht von diesen Körpern nicht entkommen und sie müssten schwarz sein.
  • Im Jahre 1795 mutmaßt auch Pierre Simon de Laplace (1749 - 1827) in seiner Veröffentlichung Exposition du Système du Monde auf der Basis der Newtonschen Gravitationstheorie und Korpuskulartheorie des Lichts, dass es genügend schwere Sterne geben könnte, von denen korpuskulares (teilchenartiges) Licht nicht entkommen könnte.

1900

  • Albert Einstein (1879 - 1955) entwickelt die Relativitätstheorie. Die Spezielle Relativitätstheorie (SRT) veröffentlicht er in seinem Wunderjahr 1905. Diese erste Relativitätstheorie beschreibt die Physik gleichförmig bewegter Bezugssysteme und hat als wesentliche Grundannahmen die Konstanz der Vakuumlichtgeschwindigkeit c in allen Inertialsystemen und die Gleichwertigkeit aller Inertialsysteme (spezielles Relativitätsprinzip). Schon mit der SRT vollzieht sich ein neues Verständnis von Raum und Zeit sowie den Begriffen Gleichzeitigkeit und Länge. Raum und Zeit verschmelzen zu einer Einheit: zum Raum-Zeit-Kontinuum oder kurz zur Raumzeit. Der von Aristoteles (384 - 322 v.Chr.) und Sir Isaac Newton (1643 - 1727) geschaffene Begriff der absoluten Zeit wird schlagartig unhaltbar. Zeit und Länge sind relative Größen, die vom Bezugsrahmen abhängen.
    Die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) begründet Einstein erst 1915. Diese mathematisch deutlich kompliziertere Theorie stellt die Verallgemeinerung der Speziellen Relativitätstheorie auf beschleunigte Bezugssysteme dar. Weil die Gravitation Bezugssysteme beschleunigt, handelt es sich um eine Theorie der Gravitation, die die Newtonsche Gravitationsphysik ablöst.
    Bis zum heutigen Tag werden die Einsteinschen Postulate, auf denen seine Relativitätstheorie fußt (Konstanz der Vakuumlichtgeschwindigkeit, Relativitätsprinzip, Äquivalenzprinzip, Kovarianzprinzip) bestätigt, so dass seine Theorie erfolgreich die Natur beschreibt.
  • Der deutsche Astronom Karl Schwarzschild (1873 - 1916) findet bald nach Veröffentlichung der ART die erste Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen im Jahr 1916: Diese heute äußere Schwarzschild-Lösung genannte Metrik beschreibt nicht rotierende, statische Schwarze Löcher, die jedoch schon alle wesentlichen Eigenschaften Schwarzer Löcher aufweist. So gibt es einen Ereignishorizont und eine zentrale Singularität.
    Im gleichen Jahr entdeckt Schwarzschild die innere Schwarzschild-Lösung. Sie ist nicht mehr statisch, keine Vakuumraumzeit mehr und wird von einer inkompressiblen Flüssigkeit erzeugt, die Kugelform besitzt. Die Schwarzschild-Lösungen werden in einem separaten Kapitel ausführlich besprochen.
  • Eine erste Verallgemeinerung erfährt diese nicht rotierende Lösung durch die Arbeiten von Hans Jacob Reissner (1874 - 1967) (Über die Eigengravitation des elektrischen Feldes nach der Einsteinschen Theorie, 1916) und G. Nordstrøm (On the energy of the gravitational field in Einstein's theory, 1918). Die ebenfalls kugelsymmetrische Metrik enthält in dem zeitlichen und radialen Term eine elektrische Ladung. Ableiten lässt sich diese Reissner-Nordstrøm-Lösung aus den Einstein-Maxwell-Gleichungen. Der Energie-Impuls-Tensor ist hier nicht null, sondern entspricht dem Maxwell-Tensor.
  • Der indische Astrophysiker Subrahmanyan Chandrasekhar (1910 - 1995) entdeckt 1930, dass es für eine Ansammlung entarteter, relativistischer Materie (beschrieben als ideales Fermigas) eine kritische Grenzmasse gibt (Papier: The Maximum Mass of Ideal White Dwarfs, 1931). Objekte unterhalb dieser so genannten Chandrasekhar-Grenze von etwa 1.46 Sonnenmassen heißen Weiße Zwerge. Es gibt sie tatsächlich: Astronomen entdecken bis heute Weiße Zwerge - in großer Zahl vor allem in Kugelsternhaufen. Oberhalb der Chandrasekhar-Masse führt der Gravitationskollaps zu noch kompakteren Objekten: Neutronensternen. Auch diese kompakten Sterne sind vermutlich bis maximal drei Sonnenmassen (neuere Arbeiten gehen eher von kleineren Maximalmassen der Neutronensterne aus) stabil und kollabieren dann zu stellaren Schwarzen Löchern.
  • Chandrasekhars Veröffentlichung inspiriert den besonders angesehenen, englischen Astrophysiker Sir Arthur S. Eddington (1882 - 1944) 1935 zu der Spekulation, dass - gäbe es dieses Massenlimit - relativistische Sterne so sehr kollabieren könnten, dass ihr Gravitationsfeld die Strahlung 'einfangen' würde. Freilich nennt er diese Objekte nicht Schwarze Löcher; er empfindet sogar diese Vorstellung als absurd und würde eher Naturgesetze erwarten, die diese Absurdität verhindern.
  • Julius Robert Oppenheimer (1904 - 1967) und Hartland Snyder (1913 - 1962) veröffentlichen 1939 das Papier On continued gravitational contraction über den relativistischen Gravitationskollaps einer homogenen Flüssigkeitskugel. Dies ist die erste Berechnung, wie sich ein kollabierendes Objekt während des Kollapses von der Außenwelt durch die Ausbildung eines Ereignishorizontes abschirmt. Es ist ebenfalls die erste Rechnung, die zeigt, wie dramatisch unterschiedlich die Sichtweise aus verschiedenen Bezugssystemen sein kann: ein Beobachter auf der implodierenden Sternoberfläche würde in endlicher Zeit den Kollaps des Sterns beobachten (was er vermutlich keinem mehr berichten könnte), während für einen Beobachter im Unendlichen die Implosionsbewegung ab einem kritischen Punkt 'eingefroren' würde.
  • Im gleichen Jahr, 1939, berechnen Oppenheimer und George Michael Volkoff (1914 - 2000) die relativistischen Grundgleichungen eines kompakten Neutronensterns in dem Papier On massive neutron cores. Sie nehmen Bezug auf die analytische Vorarbeit von Richard Chase Tolman (1881 - 1948), der ebenfalls 1939 in dem Papier Static solutions of Einstein's field equations for spheres of fluid das Thema behandelt. Das Fluidum aus Neutronen, das sich durch inversen Betazerfall ausbildet, wird dabei als Fermi-Gas und relativistisch beschrieben. Ausfluss dieser Berechnungen sind die vier so genannten TOV-Gleichungen (TOV für Tolman-Oppenheimer-Volkoff), die die Newtonschen Gleichungen eines Sterns verallgemeinern. Die TOV-Gleichungen gehen im asymptotischen Außenraum-Limit in die Schwarzschild-Lösung über.

1950

  • Es folgen Jahrzehnte der Ignoranz des Problems Gravitationskollaps auf ein punktförmiges, dunkles Objekt. Dies liegt einerseits daran, dass keine neuen, wichtigen Erkenntnisse gewonnen wurden, aber auch sicherlich an der Ablehnung dieser möglichen, stellaren Konfiguration durch anerkannte Physiker wie Eddington und L.D. Landau.
  • Die Schwarzschild-Singularität der Schwarzschild-Lösung bei zwei Gravitationsradien (einem so genannten Schwarzschild-Radius) wird in den 50er Jahren durch ein neues Koordinatensystem von David Finkelstein als Koordinatensingularität entlarvt. Diese lässt sich mit den Eddington-Finkelstein-Koordinaten vermeiden. Wolfgang Rindler schlägt daher den Namen Horizont für diese kritische Fläche vor.
  • 1957 zeigen Tullio Regge und John A. Wheeler, dass die Schwarzschild-Lösung stabil ist gegenüber nicht kugelsymmetrischen Störungen der Metrik.

1960

  • Roy Patrick Kerr (* 1934) findet 1963 eine Verallgemeinerung der Schwarzschild-Lösung auf rotierende Schwarze Löcher. Die Raumzeit dieser Vakuumlösungen der Einsteinschen Feldgleichungen ist axialsymmetrisch und stationär. Fortan nennt man diese Form rotierender Schwarzer Löcher Kerr-Lösung. Die historische Kerr-Form war kartesisch und ist für die Anwendung unhandlich. Mehr Details zur Kerr-Metrik folgen in einem nächsten Kapitel.
  • Der Physiker Roger Penrose vermutet 1964 die Existenz von Singularitäten im Innern Schwarzer Löcher. 1965 folgt die Veröffentlichung Gravitational collapse and space-time singularities. In der Folgezeit entwickelt er zusammen mit Stephen W. Hawking die Singularitätentheoreme, die die Existenz einer Singularität zwingend erfordern.
  • Auch die Kerr-Metrik erhält eine Verallgemeinerung, nämlich in der Form, dass das Schwarze Loch neben Masse und Drehimpuls eine elektrische Ladung besitzen kann. Dann nennt man diese Schwarzen Löcher Kerr-Newman-Lösungen. Sie werden 1965 von E. T. Newman, E. Couch, K. Chinnapared, A. Exton, A. Prakash und R. Torrence gefunden (Papier: Metric of a rotating, charged mass) und später als geladenes, rotierendes Schwarzes Loch identifiziert.
    Dieser Typus ist für astrophysikalische Anwendungen zu akademisch, weil Ladungsunterschiede zwischen Loch und Umgebung immer durch elektrische Ströme (Plasmaströme, z.B. im Akkretionsfluss) ausgeglichen werden sollten. Kerr-Newman-Löcher sind also nur in völliger Isolation denkbar. Nichtsdestotrotz sind Kerr-Newman-Löcher interessante Studienobjekte für Relativisten.
  • R. H. Boyer und R. W. Lindquist finden 1967 die heutige Standardschreibweise für rotierende, ungeladene Schwarze Löcher, die Boyer-Lindquist-Form, die sie in der Veröffentlichung Maximal analytic extension of the Kerr metric darlegen. Die Boyer-Lindquist-Form weist eine ungünstige Eigenschaft auf: Neben der (unvermeidbaren) intrinsischen Singularität hat sie auch (vermeidbare) Koordinatensingularitäten an den beiden Horizonten des rotierenden Loches. Diese 'pathologischen' Eigenschaften werden durch Kerr-Schild-Koordinaten ausgeräumt.
  • Mit den Satelliten VELA 4A und B, die eigentlich militärischen Zwecken dienen, entdecken Forscher 1967 kurzzeitige Strahlungsausbrüche am Himmel im Bereich höchster Strahlungsenergien: diese Gammastrahlenausbrüche werden unter dem Namen Gamma Ray Bursts (GRBs) bekannt. Sie sind das Leuchtkräftigste, was es im Kosmos gibt! Was sie mit Schwarzen Löchern zu tun haben, wird erst etwa dreißig Jahre später klar (siehe unten).
  • Der Relativist und Astronom John Archibald Wheeler (* 1911) erfindet 1967 den Begriff Schwarzes Loch (engl. black hole). Dieser neue Begriff löst die bis dato gebräuchlichen Namen gefrorener Stern der östlichen Hemisphäre und kollabierter Stern der westlichen Hemisphäre ab. 51 Jahre nach deren Entdeckung in der Theorie erhalten Schwarze Löcher ihren Namen: Kein Kind war wohl jemals so alt, als es einen Namen erhielt.
    Auf Wheeler geht auch das Keine-Haare-Theorem (engl. No-hair theorem) zurück, das besagt, dass Schwarze Löcher nur maximal drei Eigenschaften haben: Masse, Drehimpuls und Ladung. Wheeler umschreibt das so: 'Ein Schwarzes Loch hat keine Haare.'
  • Penrose entdeckt im Jahr der Mondlandung 1969 die kosmische Zensur (engl. cosmic censorship). Sie besagt, dass intrinsische (echte) Singularitäten hinter einem Ereignishorizont versteckt sind. Es gibt keine sichtbaren (nackten) Singularitäten in der Natur. Dieses plausible Theorem ist bis heute unbewiesen.
  • In den ausklingenden 'Goldenen Sechziger der Astronomie' wird auch das AGN-Paradigma geboren. Die Astrophysiker D. Lynden-Bell und Martin J. Rees etablieren in Veröffentlichungen in den Jahren 1969 und 1971 die gängige Vorstellung, dass ein akkretierendes, supermassereiches Schwarzes Loch die Aktivität und enorme Leuchtkraft der aktiven Galaxienkerne (AGN) wie die der Quasare hervorruft.

1970

  • James Bardeen definiert 1970 ein neues Koordinatensystem für rotierende Raumzeiten: das lokale nicht rotierende Beobachtersystem (local non-rotating frame, LNRF). Dieser Beobachter rotiert lokal mit der Raumzeit (z.B. in der Kerr-Metrik), so dass Effekte wie Frame-Dragging lokal aufgehoben werden. Der Beobachter heißt dann auch Bardeen-Beobachter oder ZAMO (zero angular momentum observer, Beobachter verschwindenden Drehimpulses) in der Literatur. In der Folgezeit bewährte sich dieses Beobachtersystem in der theoretischen Beschreibung sowie in Computersimulationen von Schwarzen Löchern außerordentlich.
  • Der bekannte Kosmologe Stephen W. Hawking (* 1942) entdeckt 1970, dass die 'Oberfläche' eines Schwarzen Loches, der Horizont, immer weiter zunimmt (z.B. durch Akkretion). Später wird er das in ein thermodynamisches Konzept Schwarzer Löcher einbetten.
  • Der amerikanische Relativist Robert M. Wald (*1947) beschreibt mit J.M. Cohen elektrische Punktladungen in der Nähe Schwarzer Löcher (1971). 1974 findet er eine Raumzeit, die man heute nach ihm Wald-Lösung nennt: Es wird interpretiert als ein rotierendes Schwarzes Loch, das in ein uniformes Magnetfeld eingetaucht ist.
  • Der kanadische Astronom Tom Bolton identifiziert 1972 Cygnus X-1 aufgrund der Röntgenemission als ersten Kandidaten für ein stellares Schwarzes Loch. Gemäß der Terminologie der Astronomen kennzeicnet Cygnus X-1 die hellste Röntgenquelle (X-1) im Sternbild Schwan (Cygnus). Das Loch wiegt etwa zehn Sonnenmassen.
  • Die Astrophysiker Nikolai Ivanovich Shakura und Rashid Alievich Sunyaev entdecken 1973 eine neue Akkretionslösung, also eine neue Form eines Materiestroms, der von einer Masse aufgesammelt wird. Diese flache, durch Strahlung effizient gekühlte Materiescheibe heißt Standardakkretionsscheibe oder SSD für Shakura-Sunyaev Disk. Für Schwarze Löcher (aber auch für viele andere Materie aufsammelnde Objekte) ist dieser Akkretionsfluss von großer Bedeutung, weil er viele astronomische Beobachtungen (Spektren) erklärt.
  • Hawking leitet 1974 die dann nach ihm benannte Hawking-Strahlung theoretisch ab: Schwarze Löcher können Teilchen emittieren, wenn der quantentheoretische Prozess der Paarbildung nahe am Ereignishorizont stattfindet. Gemäß der Quantentheorie entstehen und vergehen im Vakuum ständig virtuelle Teilchenpaare, dadurch dass aufgrund der Heisenbergschen Unschärferelation für sehr kurze Zeiten Energiebeträge zur Verfügung stehen, aus denen Teilchen materialisieren können. Sehr leichte Schwarze Löcher von etwa 1018 g können durch diese Teilchenemission am Horizont 'verdampfen'. Die hypothetischen, so genannten primordialen Schwarzen Löcher waren vielleicht in der Frühphase des Universums von Relevanz.
    Außerdem entwickelt Hawking eine Thermodynamik Schwarzer Löcher mit analogen Hauptsätzen zur klassischen Thermodynamik.
  • D.C. Robinson entdeckt 1975 den Eindeutigkeitssatz für stationäre und axialsymmetrische Raumzeiten. Diese seither Robinson-Theorem genannte Regel besagt, dass eine achsensymmetrische, asymptotisch flache, reguläre Raumzeit mit konvexem Horizont eindeutig durch zwei Parameter bestimmt ist: Masse und Drehimpuls.
  • Die Astrophysikern R.D. Blandford und R.L. Znajek schlagen 1977 einen Prozess vor, der es erlaubt, auf elektromagnetischem Wege einem rotierenden Schwarzen Loch Rotationsenergie zu entnehmen. Dieser Vorgang ist heute bekannt als Blandford-Znajek-Mechanismus. Der Mechanismus ermöglicht es, die Jets aktiver Galaxien mit relativistischen Elektronen und Positronen zu 'füttern'.

1980

  • Der Relativist William G. Unruh findet 1984 zusammen mit Robert M. Wald in einer theoretischen Arbeit das Pendant zur Hawking-Strahlung: Beschleunigungsstrahlung. Sie entsteht im Unruh-Effekt, wenn ein beschleunigter Beobachter die flache Raumzeit (Minkowski-Vakuum) durchfliegt und dieses Vakuum als thermisches Teilchenbad (die Beschleunigungsstrahlung) wahrnimmt. Diese Erkenntnis mündet in eine Relativität des Teilchenbegriffes: Es hängt vom Bezugssystem ab, ob ein Teilchen real oder virtuell ist!
  • In den 1980er Jahren werden Röntgenquellen extrem hoher Leuchtkraft mit dem Hochenergiesatelliten Einstein beobachtet (Fabbiano 1989). Ihre Leuchtkraft übersteigt im Röntgenband zwischen 0.2 und 3.5 keV den Wert von 1039 erg/s! Die Astronomen sind sich sicher, dass es sich bei den Objekten weder um aktive Galaxien, noch um Supernovaremnants handelt.

1990

  • Im Juni 1990 startet der deutsch-britische Röntgensatellit ROSAT eine äußerst erfolgreiche Dekade von Röntgenbeobachtungen. Zum ersten Mal wird beim ROSAT all-sky survey der gesamte Himmel im Bereich der Röntgenstrahlung zwischen 0.1 und 2.4 keV abgelichtet. Das Ergebnis ist beeindruckend: Heute wissen die Astronomen, dass sich der kosmische Röntgenhintergrund aus diskreten Quellen zusammensetzt - vor allem aktive Galaxien, wie Quasare und Seyfert-Galaxien (Hasinger et al. 1993, 1998). Der heutige Anblick der Röntgenhintergrundstrahlung zeigt einen Schnappschuss von vielen akkretierenden, supermassereichen Schwarzen Löchern über eine lange kosmische Zeitspanne!
  • Die Astrophysiker Ramesh Narayan und Insu Yi entdecken 1994 eine weitere, wichtige (analytische) Akkretionslösung, den ADAF, ein Akronym für Advection Dominated Accretion Flow, was sich als advektionsdominierter Akkretionsfluss übersetzen lässt. Dieser räumlich ausgedehnte, durch Strahlung ineffizient gekühlte Materiestrom hatte das Potenzial, um die beobachteten, harten Röntgenspektren, z.B. von Cyg X-1 zu erklären.
  • Das optische Weltraumteleskop Hubble (Hubble Space Telescope, HST) findet 1994 eine starke Evidenz für ein supermassereiches Schwarzes Loch in M87, einer riesigen, elliptischen Radiogalaxie im Sternbild Virgo (Jungfrau). Spätestens jetzt ist das Paradigma Aktiver Galaktischer Kerne (siehe 1960er) voll etabliert: im Zentrum aktiver Galaxien, wie Quasaren, Blazaren, Seyfert-Galaxien und Radiogalaxien befindet sich ein akkretierendes, supermassereiches Schwarzes Loch, das Ursache für die enorme Leuchtkraft ist.
  • Japanische Röntgenastronomen entdecken 1995 mit dem erfolgreichen, japanischen Röntgensatellit ASCA eine relativistisch verbreiterte Eisenlinie in der Seyfert-Galaxie MCG-6-30-15 (Tanaka et al. 1995). Mit dieser speziellen Röntgenlinie lässt sich die unmittelbare Umgebung eines Schwarzen Loches analysieren, weil sie meist vom inneren Rand der Standardakkretionsscheibe emittiert wird. Der Scheibeninnenrand ist bei MCG-6-30-15 kleiner als die marginal stabile Bahn eines Schwarzschild-Loches. Damit weist diese Beobachtung erstmals darauf hin, dass ein kosmisches Schwarzes Loch rotiert!
  • Astronomen des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching (Genzel, Eckart & Krabbe 1995; Eckart & Genzel 1996) beobachten mit Infrarotteleskopen die Bewegung von Sternen um das Zentrum der Milchstraße. Indirekt lassen diese Beobachtungen den Schluss zu, dass die kompakte Radioquelle Sgr A* mit einem sehr kompakten, dunklen Objekt von etwa 2.4 Mio. Sonnenmassen assoziiert ist. Die Spekulationen um ein supermassereiches Schwarzes Loch im Herzen unserer Heimatgalaxie werden laut.
  • 1997 wird erstmals ein optisches Nachleuchten eines Gamma Ray Bursts beobachtet! Die Entwicklungen in der Beobachtungstechnologie zur schnellen, exakten Ortung der Blitze machen sich endlich bezahlt.
    Im gleichen Jahr gibt es auch einen Durchbruch in der Theorie der GRBs: Der Gammablitz und das Nachleuchten in anderen Wellenlängenbereichen wird erfolgreich mit den anisotropen Feuerball-Modell erklärt (Meszaros & Rees 1997). Nach diesem Szenario breitet sich ein ultrarelativistischer Jet im interstellaren Medium aus. Dabei wird Synchrotronstrahlung frei, die vom Bereich der Gammastrahlung abnimmt zu kleineren Strahlungsenergien (Nachleuchten, engl. afterglow). Ursache für den Feuerball/die Explosion ist entweder die Verschmelzung kompakter Objekte oder der Kollaps eines massereichen Sterns.
  • Die Spekulationen über die Möglichkeit, Schwarze Löcher in Teilchenbeschleunigern zu erzeugen, werden 1999 ernst zu nehmende, wissenschaftliche Thesen. Die Voraussetzung ist allerdings eine reduzierte Planck-Skala, wie sie im ADD-Szenario (Arkani-Hamed et al., 1998) vorgeschlagen wird. Mit dieser Prämisse wird eine Quantengravitation schon im TeV-Bereich relevant und liegt damit in der Reichweite modernen Teilchenbeschleuniger. Banks & Fischler (1999) beginnen Abschätzungen zu machen für die Wirkungsquerschnitte zur Erzeugung Schwarzer Mini-Löcher aus der Streuung hochenergetischer Teilchen.
    Räumliche Extradimensionen, die noch hypothetisch sind und deren Anzahl man nicht kennt, spielen dabei eine gewichtige Rolle: sie beeinflussen die die Bildung Schwarzer Mini-Löcher.
  • Die Astrophysiker Stone, Pringle & Begelman etablieren 1999 einen neuen Typus von Akkretionsflüssen, die NRAFs, was für non-radiative accretion flows, also nicht-radiative Akkretionsflüsse steht. Bei diesen Materieströmen spielt die Kühlung oder Heizung durch Strahlung keine Rolle oder wird von Anfang an in numerischen Simulationen vernachlässigt. Diese ersten NRAF-Simulationen basieren auf der reinen Hydrodynamik.
  • Japanische Astrophysiker präsentieren erstmals die Ergebnisse einer aufwendigen Computersimulation, bei der die Dynamik von NRAF-Lösungen unter Berücksichtigung der Magnetohydrodynamik auf der gekrümmten Kerr-Raumzeit eines rotierenden Schwarzen Loches untersucht werden kann (Koide et al., 1999). Schon nach kurzer Zeit bilden sich magnetisch getrieben Ausflüsse, was die Forscher so deuten, dass das rotierende Loch einen relativistischen Jet treibt. Leider stellt sich heraus, dass der Code instabil läuft und numerische Probleme hat. Dennoch ist diese Pionierarbeit bedeutend, weil sie die grundsätzliche Annäherung an das herausfordernde Problem aufzeigt.

2000

  • Im Jahr 2000 erhalten die vielfach beobachteten Röntgenquellen extrem hoher Leuchtkraft einen Namen: Die Fachwelt spricht nun von ultraluminous X-ray sources, ULXs, was sich als ultraleuchtkräftige Röntgenquellen übersetzen lässt (Makishima et al. 2000). Definitionsgemäß hat ein ULX eine größere Röntgenleuchtkraft als 1039 erg/s. Die beobachtete Zahl von ULXs ist mittlerweile angestiegen. Astronomen beobachten merkwürdigerweise eine Häufung in Spiralgalaxien. Man weiß nun auch, dass die Spektren gut mit einer Standardakkretionsscheibe erklärt werden können, die Wärmestrahlung abgibt (multi-color disk blackbody). Mit dem Eddington-Argument folgt, dass der Akkretor Massen von mindestens hundert Sonnenmassen haben muss. Damit sind es gute Kandidaten für ein stellares Schwarzes Loch, vielleicht sogar eines größerer Masse, ein intermediate-mass black hole. Rätselhaft ist, dass zu diesen Massen nicht die Temperaturen der Innenränder der Scheiben passen. Eventuell weist diese Inkompatibilität darauf hin, dass die Schwarzen Löcher in ULXs rotieren! Denn dann rückt die der stabile Innenrand der Scheibe näher an das Loch heran und wird heißer (siehe marginal stabile Bahn).
  • G. Chapline, E. Hohlfeld, R.B. Laughlin und D.I. Santiago verbinden Ende 2000 Konzepte der Quantentheorie mit der Theorie Schwarzer Löcher. Sie verwenden dazu ähnliche Formalismen, wie in der Beschreibung von Bose-Einstein-Kondensaten und erwarten einen Quantenphasenübergang am Horizont Schwarzer Löcher. Wesentliche Folgen dieses Konzepts sind eine neue Beschreibung des Inneren Schwarzer Löcher, das eher einer de-Sitter-Blase (ein Vakuum mit positiver kosmologische Konstante) gleicht und eine Reflexionseigenschaft am Horizont für harte Gammastrahlung besitzt.

2001

  • Gravitationsforschern am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (dem Albert-Einstein-Institut, AEI) in Golm gelingt erstmals die Simulation einer Kollision zweier Schwarzer Löcher (Alcubierre et al. 2001). Dieses Projekt basiert auf einem internationalen Netzwerk von Supercomputern und der Verwendung des Cactus Codes. Die aufwendige Simulation zeigt, dass das kollabierende Binärsystem Gravitationswellen emittiert. Die Schwarzen Löcher umkreisen sich auf immer enger werdenden Bahnen und verschmelzen schließlich in einer finalen Kollision zu einem einzigen Loch. Mit dieser Simulation weisen die Theoretiker der Gravitationswellenastronomie den Weg, denn noch sind diese 'Erschütterungen der Raumzeit' nie direkt beobachtet worden.
  • Pawel O. Mazur und Emil Mottola greifen die Ideen von Chapline et al. auf, erweitern sie und finden Ende 2001 eine Alternative zu den klassischen Schwarzen Löchern: ohne Singularität und ohne Horizont: Sie nennen diese Objekte Gravasterne. Die Gravastern-Metrik ist in bisheriger Form noch kugelsymmetrisch und entspricht im Außenraum der Schwarzschild-Lösung. Der Innenraum ist materiefrei, entspricht jedoch einer de-Sitter-Blase, also einer Ansammlung Dunkler Energie (Diese Substanz ist verwandt mit der kosmischen Dunklen Energie, die für die beschleunigte Expansion des Universums sorgt). In der Übergangsregion zwischen Schwarzschild-Vakuum und Blase aus Dunkler Energie befindet sich eine dünne Schale aus einem Bose-Einstein-Kondensat. Dies und hauptsächlich das Reservoir Dunkler Energie ist die Quelle des Gravitationsfeldes eines Gravasterns. Der ästhetische Reiz dieser Lösung besteht darin, dass sie ohne zentrale Singularität auskommt. Eine Verallgemeinerung der Gravastern-Lösung auf rotierende, d.h. axialsymmetrische Formen steht noch aus.

2002

  • Das Instrument BATSE auf dem Hochenergiesatellit Compton Gamma Ray Observatory (CGRO) sammelt große Datenmengen vieler Gammastrahlenausbrüche. Trägt man die Anzahl beobachteter Gammablitze über ihre Dauer auf, zeigt sich überraschenderweise eine bimodale Verteilung (Dermer et al. 2002). Es gibt zwei Arten von Bursts: kurzzeitige, die kürzer sind als etwa zwei Sekunden und sogar nur wenige Millisekunden dauern können und langzeitige Ausbrüche, die deutlich länger dauern, typischerweise bis zu etwa 1000 Sekunden. Die Astrophysiker spekulieren über unterschiedliche, physikalische Entstehungsmechanismen. Bei den kurzzeitigen GRBs nimmt man an, dass kompakte Objekte (z.B. die Komponenten eines Doppelsterns) miteinander verschmelzen. Bei den langzeitigen GRBs, auch Hypernovae genannt, favorisieren die Astronomen den Gravitationskollaps eines besonders massereichen Sterns, der eine noch gewaltigere Explosion verursacht, als eine Supernova. In beiden Szenarien bildet sich höchstwahrscheinlich ein stellares Schwarzes Loch. Mit anderen Worten: Bei der Beobachtung eines GRBs wohnt man der Entstehung eines Schwarzen Loches bei!
  • Die Simulationen der Akkretionsflüsse namens NRAF erreichen durch die Forschungsarbeiten von Steven A. Balbus und James Hawley ein neues theoretisches Regime: Nun ist es möglich die resultierenden Ströme unter den Einflüssen der Magnetohydrodynamik und eines Paczynski-Wiita-Potentials zu studieren. Beide Erweiterungen kommen den Verhältnissen bei realen Akkretionsflüssen um Schwarze Löcher deutlich näher.
  • Es gibt 2002 eine schwache Evidenz für massereiche Schwarze Löcher in den Zentren von Kugelsternhaufen. Sie sollen gerade Massen zwischen stellaren und supermassereichen Schwarzen Löchern aufweisen und damit die bisher beobachtete 'große Massenlücke' füllen. Weitere Untersuchungen müssen folgen.
  • Ende 2002 entdecken Röntgenastronomen des MPE Garching im ULIRG NGC 6240 zum ersten Mal ein doppeltes supermassereiches Schwarzes Loch (Komossa et al. 2002). Dieses doppelte Schwarze Loch (engl. binary black hole) speist einen doppelten AGN (engl. binary AGN).

2003

  • Die Infrarotastronomen des MPE Garching beobachten weiterhin das Zentrum der Milchstraße, diesmal allerdings mit dem leistungsfähigen Very Large Telescope (VLT). Die Sternbewegungen deuten nun auf ein schwereres Schwarzes Loch von etwa 3 Mio. Sonnenmassen hin (Genzel et al., 2003). Blitze im Nahinfrarotbereich (NIR flares) legen sogar den Verdacht nahe, dass das superschwere Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße rotiert (Kerr-Parameter von etwa a ~ 0.52). Diese Beobachtung ist die bis dato beste gefundene Evidenz für die Rotation eines Schwarzen Loches! Hinweise auf die Loch-Rotation bei anderen Quellen, z.B. im Rahmen der Röntgenemissionsliniendiagnostik bei aktiven Galaxien und Röntgendoppelsternen sind deutlich weniger evident und schwächer zu bewerten.
  • Die theoretischen Astrophysiker Jean-Pierre De Villiers und John Hawley schaffen 2003 einen Durchbruch in der Akkretionsphysik Schwarzer Löcher: Sie stellen die ersten Resultate einer längeren, stabilen Simulation eines strahlungslosen Akkretionsflusses (NRAF) im Regime der idealen Magnetohydrodynamik auf der Kerr-Geometrie vor! Sie lösen damit die Frage, wie eine magnetisierte Flüssigkeit in ein rotierendes Schwarzes Loch fällt auf dem Computer. Im gleichen Jahr gelingt das auch einer anderen Forschergruppe um Charles F. Gammie.
  • Der deutsche Physiker Michael Petri stellt 2003 eine weitere neue Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen vor, die eine Alternative zum klassischen Schwarzschild-Loch ist: den Holostern. Die Außenzone der Raumzeit ist wiederum identisch mit der Schwarzschild-Lösung; im Unterschied zum Gravastern ist das Innere eines Holosterns angefüllt mit radialen Strings! Die Strings sind allerdings nur eine mögliche Interpretation des Holosterninnern von vielen. Mit anderen Worten: Sollten die Stringtheorien falsifiziert werden, ist nicht automatisch das Holostern-Modell falsifiziert. Holosterne haben keinen Horizont und keine Singularität - das rückt sie in das Interesse der modernen Physik, denn vielleicht kann so das Innere Schwarzer Löcher unter dem Blickwinkel der modernen Physik verstanden werden.
    Zusammenfassend stehen nun drei nicht rotierende Varianten eines Schwarzen Loches zur Verfügung: Schwarzschild-Loch, Gravastern und Holostern. Sie sind mit den heute verfügbaren technischen Mitteln der beobachtenden Astronomie nicht unterscheidbar!
  • Röntgenastronomen des MPE Garching nutzen den europäischen Röntgensatellit XMM-Newton, um den guten Kandidaten für ein supermassereiches Schwarzes Loch bei Sgr A* zu untersuchen (Aschenbach et al., 2004). Das Resultat im hochenergetischen Bereich der Strahlung bestätigt die Masse von etwa 3 Mio. Sonnenmassen, weist aber auf eine deutlich höhere Lochrotation am theoretischen Limit, a = 0.99, hin. Diese Interpretation folgt aus der Analyse der Spektren von Röntgenblitzen, die sich in unmittelbarer Nähe zum Loch ereignen. Was da blitzt, ist bislang unklar (Instabilitäten im Akkretionsfluss? Sterne?).
  • Der Astrophysiker Andrea Merloni und Kollegen entdecken eine Fundamentalebene der Aktivität Schwarzer Löcher, die eine Korrelation zwischen Lochmasse, Röntgen- und Radioleuchtkraft offen legt. Die Fundamentalebene eignet sich zur Abschätzung unbekannter Parameter, vor allem der Lochmasse und der Akkretionsrate auf das Loch, aus Beobachtungsgrößen.

2004

  • Röntgenastronomen des MPE Garching machen erneut eine spektakuläre Entdeckung in Verbindung mit Schwarzen Löchern: Im Februar 2004 ist klar, dass der Zerriss eines Sterns unter der verheerenden Wirkung von Gezeitenkräften eines supermassereichen Schwarzen Loches beobachtet wurde (Komossa et al., 2004). Dieses Szenario macht sich als charakteristischer Röntgenflare bemerkbar, der mindestens einige Monate andauert. Das Objekt, in dem das entdeckt wurde, ist eine elliptische Galaxie mit der Bezeichnung RX J1242-1119 in einer Entfernung von etwa 210 Mpc (kosmologische Rotverschiebung von z = 0.05).
  • Stephen W. Hawking gibt auf der Konferenz GR17 in Dublin im Sommer 2004 bekannt, dass er eine vor 30 Jahren abgeschlossene Wette für verloren gibt. In der Wette ging es um die Frage, ob die Information, die mit der Materie in ein Schwarzes Loch fällt, vernichtet wird oder Bestand hat. John Preskill, Quantenphysiker und Freund von Hawking, geht von einem Erhaltungssatz der Information aus, d.h. auch in einem Schwarzen Loch bleibt die Information erhalten und kann möglicherweise bei der Zerstrahlung des Loches über Hawking-Strahlung wieder ins beobachtbare Universum gelangen. Hawking und sein langjähriger Freund und Kollege, der Relativist Kip Thorne hielten dagegen und plädierten für eine Vernichtung der Information im Loch. Wie gesagt, hat Hawking mittlerweile seine Meinung revidiert und die Wettschuld, eine Enzyklopädie zum Thema Baseball, eingelöst. Thorne hält die Wette noch. Hawking hat zwar in seinem Vortrag in Dublin erläutert, wie er physikalisch dieses Informationsverlustparadoxons (engl. information loss paradox) löst und was ihn zum Eingeständnis seines Fehlers bewogen hat - jedoch wurde zum einen diese Erklärung nur von wenigen Physikern verstanden und zum anderen enthält seine Beweisführung Punkte, die unter Experten umstritten sind. Eine präzise Darstellung des Sachverhalts in Form einer Publikation steht noch aus.
  • Der Satellit Swift wird im November 2004 gestartet. Er wird die Beobachtungen und die Erforschung von Gamma Ray Bursts entscheidend voranbringen.
  • A. Merloni erklärt das antihierarchische Wachstum supermassereicher Schwarzer Löcher durch ein Akkretionsmodell, in dem zunächst (bei hoher Rotverschiebung) effiziente Akkretoren (wie die Standardscheibe in Quasaren) dominieren und zu kleiner kosmologischer Rotverschiebung hin, die weniger effizienten Akkretoren (ADAFs in Seyfert-Galaxien) herausragen.

2005

  • Die Röntgenastronomen verfügen über eine große Datenmenge aus Beobachtungen mit den Röntgensatelliten ROSAT, ASCA, XMM-Newton und Chandra, um eine Analyse der aktiven Galaxienkerne (AGN) durchzuführen. Sehr lang belichtete Aufnahmen, so genannte Deep Fields, erlauben auch die Beobachtung sehr weit entfernter AGN bis zu einer kosmologischen Rotverschiebung von z ~ 4 (deren Strahlung bis zu uns etwa 12 Mrd. Jahre unterwegs war!). Diese Quellen können zum Teil auch optisch identifiziert und ihre kosmologische Rotverschiebung bestimmt werden. Sortiert man die Quellen nach ihrer Leuchtkraft und trägt ihre Anzahl in einem mitbewegten Volumen bestimmter Größe gegen die Rotverschiebung auf (Analyse der Raumdichtenentwicklung), so kann man Folgendes konstatieren: Die AGN hoher Leuchtkraft ('Quasare') haben ein Maximum in der Anzahldichte bei z ~ 2, wohingegen die AGN geringer Leuchtkraft ('Seyferts') erst bei z etwas kleiner als 1 ein Maximum aufweisen (Hasinger, Miyaji & Schmidt 2005). Offensichtlich sind die AGN hoher Leuchtkraft entwicklungsgeschichtlich früher entstanden als die AGN geringer Leuchtkraft!
    Nun weiß man seit den 1960er Jahren, dass der Motor für die enorme AGN-Leuchtkraft Akkretion auf ein supermassereiches Schwarzes Loch ist. Die Leuchtkraft ist wiederum über die Eddington-Relation mit der Masse des Schwarzen Loches verbunden. Das heißt: Der Befund einer deutlich früheren Entwicklung der leuchtkräftigsten AGN und damit schwereren Schwarzen Löcher spricht für ein antihierarchisches Wachstum der supermassereichen Schwarzen Löcher im Universum! Salopp formuliert: 'Erst waren die Großen da, dann kamen die Kleinen.' Ein Biologe würde sich über diese Aussage weniger wundern, als ein Astrophysiker...
  • Martin Bojowald vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (alias AEI) in Golm publiziert im Jahr 2005 Arbeiten, die auf ein Verschwinden von klassischen, echten Singularitäten der ART hindeuten, wenn man die Methoden der Loop-Quantengravitation (LQG) verwendet. Diese quantisierte Gravitationstheorie vermeidet vermutlich nicht nur die Singularitäten der klassischen Schwarzen Löcher, sondern auch die des Urknalls!
  • Die Existenz von mittelschweren Schwarzen Löchern (intermediate mass black holes) mit Massen zwischen 100 und einer Million Sonnenmassen ist auch im Sommer 2005 in der Fachwelt umstritten. Der Kugelsternhaufen G1 in der Andromedagalaxie scheint allerdings der beste Kandidat für ein Schwarzes Loch von 17000 Sonnenmassen im Zentrum des Haufens zu sein, wie kinematische Methoden ergeben haben (Gebhardt et al. 2005). Wenn dort tatsächlich ein massereiches Schwarzes Loch existiert, schließt sich die Frage an, wie es erzeugt wurde und sich entwickelt hat.
  • Im August 2005 tagen etwa 120 Astronomen aus vierzig Ländern auf dem Symposium der Internationalen Astronomischen Union (IAU230) in Dublin zum Thema Populationen hochenergetischer Quellen in Galaxien. Nach wie vor ist die Natur der ULXs unklar und die Experten streiten darüber, ob es sich um stellare oder massereiche Schwarze Löcher handelt. Es ist durchaus denkbar, dass die recht einfache Definition eines ULXs, nämlich nur anhand eines Parameters, der Röntgenleuchtkraft, eine Klasse mit ganz unterschiedlichen Objekten enthält. So kann ein ULX ein stellares Loch in einem exotischen Akkretionszustand sein oder ein massereiches Loch, das mit etwa 10% der Eddingtonrate akkretiert - vielleicht auch etwas anderes? Die ULX-Forschung geht weiter, um diese seltsame neue Klasse hochenergetischer und leuchtkräftiger Quellen zu verstehen.

2006

  • Astronomen entdecken immer mehr ULX-Kandidaten. Doch es bleibt unklar, ob ULXs stellare oder mittelschwere Schwarze Löcher oder beides sind.
  • Das japanische Röntgenteleskop SUZAKU bereichert die Röntgenastronomie mit hochaufgelösten Spektren. Der Detektor erlaubt eine sehr hochaufgelöste Messung z.B. der Profile von Eisenlinien, die in unmittelbarer Nähe zu Schwarzen Löchern entstehen.
  • Das Großprojekt COSMOS liefert eine Flut von Beobachtungsdaten eines kleinen Himmelsausschnitts in verschiedenen Wellenlängenbereichen: von Radio- bis Röntgenstrahlung. Es handelt sich um Tiefenfeldbeobachtungen oder Deep Fields. Vor allem die mit dem europäischen Teleskop XMM-Newton gemessene Röntgenstrahlung bildet direkt extrem weit entfernte, aktive, supermassereiche Schwarze Löcher ab.
  • Das Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer macht bei einer Tiefenfeldbeobachtung ein Foto der ersten Quellen - entweder die ersten, supermassereichen Sterne oder die ersten Schwarzen Löcher oder beides. Die Entfernung dieser Objekte beträgt etwa 13 Milliarden Lichtjahre!
  • Die Zeitskalen in Röntgenlichtvariationen bezeugen Verwandtschaft von kleinen (stellaren) und großen (supermassereichen) Schwarzen Löchern (McHardy et al., Nature 2006).

2007

  • Bei der Auswertung von optischen und Röntgenbeobachtungen gelingt erstmals die 3D-Kartierung der Dunklen Materie in einem Himmelsauschnitt (Massey et al., Nature 2007). Die Bildung dieser Strukturen durch die Wirkung der Gravitation ist auch wesentlich für das Verständnis der kosmologischen Entwicklung supermassereicher Schwarzer Löcher.

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Übersicht

Schwarze Löcher - Einführung Schwarze Löcher - Relativitätstheorie und Raumzeit


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Andreas Müller © Andreas Müller, August 2007