Astro-Lexikon M 6
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M-Theorie
Die M-Theorie bezeichnet die Mutter (engl. mother; alternativ: membrane, mystery, magic) aller Theorien und die
elfdimensionale, vereinigte Theorie der fünf Stringtheorien und der
Supergravitation. Der Physiker Edward Witten hat diesen Begriff geprägt und konnte
zeigen, dass alle bis dato existenten, als verschiedenen angesehenen Stringtheorien Ausfluss ein und derselben, übergeordneten
Theorie sind: der M-Theorie.
Dualitäten
Die Verbindung zwischen den sechs einzelnen Theorien bilden mathematische Relationen, die so genannten
Dualitäten.
M-Branen
Die mathematischen Objekte der M-Theorie sind die M-Branen, Strings und p-Branen
(mit Dimension p). Gegenstand der M-Theorie bzw. Stringtheorien ist die Definition, Quantisierung
und Wechselwirkung solcher Objekte. Dabei wird die Fragestellung verfolgt, wie sie zu interpretieren sind, beispielsweise mit
welchen Teilchen oder physikalischen Objekten (z.B. auch Schwarzen Löchern)
sie assoziiert sind.
Zutat: nicht Uschi, sondern Susy
Es stellte sich heraus, dass die M-Theorie zur Vermeidung von akausalen Tachyonen
(mit imaginärer Masse) notwendigerweise supersymmetrisch sein muss. Diese Eigenschaft erhöht
die Anzahl möglicher bosonischer und fermionischer
Teilchenkandidaten enorm! Supersymmetrie resultiert in einem riesigen Teilchenzoo.
Durchbruch oder Holzweg?
Die M-Theorie ist noch weit von einer konsistenten Theorie und vollständigen, mathematischen Beschreibung entfernt, die
darüber hinaus praktikabel und verständlich ist. Anschaulich gesprochen, sind die Stringtheorien nur wenige Fragmente eines
großen Puzzles, das in seiner Gesamtheit die mutmaßliche M-Theorie darstellt. Sowohl Stringtheorien und M-Theorie sind
Gegenstand der aktuellen Forschung. Inwieweit diese Theorien tatsächlich die Natur adäquat beschreiben, muss noch gezeigt
werden. Eine Hoffnung verbinden die Stringtheoretiker mit der M-Theorie: Ähnlich wie Relativitätstheorie
und Quantentheorie die Physikalischen Revolutionen des 20. Jahrhunderts waren, so sollte
die M-Theorie diejenige des 21. Jahrhunderts werden.
andere Konzepte
Neben diesem Kandidaten einer übergeordneten Theorie ist die Loop-Quantengravitation (LQG) getreten.
Sie versucht mit den Prinzipien und Methoden der Allgemeinen Relativitätstheorie und Quantenmechanik
die Konzepte einer robusten Quantengravitation zu definieren. Nimmt man das
Unifikationsbestreben von Theorien als Kriterium, so will die LQG weniger (eine 'quantisierte
Gravitation'), während die Stringtheorien bzw. die M-Theorie alle fundamentalen Wechselwirkungen
in der Natur zu vereinigen sucht.
WANTED: experimenteller Input
Wesentliche Impulse von experimenteller Seite erhoffen sich die Physiker von modernen Teilchenbeschleunigern
der nächsten Generation (2008: LHC am CERN) sowie kosmologischen Beobachtungsdaten. Diese Daten legen
generell den Theorien Beschränkungen auf, die in eine Bewährung, Modifikation oder Falsifikation einer Theorie
münden können.
Myonen
Myonen gehören zur großen Teilchengruppe der Leptonen
und sind schwerer als ihre 'nächsten Verwandten': die Elektronen. Die Ruhemasse von Myonen (negative
Ladung) und Antimyon (positive Ladung) beträgt jeweils 105.658357 MeV
(Quelle: Particle Physics Booklet, Juli 2002).
Myonen fallen vom Himmel
Myonen (eingedeutscht auch als Müonen zu lesen) können in der Höhenstrahlung
(siehe kosmische Strahlung) entstehen. Der Prozess läuft so ab, dass hochenergetische
Gammastrahlung Elektron-Positron-Paare erzeugt. Die beiden Zerfallsteilchen fliegen diametral (Impulserhaltung) auseinander
und können direkt nach der Entstehung auch wieder annihilieren (siehe auch Antimaterie).
Auf diese Weise entstehen Kaskaden von Teilchenschauern in der Hochatmosphäre. Es ist aber auch möglich, dass sich über
einen schwachen Prozess (siehe schwache Wechselwirkung) das entstandene Elektron-Positron-Paar
in ein Myon-Antimyon-Paar umwandelt. Diese Teilchen zerfallen dann üblicherweise auch wieder in verschiedenen Zerfallskanälen.
Bedeutung für Neutrinoastronomie
Myonen haben eine hohe Relevanz in der Neutrinoastronomie, weil sie durch kosmische Neutrinos in
Cerenkov-Detektoren gebildet werden. Das Detektionsprinzip der Neutrinodetektoren der neusten
Generation, wie AMANDA und bald ICECUBE am Südpol, basiert gerade darauf, dass paradoxerweise durch die Erde beobachtet wird. Dies liegt daran,
weil hochenergetische Neutrinos kosmischer Quellen Myonen in der Erdmaterie erzeugen können. Schaffen diese Myonen es, in
das Detektorvolumen zu gelangen, erzeugen sie dort einen Cerenkov-Lichtkegel und können eindeutig einer extraterrestrischen Quelle zugeordnet werden.
Der Richtungsversatz zwischen Neutrino und daraus gebildetem Myon ist minimal und beträgt maximal ein Grad. Die Myonen der Höhenstrahlung
hingegen - die tatsächlich 'von oben' kommen - sind in der Neutrinoastronomie nur ein Störeffekt (Untergrundrauschen).
Wie kommt ihr eigentlich hierher?
Die atmosphärischen Myonen sollten aufgrund ihrer kurzen, mittleren Lebensdauer von 2.197 Mikrosekunden am Erdboden gar nicht
nachweisbar sein. Dies ist trotzdem gelungen! Man erklärt dies mit der Speziellen Relativitätstheorie:
da sich die Myonen mit Geschwindigkeiten bewegen, die vergleichbar sind mit der Lichtgeschwindigkeit, werden relativistische
Effekte wirksam. Die Zeitdilatation dehnt die Zerfallszeit im Ruhesystem gegenüber der Zeitspanne im
Beobachtersystem aus. Dadurch können die Myonen einen längeren Weg durch die Atmosphäre zurücklegen als klassisch abgeleitet: sie
schaffen es bis auf den Erdboden!
Das Myon-Atom
Mit Myonen kann man eine exotische Form von Materie kreieren: Myon-Atome, in denen schwere Myonen anstatt Elektronen den
Kern 'umkreisen'. Die Myon-Chemie wäre allerdings ein recht teueres Unternehmen.
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© Andreas Müller, August 2007
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