Astro-Lexikon B 1
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Balbus-Hawley-Instabilität
Die Balbus-Hawley-Instabilität ist eine Instabilität, die eine entscheidende Rolle in der Dynamik
von schwach magnetisierten Akkretionsflüssen spielt. Sie ist ein sehr
effizienter Mechanismus für den Drehimpulstransport (nach außen) und damit überhaupt
der Grund, dass das Material auf das zentrale, gravitierende Objekt einfallen kann. Benannt wurde die Instabilität
nach den Astrophysikern Steve Balbus und John Hawley, die sie 1991 entdeckt haben. Alternativ wird auch die
Bezeichnung magnetische Rotationsinstabilität (MRI) verwendet - unter
diesem Eintrag gibt es auch eine detaillierte Beschreibung der Instabilität.
Bardeen-Beobachter
Die alternative und historisch bedingte Bezeichnung für den Zero Angular Momentum Observer, den
ZAMO.
Baryogenese
Baryogenese kennzeichnet im Rahmen der Kosmologie eine Entwicklungsphase
im frühen Universum, in der die baryonische
Materie entstanden ist. Baryonische Materie ist der physikalische Begriff für die gewöhnliche
Materie, aus der wir und unsere Umgebung bestehen, also z.B. Protonen und Neutronen.
Am Anfang von allem
Kurz nach dem Urknall befand sich das Universum in der
Planck-Ära,
in der kaum physikalische Aussagen gemacht werden können. Alle Kräfte waren in dieser Phase zur Urkraft
vereint. Schließlich spaltete sich die Urkraft auf, als das Universum gerade mal 10-43 Sekunden
(Planck-Zeit) alt war. Ursache für diese spontane
Symmetriebrechung war die Abkühlung infolge der Expansion des Universums.
'Kühl' ist kein besonders treffender Begriff: Die Urkraft zerfiel beim Unterschreiten der Planck-Temperatur von
1032 Kelvin in zwei neue Kräfte, die Gravitation und die X-Kraft.
Die X-Kraft wird von den Großen Vereinheitlichten Theorien (GUT) prognostiziert. Diese
Kraft ist assoziiert mit bestimmten äußerst schweren Austauschteilchen, den X-Bosonen
und Y-Bosonen. Mit typischen Massen um 1016 GeV
sind diese Teilchen sehr massereich. Ihre Existenz markiert in der Kosmologie die
GUT-Ära, die sich an die Planck-Ära anschloss. Baryogenese-Ära und GUT-Ära bezeichnen also dieselbe
Entwicklungsphase des Universums.
Weitere Naturkräfte betreten die kosmische Bühne
Mit der weiteren Ausdehnung des Kosmos wurde es zunehmend kälter und es ereignete sich
der nächste Phasenübergang: Hierbei 'fror' die elektroschwache Kraft und die
starke Kraft aus. Dieser Übergang bei etwa 2 × 1016 GeV bzw. einer Temperatur
von 1029 Kelvin bedeutete auch das Ende der massereichen X- und Y-Bosonen: Diese
Teilchen mussten in Quarks und
Leptonen zerfallen. Damit war auch die Symmetrie zwischen Quarks
und Leptonen zerstört. Aus diesen Zerfällen resultierten Myriaden von Quarks, Antiquarks, Leptonen und deren
Antiteilchen.
Kleines Missverhältnis, große Wirkung!
Doch lagen am Ende der Zerfälle Materie und Antimaterie nicht in gleichen
Mengen vor. Es gab eine geringe Materie-Antimaterie-Asymmetrie: Auf jedes Antiteilchen kamen ein plus ein Milliardstel
Teilchen. Dieses extrem geringe Missverhältnis reicht aber schon aus, um die Existenz der heute beobachtbaren 'normalen'
Materie und die fast verschwindende Existenz von Antimaterie im Kosmos zu erklären. Was geschah mit den primordialen
Vorräten an Materie und Antimaterie? Nun, Materie verträgt sich nicht mit ihrer korrespondierenden Antimaterie. Kommen
sie sich zu nahe, zerstrahlen sie in hochenergetische Photonen. Hochenergetisch deshalb, weil
schon geringe Ruhemassen der Teilchen (z.B. Elektronen und Positronen mit je 511 keV) ausreichen, um durch den großen
Faktor c2 in der berühmten Gleichung E = mc2, eine hohe
Energie der Vernichtungsstrahlung zu erhalten. Diese Annihilation setzte auch im
frühen Kosmos am Ende der GUT-Ära ein und verwandelte das Universum in ein 'Strahlenmeer'. Die Strahlung war allerdings
noch an die dichte Materie gekoppelt. Sie war gefangen im dichten Urgas. Neben den unzähligen Photonen blieb aufgrund der
Asymmetrie ein kleiner Teil von Materie übrig. Nach der Zerstrahlung kamen auf jedes Teilchen eine Milliarde Lichtteilchen!
Das Konglomerat aus Materieteilchen und Lichtteilchen befand sich danach in einer langen Phase im thermischen Gleichgewicht.
Deshalb kann dem Materie-Photonen-Gas eine wohl definierte Temperatur zugeordnet werden.
Endlich Atomkerne & Atome!
Mit der weiteren Ausdehnung des Universums wurde es kühler und die Materie unterlag weiteren Phasenübergängen:
die Quarks, die am Ende der
GUT-Ära entstanden verloren ihre Freiheit und hadronisierten in der
Hadronen-Ära. Die Hadronen, wie Proton und Neutron,
verschmolzen zu leichten Atomkernen während der primordialen Nukleosynthese.
Schließlich war das Universum kalt genug, dass die Elektronen von den positiv geladenen Atomkernen eingefangen und dauerhaft
gebunden werden konnten: Es entstanden neutrale Atome in dieser Rekombinationära. Erst in
dieser Phase wurden die Photonen aus ihrem 'Materiekäfig' entlassen: Die Lichtteilchen entkoppelten sich von den Materieteilchen
und durchfluteten das Universum: Das dichte Urplasma lichtete sich, es wurde hell. Die entkoppelte Strahlung beobachtet man heute noch,
etwa 13 Milliarden Jahre nach ihrer Erzeugung: es ist die kosmische Hintergrundstrahlung. Sie ist der
gewichtigste Zeuge dafür, dass sich das hier umrissene Szenario abgespielt hat und das es einen heißen
Urknall (engl. Hot Big Bang, HBB) gab.
Erste Sterne, erste Galaxien, Leben
Der Begriff Baryogenese bezeichnet also die Ausbildung von baryonischer Materie. Sie war in den folgenden kosmischen
Entwicklungsphasen - der Strukturbildung - die Saat für Objekte, die daraus 'kondensierten': für erste
Sterne, Galaxien, Planeten,
Leben und am Ende der Kette, den Menschen. In ähnlicher Weise lassen sich für die letztgenannten Bildungsphasen
die Begriffe Stellargenese, Galaktogenese, Planetogenese, Biogenese und Anthropogenese ersinnen - doch ist keines davon ist
in der Kosmologie gebräuchlich.
Baryonen
Baryonen sind eine Unterklasse der Hadronen und bestehen aus drei
Quarks. Der Begriff Baryon leitet sich vom Griechischen barys ab,
was übersetzt 'schwer' bedeutet. Die bekanntesten Vertreter der Baryonen sind die beiden Nukleonen
Proton und Neutron. Sie haben den Quarkgehalt uud bzw. udd.
Alle Baryonen sind Fermionen, weil die Spins
ihrer Konstituenten zu halbzahligen Spins koppeln.
Eine exotische und besonders schwere Form der Baryonen sind die Hyperonen.
baryonische Materie
Ein Ausdruck, der vor allem in der Kosmologie gebräuchlich ist und zur Unterscheidung
der unterschiedlichen Formen von Energien im Universum
dient. Baryonische Materie setzt sich aus Quarks und Leptonen
zusammen; eigentlich ist der Begriff 'baryonisch' hier nicht präzise (vergleiche auch Hadronen).
Die Kosmologen meinen also damit die uns vertraute Form der Materie, aus der wir selbst bestehen.
Anteil baryonischer Materie
Es gibt aber auch andere Energieformen im Kosmos, wie Dunkle Materie und Dunkle Energie, deren physikalische Natur jedoch noch nicht entschlüsselt ist. Ihre Anteile überwiegen deutlich im Kosmos:
Dunkle Energie macht etwa 74% aus, die Dunkle Materie 22% und die baryonische Materie steuert nur 4% bei. Diese Anteile bestätigen
unabhängig voneinander verschiedene Messverfahren der modernen, experimentellen Kosmologie, wie z.B. die primordiale
Nukleosynthese, die kosmische Hintergrundstrahlung, extrem weit entfernte
Supernova-Explosionen vom Typ Ia und die großräumige Verteilung der Galaxien
im Kosmos.
Rätselhafter Kosmos!
Diese Anteile bereiten den Physikern großes Kopfzerbrechen. Denn mit anderen Worten bedeuten sie: Die Zusammensetzung des
Universums ist zum größten Teil völlig unverstanden!
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© Andreas Müller, August 2007
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