Astro-Lexikon P 9
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Pulsierendes Universum
Diese Idee mit ästhetischem Reiz von ewiger Weltenwiederkehr in einem natürlichen Zyklus stammt
von dem Astrophysiker Richard C. Tolman (dem Fachmann bekannt von der Tolman-Oppenheimer-Volkoff-Gleichung
aus der Theorie relativistischer Sterne).
Das Universum oszilliert in folgendem Szenario:
zwei Probleme des Szenarios
1) Der erste Haken dieser an sich hübschen Idee hängt mit dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik
zusammen. Nach diesem fundamentalen Satz kann die Entropie in einem abgeschlossenem System (wie dem Universum) nicht abnehmen. Anders gesagt:
der Zustand der Unordnung im System nimmt zu. Dies manifestiert sich darin, dass nach jedem Zyklus der Pulsation des Universums der Anteil der Strahlung
gegenüber der der Materie zunehmen muss. Irgendwann entsteht so ein materiefreies Universum, das nicht mehr kollabieren könnte: Der Zyklus
wäre unterbrochen.
2) Der zweite Haken ist, dass das Szenario den aktuellen Beobachtungsdaten (o.g. Methoden) widerspricht: Nach den aktuellen
Messungen der kosmologischen Parameter wird der Kosmos ewig und sogar beschleunigt expandieren.
Zyklisches Universum
In der avantgardistischen Idee des Zyklischen Universums von Steinhardt et al. wird die Entropie-Problematik
dadurch beseitigt, dass die Entropie zwar zunimmt (wie es sich gehört), aber die Entropiedichte konstant bleibt. Das Zyklische
Universum pulsiert auch, involviert die Kosmologie mit Branen, ist aber insgesamt
sehr spekulativ und schwierig zu testen.
Pyknonukleare Reaktionen
Es handelt sich um eine besondere Form von Kernreaktionen, die nur bei extrem hohen Massendichten ablaufen
(grch. pyknos: dicht). Die Stellarphysiker Cameron (1959), Van Horn und Salpeter (1969)
sind die Pioniere auf diesem Gebiet. Auf typischen Zeitskalen von 100000 Jahren ereignen sich folgende pyknonukleare
Reaktionen:
- Wasserstoff verwandelt sich in Helium (oberhalb etwa 106 g/cm3),
- Helium-4 in Kohlenstoff-12 (oberhalb etwa 8 × 108 g/cm3),
- und Kohlenstoff-12 in Magnesium-24 (oberhalb etwa 1010 g/cm3).
pykno vs. β
Es werden also aus leichteren Elementen durch diese Reaktionen schwerere Elemente. Damit handelt es sich um konkurrierende
Prozesse zu den inversen β-Zerfällen, die gerade die Neutronisierung von
Neutronensternen herbeiführen.
Was passiert mikrophysikalisch?
Die Behandlung fällt in den Bereich der Kernphysik und Festkörperphysik. Eine mikrophysikalische Erklärung für
pyknonukleare Reaktionen gestaltet sich wie folgt: die Atomkerne sind bei diesen hohen Dichten in ein Gitter eingebaut,
wie bei einem Festkörper. Gemäß der Quantentheorie weisen sie eine endliche Nullpunktsenergie
auf (siehe auch Quantenvakuum). Normalerweise stoßen sich die positiven Atomkerne ab, aber
wenn die Dichte zunimmt, kann ihre Nullpunktsenergie ausreichen, um diesen Coulomb-Wall zu überwinden. Auch der
quantenmechanische Tunneleffekt gewährleistet eine Überwindung des Walls, auch wenn die
Energie klassisch nicht ausreichen würde (analog dem radioaktiven α-Zerfall).
Die so genannte WKB-Methode (nach Wentzel, Kramers, Brillouin, 1926) liefert dann quantenmechanisch konsistent einen
Transmissionskoeffizienten, der gerade die Wahrscheinlichkeit für die pyknonukleare Reaktion angibt. Diese Reaktionsrate
wird allerdings maßgeblich von Verunreinigungen im Gitter (Defekte) und von endlichen Temperaturen beeinflusst.
Die neueren Berechnungen von Van Horn und Salpeter nahmen realistischere Gitterpotentiale an und berücksichtigten
außerdem Gitteranisotropien. Dies korrigierte die kritischen Dichten der einzelnen Spezies nach oben und senkte die
Reaktionsraten ab.
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© Andreas Müller, August 2007
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