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Schwarze Löcher -

Das dunkelste Geheimnis der Gravitation


Computersimulation einer leuchtenden, um 40 Grad geneigten Materiescheibe um rotierendes Schwarzes Loch

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Schwarze Löcher in Teilchenbeschleunigern

Es klingt fantastisch, aber unter gewissen Voraussetzungen könnte es möglich sein, dass Schwarze Löcher als Objekte des Himmels im irdischen Labor hergestellt werden können. Im Unterschied zu den kosmischen Löchern hätten diese Löcher jedoch nur 'Teilchenformat': sie wären winzig klein und vermutlich nur extrem kurzlebig.
Das geeignete irdische Labor für diese Aufgabe ist ein Teilchenbeschleuniger. Im Prinzip könnte man sagen: Das, was für die Astronomen das Teleskop ist, ist für den Teilchenphysiker der Teilchenbeschleuniger.

Die Grundidee ist, dass ab einer bestimmten kritischen Energiedichte ein sehr dunkles Objekt erzeugt werden muss, weil es aufgrund seiner Kompaktheit und der damit verbundenen hohen Gravitationsrotverschiebung Strahlung verschluckt. Als Argument muss man nicht einmal Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie (ART) bemühen, es genügt schon, die Gravitation im Rahmen so genannter metrischer Gravitationstheorien viel allgemeiner zu verstehen. D.h. sobald Gravitation geometrisch gedeutet wird und Massen Krümmungen von Raum und Zeit hervorrufen, muss ein nur genügend kompaktes Objekt die Fähigkeit haben, Licht einzufangen.

Die gemachte Einschränkung bezieht sich nun auf folgenden Aspekt: Ob sich tatsächlich ein Ereignishorizont ausbildet oder ein Objekt, dessen Fluchtgeschwindigkeit knapp unterhalb der Lichtgeschwindigkeit liegt, ist eine bisher unbeantwortete Frage. Denn es gibt Alternativen zum klassischen Schwarzen Loch ohne Ereignishorizont, wie Gravastern, Holostern, Bosonenstern oder Fermionenstern. Sie haben eine Fluchtgeschwindigkeit unterhalb der Lichtgeschwindigkeit, so dass sie nicht völlig schwarz sind.
Gemäß der Allgemeinen Relativitätstheorie ist anzunehmen, dass bei besonders hohen Energiedichten, die man durch kollidierende Teilchen im Beschleuniger erzeugt, die Raumzeit stark gekrümmt wird. Im klassischen Bild der ART kollidieren bei der Streuung von hochenergetischen Partikeln zwei ebenfrontige Gravitationswellen (so genannte pp-Wellen) miteinander. Die Relativisten beschreiben diese Gebilde als 'gravitative Schockwellen' mit einer Aichelburg-Sexl-Metrik (1971). Die Theorie fordert nun, dass bei genügend kleinem Stoßparameter dieser Schockwellen ein Schwarzes Loch entstehen muss. Typische Größenordnungen des kritischen Stoßparameters für die Entstehung eines Schwarzen Loches sind in der Gegend des Schwarzschild-Radius, der sich ergibt, wenn man als Masse die Schwerpunktsenergie der beteiligten hochenergetischen Teilchenbündel annimmt.

Extradimensionen und reduzierte Planck-Skala

Die entscheidende Frage ist nun, ab welchen Energien dies geschieht. Hier kommt eine fundamentale Skala der Physik ins Spiel: die Planck-Skala. Bereits Max Planck (1858 - 1947), einer der Gründerväter der Quantentheorie, konnte ableiten, dass bei einer kritischen Masse, der so genannten Planck-Masse, weder Quantentheorie noch Relativitätstheorie eine korrekte Beschreibung liefern. Eine neue quantisierte Gravitationstheorie sei dann nötig, die jedoch noch nicht gefunden wurde. Die Stringtheorien und die Loop-Quantengravitation sind - wie eingangs angedeutet - aussichtsreiche Kandidaten für diese gesuchte Quantengravitation.
Die Stringtheorien sind höherdimensional und erfordern im Vergleich zur vierdimensionalen Allgemeinen Relativitätstheorie zusätzliche Raumdimensionen. Bislang gibt es diese Extradimensionen nur in der Theorie, und sie konnten nicht experimentell bestätigt werden. Die Idee ist, dass sie sich nur bei sehr kleinen Längenskalen auswirken. Die Forscher nennen das kompaktifizierte Extradimensionen. Die Kompaktifizierung muss man sich so vorstellen, dass die Extradimensionen 'aufgerollt' sind. Die Gravitation breitet sich in allen Dimensionen aus, so dass bei den typischen Skalen der Extradimensionen Modifikationen zum klassischen Newtonschen Gravitationsgesetz zu erwarten sind. Dies versuchen die Physiker auch in Cavendish-Experimenten mittels hochempfindlicher Drehwaagen und in Experimenten mit Neutronen nachzuweisen - bisher ohne Erfolg.
Die anderen drei Wechselwirkungen - elektromagnetische, schwache und starke Kraft (SM-Felder, also Felder des Standardmodells der Teilchenphysik) - sind auf eine Mannigfaltigkeit niedrigerer Dimension beschränkt. Dieses Gebilde nennen Forscher eine 3-Bran und beschreiben es im Rahmen der Stringtheorien. Die Stringtheorien bieten so einen bequemen Formalismus, der die Extradimensionen einbettet.

Dimensionale Beschränkung und Unbeschränkung in der Branen-Welt Die Planck-Masse kann man ableiten, indem man die charakteristischen Längenskalen der Theorien, Gravitationsradius bei der ART und Compton-Wellenlänge bei der Quantentheorie, gleichsetzt. Dann ergibt sich der exorbitant große Wert von 1.2 × 1019 GeV. Diese Energien sind auf absehbare Zeit von keinem Teilchenbeschleuniger zu erreichen. Das Faszinosum ist nun, dass die Extradimensionen die Planck-Skala reduzieren: Je mehr Extradimensionen existieren, umso kleiner ist die (nun reduziert genannte) Planck-Masse. Bei typischen angenommenen Werten von 10 Extradimensionen liegt die Planck-Masse bei nur 1 TeV, also einer Billion Elektronenvolt! Das ist gerade die Energieskala der elektroschwachen Theorie: In diesem Energiemilieu vereinigt sich die elektromagnetische mit der schwachen Kraft. Diese verhältnismäßig niedrigen Skalen eröffnen die aufregende Möglichkeit mit Teilchenbeschleunigern der neusten Generation in dieses Regime zu gelangen und die Extradimensionen zu zählen. Darüber hinaus wären gemessene Extradimensionen ein starker Hin-weis (kein Be-weis!) auf die Richtigkeit der Branenmodelle, also der Stringtheorien.

Die reduzierte Planck-Skala hat eine weitere wichtige Konsequenz: Bereits bei 1 TeV sollten Effekte der Quantengravitation auftreten! Zum Beispiel könnte die Emission von Gravitonen in Teilchenkollisionen angeregt werden. Weil diese wie gesagt nicht nur auf die 3-Bran beschränkt sind, könnte der erstaunliche Effekt eintreten, dass Gravitonen Energie in die Extradimensionen befördern und der Teilchenphysiker einen verletzten Energiesatz misst (siehe Abbildung oben, Vorlage von M. Cavaglia).
Kommen nun die Schwerpunktsenergien im Kollisionsexperiment in den Bereich der reduzierten Planck-Masse, erwarten Physiker - sollten Extradimensionen wirklich existieren - dass sich so genannte nicht-perturbative Gravitationsobjekte (NPGOs) bilden. Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich lediglich, dass die Gravitationsphysik nicht mehr störungstheoretisch zu behandeln ist; als Gravitationsobjekte kommen Branen, Stringbälle und Schwarze Löcher in Frage.

Gefahr durch Mini-Löcher?

Die Hoffnung vieler Teilchen- und Astrophysiker ist nun, dass bei den Kollisionen hochenergetischer Teilchenstrahlen im irdischen Labor Schwarze Löcher entstehen. Im Rahmen der Stringtheorien tragen sie den englischen Fachausdruck brane-world black holes. Wie Berechnungen zeigen, ist die Größe der zu erwartenden Schwarzen Löcher um viele Größenordnungen kleiner als die primordialen Schwarzen Löcher (siehe Die Massenskala Schwarzer Löcher). Der wesentliche Grund ist, dass diese Löcher aus Teilchenstrahlen hervorgehen und daher selbst nur 'Teilchenformat' haben können. Aber sind diese Mini-Löcher nicht trotzdem sehr gefährlich? Verschlingen sie nicht alles, was ihnen zu nahe kommt, sogar den ganzen Teilchenbeschleuniger und schließlich die ganze Erde?

Bei diesen Fragen kommt ein weltbekannter Physiker ins Spiel: Stephen Hawking. Der theoretische Astrophysiker begründete in den 1970er Jahren die Thermodynamik Schwarzer Löcher, die im vorangehenden Kapitel besprochen wurde. Mit einem thermodynamischen Argument konnte er ableiten, dass Schwarze Löcher nicht ewig stabil bleiben, sondern durch Teilchenemission langsam zerfallen. Diese heute Hawking-Strahlung genannte Emission ist besonders wichtig bei sehr leichten Schwarzen Löchern, weil diese sehr schnell durch die Aussendung der Strahlung zerfallen (mathematische Einzelheiten unter primordiale Schwarze Löcher im Lexikon). Physiker sagen auch: Die Schwarzen Löcher evaporieren (zerstrahlen). Kurz vor dem Verschwinden des Loches ist die Emission auf sehr kurzen Zeitskalen, so dass es im Prinzip einer Explosion gleichkommt. Mit diesem Argument müssen alle primordialen, etwa bergschweren Schwarzen Löcher, über deren Existenz im frühen Universum spekuliert wird, heute verdampft sein. Die größeren Vertreter der stellaren, mittelschweren und supermassereichen Schwarzen Löcher hingegen können große Zeiträume überdauern.

Die Hawking-Strahlung wurde weder direkt noch indirekt nachgewiesen. Sie wäre jedoch von immenser Bedeutung für künstlich erzeugte Schwarze Löcher in Beschleunigern. Diese 'anthropogenen' - von Menschenhand erzeugten - Schwarzen Löcher sind aufgrund der (makroskopisch beurteilt) geringen Energie der kollidierenden Teilchenstrahlen klein. Deshalb sorgt die Hawking-Strahlung für einen rapiden Zerfall dieser Schwarzen Löcher. Teilchenphysiker berechneten eine Lebensdauer von nur etwa 10-24 Sekunden für ein Mini-Loch von 3 TeV Masse (z.B. Chamblin et al. 2004). Diese Lebensdauer ist so kurz, dass die Mini-Löcher keine Gelegenheit haben, in erheblichem Maße Materie aus ihrer Umgebung aufzusammeln. Mit anderen Worten: Mini-Löcher können kaum akkretieren, ehe sie verschwinden.
Verwendet man die Eddington-Akkretionsrate aus den Grundlagen der Akkretionstheorie als Argument, so folgt, dass bei einer typischen Akkretionseffizienz von 10% ein Mini-Loch der Masse 1 TeV gerade einmal 10-36 Gramm pro Sekunde aus der Umgebung aufsammeln könnte. Nimmt man einmal an, dass das Mini-Loch konstant mit dieser Akkretionsrate akkretiert, so hätte es erst nach einigen Trillionen Jahren eine Masse aufgesammelt, die einem einzigen Elektron entspricht! Soviel Zeit hat das Mini-Loch aber nicht, weil es ständig durch die Emission von Hawking-Strahlung Energie und Masse verliert. Anders gesagt: Bei einer Lebensdauer von wenigen Sekundenbruchteilen vermag ein Mini-Loch im Teilchenformat kaum etwas aufzusammeln.
Die Lebensdauer ist weit unterhalb der Hadronisierungszeitskala, so dass ein in der Kollision entstandenes Schwarzes Loch zerfallen wäre, noch bevor sich das umgebende Quark-Gluonen-Plasma (QGP) zu Mesonen und Baryonen umgewandelt (hadronisiert) hätte. Typische Schwarze Löcher, die sich am bald eingeschalteten Suyperbeschleuniger LHC (Large Hadron Collider) am CERN bilden könnten, zerstrahlen vollständig bevor sie akkretieren. Insofern stellen diese künstlichen Schwarzen Mini-Löcher keine Gefahr für die Beschleunigeranlage und schon gar nicht für die Erde dar.

Es gibt noch ein anderes, davon unabhängiges Argument gegen die Gefährdung der Menschheit: Nicht nur die Menschen stellen energiereiche Strahlung in Teilchenbeschleunigern her; die Natur macht es selbst - und zwar in Form von kosmischer Strahlung. Die dabei erreichten Energien kennen die Hochenergiephysiker aus Beobachtungen mit Luftschauer-Detektoren: Mit 107 bis 1020 eV Teilchenenergie prasseln die kosmischen Teilchen auf die Erdatmosphäre nieder. Das sind viele Größenordnungen mehr, als die Menschheit wohl jemals künstlich erzeugen können wird. Bei der Wechselwirkung der kosmischen Strahlung mit der Erde kommt es zu heftigen Kollisionen zwischen den Teilchen - und wer weiß: Vielleicht entstand dabei schon so manches Mini-Loch über unseren Köpfen. Einige Forscher spekulieren darüber. In jedem Falle muss vom sicherheitstechnischen Standpunkt festgehalten werden, dass diese Mini-Löcher - sollten sie entstanden sein - die Menschheit offensichtlich nicht gefährdet haben (Carr & Giddings: 'Quantum Black Holes', Artikel in Scientific American 2005). Das kann die Hochenergiephysiker ermutigen ihre Teilchenenergien zu steigern.
Erst ab gigantischen Energiedichten von 1010 GeV/fm-3 kann ein Schwarzes Loch durch Partonenabsorption, also 'Verschlucken' umgebender Teilchen, wachsen. Diese Energiedomäne liegt jedoch weit in der Zukunft der Beschleunigerphysik. Sollte die Planck-Masse noch höher liegen als bei 1 TeV, so wird die kritische Energiedichte für Akkretion noch höher.
Als Teilchenstrahlen verwendet man Protonen oder Blei-Ionen. In Blei-Blei-Kollisionen entstehen deutlich mehr Partonen, die absorbiert werden könnten, als in Proton-Proton-Kollisionen, weil die Ausgangskerne nukleonenreicher sind. Das Anwachsen des Mini-Lochs durch 'Fressen des QGPs' ist in Blei-Blei-Kollisionen demnach begünstigt.

So verschwindet ein Mini-Loch

Giddings & Thomas (hep-ph/0106219; neue Publikationen dazu: hep-ph/0205205, hep-th/0409131) stellen folgendes Szenario für den Ablauf des Zerstrahlens eines (möglicherweise rotierenden) Schwarzen Loches zusammen:

  • Phase 1: 'Haarausfall' (engl. balding phase), d.h. Verlust von Multipolmomenten durch Emission klassischer Gravitationswellen oder Eichbosonen, z.B. Felder des Standardmodells in den 3-Bran oder Gravitonen in alle Dimensionen.
  • Phase 2: Verdampfung durch Emission von Hawking-Strahlung, hier mit einer spin-down Phase (Verlust des Drehimpulses) und einer Schwarzschild-Phase (emittierte Teilchen tragen Signaturen der Entropie und Temperatur des Schwarzen Loches).
  • Phase 3: Ende des Schwarzen Loches in der Planck-Phase und Emission einiger Teilchen mit charakteristischen Energien für die jeweilige reduzierte Planckskala (abhängig von der Zahl der Extradimensionen).

Sollte sich dieses Szenario als richtig erweisen, würde dies das Ende der Physik kurzer Distanzen (Giddings & Thomas: end of short-distance physics) bedeuten, weil sämtliche kleinskalige Effekte hinter dem Ereignishorizont eines Branenwelt-Loches verborgen wären. Möglicherweise wäre dies auch das natürliche Ende der Beschleunigerphysik, weil die Messbarkeit der Teilchenspezies aus diesen Gründen stark beeinträchtigt wäre.
Viele Emissionsprodukte in der Hawkingstrahlung und Folgereaktionen sind Teilchen des Standardmodells und sollten klassisch beobachtbar sein, aber auch Gravitonen können emittiert werden, die in Extradimensionen entkommen können.

Moment - Und wenn die Planck-Skala nicht reduziert ist?

Die Prämisse, dass Teilchenbeschleuniger zur 'Schwarzlochfabrik' (engl. black hole factory) oder noch allgemeiner gesprochen zur 'Branenfabrik' (engl. brane factory) werden, ist also, dass die fundamentale Planck-Skala durch die Existenz von Extradimensionen in den TeV-Bereich gedrückt werden kann (siehe auch ADD-Szenario, DGP-Szenario und Randall-Sundrum-Modelle). Die Dimensionalität ist noch unbekannt und geht als Parameter d ein, der zusätzliche Dimensionen (die Extradimensionen) neben den bekannten vier der klassischen ART zählt. So diskutiert man aktuell d = 2, 4 und 7 (entsprechend höherdimensionalen Raumzeiten mit 6, 8 oder 11 Dimensionen). Die kommenden Generationen moderner Teilchenbeschleuniger werden erweisen, wo die Planck-Skala anzusiedeln ist. Aufregend ist in der Tat, dass wir uns mit den modernsten Beschleunigern bereits an der Schwelle einer reduzierten Planck-Skala befinden, um Extradimensionen und Schwarze Löcher im Labor zu testen.

Natürlich ist es im Bereich des Möglichen, dass diese Tests in ein 'Negativ-Resultat' münden, nämlich dass die Existenz von Extradimensionen nicht bestätigt werden kann - das ist das Ergebnis aktueller Experimente zum Nachweis von Zusatzdimensionen (siehe dazu Extradimension). Dies erinnert an das Michelson-Morley-Experiment, dessen Negativ-Resultat die Nichtnachweisbarkeit eines Weltäthers war. Der Weltäther wurde damals als das Medium angesehen, in dem sich elektromagnetische Strahlung fortpflanzen sollte. Das Negativ-Resultat Es gibt keinen Weltäther. inspirierte Lorentz zur Lorentz-Transformation und bestätigte Albert Einstein in seiner Konzeption einer Relativitätstheorie, die ohne Äther als Trägermedium für Licht auskommt.
Ein Negativ-Resultat für Extradimensionen bestärkt Theorien mit den klassischen drei Raumdimensionen. Eine Theorie, die nun ohne Extradimensionen auskommt, ist die Loop-Quantengravitation (LQG). Die LQG quantisiert die Gravitation mit einem völlig anderen Ansatz als die Stringtheorien und wurde seit etwa 1986 im Wesentlichen von den theoretischen Physikern Abhay Ashtekar, Amitaba Sen, Ted Jacobson, Lee Smolin und Carlo Rovelli entwickelt. Die LQG beschreibt die Raumzeit auf kleinen Skalen. Diese Theorie hat ein anderes theoretisches Fundament als die Stringtheorien: sie basiert auf einer direkten Verknüpfung der Konzepte der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) und der Quantenmechanik (QM). Mit dieser Theorie ist es möglich, die Raumzeit zu quantisieren und ihr eine körnige Struktur zuzuweisen. Die kleinsten Einheiten der Raumzeit sind Volumenquanten. Ein Ensemble dieser Volumenquanten konstituiert also die Raumzeit und bildet den so genannten Spinschaum. Die Bezeichnung rührt daher, weil die elementaren Bausteine in der LQG, die Loops, sich zu so genannten Spin-Netzwerken formieren. Das, was die LQG so attraktiv macht, sind einerseits die sehr anschauliche Quantisierung der Raumzeit, die erneute, alternative Ableitung vieler physikalischer Zusammenhänge (Bekenstein-Hawking-Entropie, Inflation) mit der Möglichkeit einer völlig neuen Interpretation, aber auch klare experimentelle Vorhersagen, die sie macht (geringfügige Abhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit von der Farbe des Lichts). Sollten die Extradimensionen sich weiterhin einer Nachweisbarkeit in der Natur entziehen, so könnte sich die Loop-Quantengravitation als interessante Alternative erweisen.

Vertrauen Sie Hawking?

Es bleibt in der Diskussion um die Schwarzen Löcher im Labor eine letzte Unsicherheit: Wer sagt, dass Hawking Recht hat? Hawking-Strahlung wurde bisher nicht experimentell nachgewiesen. Wenn es sie tatsächlich nicht geben sollte, so zerstrahlten Mini-Löcher nicht kurz nach ihrer Erzeugung und könnten grenzenlos wachsen!

Diesem Schreckensszenario sind zwei Gegenargumente entgegenzuhalten: Einerseits muss gesagt werden, dass Hawkings theoretische Abhandlung sehr allgemein ist und auf sehr klaren, physikalischen Annahmen beruht. Es wäre sehr verwunderlich, wenn die gemachten Aussagen über Horizonte keine Gültigkeit hätten. Hawking-Strahlung bei klassischen Schwarzen Löchern sollte es tatsächlich geben. Die Hawking-Strahlung ist höchstwahrscheinlich von der Existenz eines Ereignishorizonts abhängig - zumindest ist das eine wesentliche Zutat bei der mathematischen Herleitung Hawkings gewesen. Sollte es klassische Schwarze Löcher mit Horizont nicht in der Natur geben, sondern z.B. die modernen Alternativen Gravastern oder Holostern ohne Horizont, so käme vermutlich nicht zur Aussendung von Hawking-Strahlung! Dieses wissenschaftliche Problem bedarf sicher noch einer weiteren Erörterung.

Das klingt dramatisch. Die meisten Astrophysiker favorisieren allerdings nach wie vor die Modelle klassischer Schwarzer Löcher - das ist sozusagen scientific mainstream, die wissenschaftliche Hauptströmung. Selbst wenn die modernen horizontlosen Alternativen sich durchsetzen sollten, so gilt andererseits - als zweites Gegenargument - Eddingtons Akkretionsformel, nach der die leichten Mini-Löcher nun mal keine effizienten Akkretoren sind. Selbst ohne Zerstrahlung dauert das Aufsammeln von Material bei 'teilchenartigen Löchern' sehr lange. Deshalb muss aus heutiger Sicht gesagt werden, dass von Schwarzen Mini-Löchern im Labor keine Gefahr droht.

Den letzten Skeptiker in Bezug auf diese Experimente wird beruhigen, dass die Teilchenphysiker an Beschleunigeranlagen sehr gründlich über diese Sicherheitsfragen nachdenken und die Risiken sowie die Betriebssicherheit abwägen. Anerkannte Experten aus verschiedenen Fachrichtungen prüfen sämtliche Eventualitäten, auch die so genannten Desasterszenarien. Es gibt ja nicht nur die potenzielle Gefährdung durch künstliche Schwarze Löcher. Daneben muss auch die Gefährdung durch andere Szenarien geprüft werden, z.B. die Bildung von Vakuuminstabilitäten und Strangelets. Auf der Website des amerikanischen Beschleunigers RHIC gibt es dazu einen interessanten Bericht über Deasterszenarien (in englischer Sprache).

Bedeutung von Mini-Löchern

Schwarze Löcher im Teilchenformat sind bislang eine Spekulation. Sollte die Produktion von Mini-Löchern gelingen, bietet sich den Physikern ein aufregendes, neues Forschungsfeld: Black new world! Dabei sollen die Gefahren wissenschaftlichen Handels klar benannt und Risiken abgewogen werden.

Physik am Rande des Denkbaren birgt immer eine gewisse Unsicherheit und auf experimenteller Seite auch ein gewisses Gefahrenpotenzial. Letztendlich bildet die physikalische Grundlagenforschung keine Ausnahme unter allen Lebensbereichen, wenn man beispielsweise das Gefahrenpotenzial der modernen Medizin (z.B. Gentechnik) oder der Weltpolitik (z.B. Krisenherde) betrachtet.
Es gilt immer das bekannte Prinzip, dass die Risiken mit den Chancen abgewogen werden müssen. Dafür setzen sich Experten weltweit ein und suchen die Diskussion mit der Öffentlichkeit.
Die Chancen der modernen Beschleunigerphysik liegen im Verständnis des Kleinsten, der Elementarteilchen, und im Verständnis des Größten, des Universums. Teilchenbeschleuniger der nächsten Generation rücken viele spannende Konzepte der modernen Physik in die Reichweite der Überprüfbarkeit:

  • die Branen-Welt (engl. brane world) bzw. die Stringtheorien,
  • die Existenz von Extradimensionen,
  • die Quantisierung der Raumzeit in Loops,
  • Laborphysik mit Schwarzen Löchern,
  • ein endgültiger Nachweis des Ereignishorizonts,
  • und die Messung von Hawking-Strahlung, was mit astronomischen Methoden ob ihrer schwachen Intensität nicht möglich ist.

Aktuell suchen die Teilchenphysiker bereits nach Spuren dieser Aspekte in Beschleunigerexperimenten, z.B. am amerikanischen Teilchenbeschleuniger RHIC oder am Tevatron des Fermi-Labs, ebenfalls in den USA. Bedeutsam werden wohl erst die Teilchenbeschleuniger der nächsten Generation sein, z.B. der LHC am CERN, der Ende 2007 den Forschungsbetrieb aufnehmen wird. Eine aufregende Zukunft wird bald Gegenwart: Die Beschleunigerphysik wird die Welt mit spektakulären Meldungen beeindrucken.

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Übersicht

Schwarze Löcher - Thermodynamik und Hawking-Strahlung Schwarze Löcher - Zukunft


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Andreas Müller © Andreas Müller, August 2007